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Helal-Hotels boomen

Nach Geschlechtern getrennte Pools, kein Alkohol: Die Nachfrage nach islamgerechten Urlaubsdomizilen ist inzwischen größer als das Angebot. Besonders beliebt: die Türkei. Längst reisen Muslime aus der ganzen Welt dorthin.

Von Luise Sammann |
    35 Grad! Die Sonne steht hoch am Himmel, brennt gnadenlos auf Hasan Basar Sütcüoglu hinunter. Der Hotelmanager lächelt tapfer, während er in schwarzem Hemd und Anzughose an einem blau schimmernden Swimmingpool vorbei spaziert. Zwanzig, dreißig Gäste planschen ausgelassen im Wasser, einige Spritzer schaffen es bis auf Hasan Basar Sütcüoglus polierte Schuhe.
    Das Hotel "Klub Familia" an der türkischen Westküste ist ausgebucht. 800 Betten – alle bis zum Ende der Saison komplett reserviert. Der Manager nickt zufrieden.

    "Das Besondere an unserem Hotel ist: Wir haben einen Männerstrand und einen Frauenstrand, Männer-Pool und Frauen-Pool. Außerdem: In jeder Ferienanlage in der Türkei gibt es Alkohol, bei uns nicht. Durch unser Konzept können Religiöse und Konservative hier entspannt mit der ganzen Familie Urlaub machen."

    Und das tun sie auch! Mehrere Tausend Gäste empfängt Manager Hasan Basar Sütcüoglu – der vorher lange in internationalen Hotelketten arbeitete – jedes Jahr in seiner islamkonformen Anlage. Auf den ersten Blick wirkt das Schwimmbecken, an dem er steht, wie die Pools in jedem anderen Viersternehotel auch: Ein DJ legt am Beckenrand türkische Popmusik auf, ein paar junge Männer fassen sich lachend an den Händen und tanzen in ihren Badehosen rund um den Pool herum. Manche braungebrannt und durchtrainiert, manche weiß und blass, manche mit dicken Bäuchen über der Badehose. Erst auf den zweiten Blick fällt auf, dass Frauen weit und breit nicht zu sehen sind.

    Der Manager läuft ein paar Hundert Meter weiter, bleibt dann an einem mehrere Meter hohen Sichtschutz stehen.

    "Das hier ist der geschlossene Frauen-Pool. Passend zu ihrem konservativen Lebensstil, können unsere weiblichen Gäste hier unbeschwert herkommen. Der Pool ist vollkommen abgeschirmt und wir lassen nur Frauen hinein. Wie Sie sehen: Von außen kann man absolut nichts sehen."

    Der Manager deutet stolz auf die haushohen Segeltuchplanen vor sich. Nur das Gekreische dahinter deutet darauf hin, dass hier der Frauenbereich ist. Diejenigen, die seitlich am Eingang rein- und raushuschen, legen Kopftuch und Mäntel erst im Inneren ab. Dann, wenn kein Mann mehr in Sichtweite ist.

    "Es geht nicht nur um Muslime – in unserem Land gibt es schließlich auch ganz allgemein eine türkische Kultur: Da ist ein Mann vielleicht kein gläubiger Moslem, aber er ist trotzdem konservativ. Er will ganz einfach nicht, dass andere Männer seine Frau sehen, also kommt er mit ihr hierher und kann entspannt Urlaub machen."

    Ein braun gebrannter Surfertyp mit Sonnenbrille und Käppi nickt Manager Hasan Basar Sütcüoglu freundlich zu. Seine Frau, erklärt er glücklich, lerne hinter dem hohen Zaun gerade Schwimmen. Was für manche aussehen mag wie ein Gefängnis, bedeutet für seine Frau ungewohnte Freiheit.

    "Wir Männer können ja überall schwimmen gehen. Ich war schon schwimmen, als ich ein kleiner Junge war. Meine Mutter saß dann am Rand, genau wie meine Schwester. Aber jetzt gibt es Gott sei Dank solche Möglichkeiten hier – und wir nutzen sie."

    Dass die Gäste die neuen Möglichkeiten nutzen, weiß keiner besser als Kilic Mutlu. In seinem schicken Großraumbüro sitzt er zwischen Aufnahmen von Moscheen in aller Welt, zwischen Strand- und Palmen-Postern aus islamischen Hotelanlagen. Zufrieden berichtet der Reisebüroleiter vom Erfolg, den ihm die zahlreichen islamischen Gäste in den letzten Jahren beschert haben.

