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Heiße Debatte oder kalter Kaffee?

Die Familienministerin gibt ein Interview, in dem sie sich zu Ehe und Kindern bekennt und sonst noch so einiges zum Thema Feminismus sagt. Alice Schwarzer freut das alles nicht und die "Bild"-Zeitung macht gleich einen "bizarrer Sex-Streit" daraus.

Von Karin Fischer |
    Ein "bizarrer Sex-Streit", wie die "Bild"-Zeitung die Anwürfe von Alice Schwarzer auf Christina Schröder nannte, war das natürlich nicht. Schon weil Schröder den Fehdehandschuh der eisernen Lady des deutschen Feminismus partout nicht aufnehmen wollte. Außerdem hatte sich die Familien- und Frauenministerin durch Naivität schon selbst entlarvt beziehungsweise ins Knie geschossen, um im Bild zu bleiben.

    Wer glaubt, die Ungerechtigkeit bei Gehältern hätten die Frauen selbst zu verantworten, schließlich verhandelten sie ja schlecht; oder wer aus dem besseren Abschneiden von Mädchen in der Schule den Schluss zieht, man müsse sich jetzt vor allem wieder um die "armen Jungs" kümmern, und der uralten Mär anhängt, die Feminisierung der Pädagogik sei ein Entwicklungshindernis für den männlichen Nachwuchs, der hat die Debatte deutlich verfehlt.
    Zur Erinnerung: Die Vertreterinnen der Neuen Frauenbewegung der 70er-Jahre waren nach dem Krieg mit berufstätigen Müttern aufgewachsen. Das traditionelle Familienmodell jener Zeit war vermutlich eine deutlich "vaterlosere Gesellschaft" als die Ein-Kind- oder Patchwork-Familie unserer Tage. Und die "arbeitende Mutter" als Rollenmodell wirkt sicher emanzipatorischer auf Mädchen und Jungen als die Verpflichtung männlicher Erzieher in Kindergärten.

    Bizarr ist diese Auseinandersetzung vor allem deshalb, weil sie längst überholte Positionen vertritt, in einer Welt, die sich für beide Geschlechter, vor allem aber für die Frauen, gründlich verändert hat. Es ist gut, dass wir nicht mehr über Gewalt- und Unterdrückungszusammenhänge in Geschlechterverhältnissen reden. Wir haben eine Bundeskanzlerin, einen schwulen Außenminister, und gerade wurde die offen lesbisch lebende Rechtsprofessorin Susanne Baer Richterin am Bundesverfassungsgericht. Das Thema Diskriminierung ist ein für alle mal "durch", das Thema Chancengleichheit aber noch lange nicht.

    Was Frankreich oder Skandinavien längst durchgesetzt haben – Kinderbetreuung, die selbstverständliche Vereinbarkeit von Familie und Beruf oder die Frauenquote bei DAX-notierten Unternehmen – wurde hierzulande jahrzehntelang vernachlässigt. Wenn die CSU jetzt imstande ist, eine Frauenquote gut zu heißen, dann heißt das natürlich nicht, dass deren Politikerinnen allesamt Feministinnen geworden seien, es heißt noch nicht einmal, dass gewisse Forderungen des Feminismus Eingang in den Mainstream gefunden haben. Die traurige Wahrheit lautet: Die Wirtschaft, die Demografie, die ökonomischen Notwendigkeiten werden schneller mehr Frauen in gehobene Positionen bringen als es die Frauenbewegung in 40 Jahren geschafft hat.

    Wahre Gleichberechtigung, sagt Christina Schröder, sei dann erreicht, wenn Frauen auch geschminkt und im Rock ernst genommen würden. Wahre Gleichberechtigung, sagen Frauen, sei dann erreicht, wenn Frauen genauso viel Blödsinn öffentlich von sich geben können wie Männer und trotzdem im Amt bleiben. Dass der Unterschied heute ein gradueller ist, klärt ein Blick in die Vergangenheit: Olympe de Gouges, die lange vergessene und erst durch die Neue Frauenbewegung wieder entdeckte berühmte Frauenrechtlerin, Verfasserin einer "Erklärung der Rechte der Frau und Bürgerin", hat die französische Revolution als Männerbewegung entlarvt, die 50 Prozent der Menschheit vom Kulturfortschritt der bürgerlichen Rechte ausgeschlossen hat – und landete dafür auf dem Schafott.

    Alice Schwarzer schwingt gern mal das verbale Fallbeil und muss sich nicht wundern, dass sie damit, nicht mit den guten Argumenten, in den Medien landet. Deren Scharfrichter machen aus dem Streit um die Errungenschaften der Frauenbewegung einen neuen "Zickenkrieg". Harmlose Welt.