Männliche Helden sind uns fremd geworden. Ihre Strahlkraft ist gebrochen. Unglaubwürdig sind sie geworden, lächerlich, nicht einmal die Werbung nimmt sie ernst. Mittlerweile gibt es Zahnputzhelden. Duschshampoo für Helden. Ein Supermarkt bewirbt angestoßenes Gemüse als "echte Bio-Helden" - die dürfen sogar "Macken haben."
"Ich finde das gar nicht schlecht", sagt der Freiburger Kultursoziologe Ulrich Bröckling. "In dem Maße, in dem das inflationär benutzt wird, wird es auch entgiftet. Heldentum, Heldengeschichten, haben ja etwas Hochgiftiges, weil sie Menschen dazu bewegen sollen, diesen vermeintlichen Helden nachzueifern, sich selbst zu opfern, kämpferisch zu sein."
Wir leben im post-heroischen Zeitalter. Die entgifteten Helden bekommen zwar Hauptrollen, aber da müssen sie krampfhaft Schwächen zeigen. Der Herr Fernseh-Kommissar löst zwar am Ende noch immer den Fall, aber er kämpft mit Sucht- oder wenigstens mit Figurproblemen. Auch die Comic-Helden sind müde.
"Da hat sich sicher etwas geändert, wenn sie die zeitgenössischen Super-Helden-Comics angucken. Die sind in hohem Maße auch ironisch gebrochene Gestalten", sagt Ulrich Bröckling. "Gestalten, die häufig irgendwelche traumatischen Erfahrungen in ihrer Kindheit haben. Oder es sind witzig gebrochene Heldenfiguren. Also dieses Pathos, das die ersten Generationen des golden Age der Super Heroes hatte, das ist heute einer anderen Darstellungsweise gewichen. Es geht immer noch um Explosionsexzesse, um enorme Gewaltpotentiale, die da entfesselt werden. Aber es ist doch eine andere Erzählung, die da in den Geschichten fabriziert wird."
Vergiftete Geschichten
Vergiftet sind Heldengeschichten vom Krieg, zumal in Deutschland. Vom Ersten Weltkrieg erzählen im Alltag allenfalls die Heldendenkmäler auf den öffentlichen Plätzen, vom Zweiten Weltkrieg können die Eltern der heute 50– bis 60-Jährigen noch erzählen.
Die NS-Ideologie propagierte einen Heldentypus, der sich für das Vaterland opferte bis zum Tod.
Ulrich Bröckling: "Jeder sollte zum Held werden im Nationalsozialismus, aber auch in den anderen totalitären Regimen war Heldentum: also sich aufopfern, alles geben und mehr noch als alles geben eine Forderung, die an jeden einzelnen gestellt wurde. Ob das der Soldat war, aber auch die Hausfrau, der Arbeiter. Selbst die Kinder sollten diese heroischen Tugenden entwickeln. Das waren totale Mobilmachungsgesellschaften, die von ihren Mitgliedern verlangten, um des Ganzen willens, um der Volksgemeinschaft - wie auch immer die ideologischen Vokabeln da waren - alles zu geben, ihr Leben zu opfern."
Sich aufzuopfern – ob als Soldat, als Mutter oder als Arbeiterin. Dafür gab es Orden und Wertschätzung. In Ost- und in Westeuropa.
"Diese Überstrapazierung des Heldentums, hat dann dazu geführt – sicher auch durch den Sieg der Alliierten, zumindest in beiden Teilen Deutschlands heroische Konzepte, vor allem kriegerisches Heldentum erst mal desavouiert war, dass man davon lange Zeit nichts wissen wollte. Dass Helden als problematisch galten. Dass man sich lieber mit Wiederaufbau beschäftigt. Was dann wieder an ihre Stelle trat, sind Stars, sind Celebrities des 21. Jahrhunderts, also prominente berühmte Stars", sagt der Kulturwissenschaftler.
Noch heute künden die Heldendenkmäler aus dem Ersten Weltkrieg, die in öffentlichen Parkanlagen und auf Friedhöfen stehen, von diesem Kult.
Auf Tafeln finden sich die Namen der gefallenen Soldaten eingraviert. Dabei waren die Schlachten ab 1914 Massenkriege, hochtechnologisiert, wo der einzelne Kämpfer keine tragende Rolle mehr spielte.
"Jämmerlich verreckt in den Schützengräben"
"Gerade im Ersten Weltkrieg waren die Menschen, die Soldaten ja keine Helden, die ritterlich gekämpft haben, die sind jämmerlich verreckt, aufs Brutalste in Schützengräben zu Tode gekommen. Und da bringt das Wort Held ein ganz falsches, verlogenes Pathos ins Spiel und nimmt den Menschen ihre Würde auch wieder", sagt der Kulturbeauftragte der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Johann Hinrich Claussen. Dennoch wurde der Tod der Soldaten als Opfer für das Vaterland weiter stilisiert und verklärt.
Doch nicht nur weltliche Ideologien haben Pathos hervorgebracht, auch die Religionen waren Geburtshelfer der Helden.
Im Mittelalter zum Beispiel. Kultursoziologe Bröckling sieht modernes Heldentum als Schöpfung des späten 18. Jahrhunderts, die dann auch das religiöse Heldentum in den Hintergrund stellte. Also Heiligenlegenden, die an christliche Ideale anknüpften. Wie der heilige Martin, der mit den Armen teilte oder St. Georg, der Drachentöter.