    "Unsere Reiseagentur ist eigentlich auf Pilgerfahrten spezialisiert. Seit 23 Jahren schicken wir Menschen nach Mekka. Aber jetzt organisieren wir eben auch ihren Urlaub. Das Ganze hat mit einem einzigen Hotel vor etwa acht Jahren angefangen. Inzwischen gibt es knapp 20 solcher Anlagen mit getrennten Bademöglichkeiten und Alkoholverbot in der Türkei. Es ist ein Markt geworden, der jedes Jahr wächst."

    5000 Zimmer in islamischen Urlaubsanlagen belegt Mutlu inzwischen jedes Jahr zwischen Mai und September mit Gästen. Wer nicht früh genug bucht, kann Pech haben: Die Nachfrage nach islamgerechten Urlaubsorten ist inzwischen größer als das Angebot. Zwei bis drei neue Hotels kommen deswegen pro Jahr dazu. Mutlu reibt sich zufrieden die Hände. Dieser Tage entsteht eine neue 5-Sterne-Anlage, an der er selbst beteiligt ist.

    "Früher fuhren solche Familien im Urlaub höchstens in Ferienhäuser. Aber diese Frauen arbeiten das Ganze Jahr über im Haushalt, kümmern sich um die Kinder, kochen usw. Wenn sie dann im Ferienhaus waren, ging das weiter. Auch dort wurde Wäsche gewaschen und gekocht. Jetzt, wo auch die finanziellen Möglichkeiten vieler Türken wachsen, fahren sie eben stattdessen in Hotels, wo auch die Frauen schwimmen können, wo das Essen andere kochen und sie sich ausruhen können."

    Nicht nur türkische Frauen haben den Komfort der Helal-Hotels in den letzten Jahren entdeckt. Längst kommen Muslime aus der ganzen Welt angereist – Buchungen aus dem arabischen Raum, aus England, Holland oder Deutschland gehen bei Kilic Mutlu ein und lassen die Branche weiter wachsen. Das freut auch Hotelmanager Hasan Basar Sütcüoglu. Er weiß freilich auch von Missverständnissen zu berichten.

    "Wir erklären den Leuten bei jeder Reservierung unser Konzept, aber trotzdem gibt es manchmal Missverständnisse. Gerade in den ersten Jahren hatten wir manchmal Frauen, die das getrennte System nicht verstanden und plötzlich im Bikini am Männer-Pool saßen. Die anderen Leute waren natürlich ziemlich überrascht. Meistens kam dann jemand an die Rezeption und sagte Bescheid."

    Der Manager schmunzelt. Wenn schon Frauen in den Männerbereich kommen, dann höchstens so – er deutet hinüber zu einer jungen Frau, die mit Kopftuch und langärmligem pinken Trainingsanzug ihrem Mann und Sohn beim Baden zusieht... Seit fünf Jahren, erzählt die 33-Jährige Sibel, fahre sie und ihre Familie jedes Jahr in ein islamisches All-inclusive -Hotel.

    "Das Angebot wächst, weil die Nachfrage steigt! Wir, die Religiösen, wollen mehr Orte, an denen auch wir unsere Zeit verbringen können. Und so wächst das Angebot stetig – nicht nur im Tourismus. Auf fast allen Gebieten gibt es endlich auch für uns Religiöse eine Auswahl."

    Sibel sieht jetzt fast ein bisschen trotzig aus. Sie weiß: Das neue Selbstbewusstsein der Religiösen bringt auch Konflikte mit sich. Denn längst nicht alle Türken sind von getrennten Pools und Stränden, von alkoholfreien Zonen und immer neuen Moscheen begeistert. Im Gegenteil: Die neuen Angebote machen ihnen Angst – genau wie die vielen Kopftuchträgerinnen allgemein, die in den letzten Jahren auch in den großen Städten immer sichtbarer werden. Es ist ein Kampf um die Vorherrschaft im Land, der am Strand genauso wie in der Fußgängerzone, im Restaurant oder in der Shoppingmall allgegenwärtig ist. Hotelgast Muttalip, der mit triefend nassem Vollbart aus dem Becken steigt und sich in ein Handtuch wickelt, zuckt mit den Schultern.

    "Wir leben in einem Land mit 99 Prozent muslimischer Bevölkerung. Und im Islam ist es nun mal ein Gebot, dass Frauen und Männer bestimmte Dinge getrennt leben. Das ist unsere Art zu leben – und das müssen die anderen akzeptieren. Es gibt ja auch Nacktstrände – und niemand mischt sich ein. Also sollte sich auch niemand über unsere getrennten Strände aufregen."