"Im Mittelalter und auch in der frühen Neuzeit war Heldentum so etwas wie ein Adelsprivileg. Männliche Adelige hatten sich heldenhaft zu verhalten. Die waren eben auch in den Kriegen, hatten sie Offiziersstatus. Waren jedenfalls auch militärische Vorgesetzte. Es wurde erwartet, dass sie vorneweg ritten oder marschierten und nicht hinten auf dem Feldherrenhügel standen. Dass sie eben auch durch ihr Verhalten ihr eigenes Leben auch riskierten. Das war eine Erwartung an männliche Adelige, wenn sie nicht in den Klerus gingen, gestellt wurde."
Ein Ideal - das dem Heldenmythos sehr nahe kommt - entstand in der frühen Christenheit durch die Märtyrer. Gläubige wollten Jesus in seinem Leiden bis zum Tod am Kreuz nachfolgen.
Die christlichen Märtyrer starben für ihren Glauben, sagt der Kulturbeauftragte der EKD, Johann Hinrich Claussen.
"Der Märtyrer als der religiöse Held ist ein Zeuge für seinen Glauben. Und da gibt es einen markanten Unterschied, was Christen für Märtyrer halten und radikale islamistische Terroristen für einen Märtyrer halten. Für den Christen gilt als Märtyrer jemand, der ungesucht, also nicht zielgerichtet, für seinen Glauben gestorben ist. Also jemand, der für seinen Glauben eingestanden hat in einer schwierigen Zeit und dafür gestorben ist, das ist Glaubenszeuge. Das war in der alten Kirche so, bei denjenigen, die den Kaiserkult verweigert haben, sich zu Jesus Christus bekannt haben. Das waren die kirchlichen Helden der Vergangenheit oder dieses Jahrhunderts noch: Dietrich Bonhoeffer und Hans Scholl, also Menschen, die im Widerstand gegen den Nationalsozialismus für ihren Glauben eingetreten sind."
Die Botschaft der Liebe mit dem Schwert
Zum christlichen Märtyrerbegriff gehört, dass Märtyrer passiv bleiben und nicht aktiv andere Menschen töten, sondern selbst Gewalt erleiden. Dünger für die christliche Heldenbildung war auch das aus heutiger Sicht wenig ruhmreiche Kapitel des Kreuzrittertums, in dem Adelige in den Krieg zogen.
Die ersten christlichen Kreuzritter zogen vor gut 900 Jahren zu ihrem ersten Kriegszug nach Jerusalem und schlachteten die Bevölkerung ab – zuvor hatte man eine Legitimation konstruiert. Der Papst sah einen göttlichen Auftrag darin, die Christen im Heiligen Land von der heidnischen Herrschaft zu befreien.
Das Ziel des Kriegszugs mutet heute grotesk an: Die Botschaft göttlicher Liebe wurde mit dem Schwert verbreitet. Plünderungen eingeschlossen. Alle Teilnehmer am Kreuzzug konnten auf religiöses Verdienst hoffen, auf Absolution von ihren Sünden wie bei einem Bußgang.
Aber waren das Helden damals?
Der EKD-Kulturbeauftragte meint, das sei eine historische Frage:
"Ich würde mal schätzen, dass das Wort Held da nicht angemessen ist, sondern eher Glaubenskämpfer. Das wäre viel religiöser beschrieben worden. Dass sie als Märtyrer beschrieben wurden, glaube ich auch nicht."
Schon im Mittelalter kritisierten auch Theologen das Unterfangen. Dennoch gab es weitere Raubzüge. All das ist heute weit weg - die Narrative der Kreuzritter sind nicht mehr im kollektiven Gedächtnis gespeichert. Es war ein inszenierter Kampf von Gut gegen Böse. Und die Guten durften sich alles herausnehmen.
Johann Hinrich Claussen: "Da braucht der Held immer den Gegentypus, den ungeheuerlich Bösen, mit dem er dann ringt und am Ende siegt. Das ist sozusagen die Grundgeschichte – das findet man in der Popkultur und in Comics und das findet man leider auch gelegentlich bei bestimmten Bewegungen."
Inszenierte Gewalt, kalkulierte Wirkung
Der sogenannte "Islamische Staat" nutzte die Mittel der Popkultur, Videos und Kampflieder, um ein eigenes Heldenbild zu prägen.
"Die islamistisch-terroristischen Märtyrer, drehen das genau um", sagt Claussen. "Die machen aus einem Glaubenszeugen, der für seinen Glauben mit seinem Leben einsteht, dem wichtigsten, was er hat, jemanden, der andere für die eigenen Überzeugungen opfert – das ist etwas, was nicht nachzuvollziehen und zu verdammen ist."
Die Bilder aus dem Internet sind vielen noch im Gedächtnis. Vermummte IS-Männer schneiden gefesselten, wehrlosen Menschen die Kehle durch. Christen genauso wie Muslimen. Die Gefangenen müssen knien und werden wie Tiere geschlachtet. Die Hinrichtungen sind bis ins kleinste inszeniert. Die Verstörung der Betrachter war kalkuliert. Der grausame Mord sollte Wut erzeugen. Das Ziel des IS: Christen und Muslime sollten nicht mehr nebeneinander leben können. Die Saat der Gewalt war ausgestreut – und sie fand Nachahmer im Westen.
Woher kommen eigentlich die Erzählungen, die hier aufgegriffen werden? Die Freiburger Islamwissenschaftlerin Johanna Pink forscht über diese Heldenbilder. Im sunnitischen Islam existiert ein Märtyrer-Ideal, sagt sie, in dem das Bild des Kämpfers für den Islam mehr im Vordergrund steht.
Johanna Pink sagt: "Es ist also nicht unbedingt ein passives Märtyrer-Ideal, dass jemand für seine Überzeugungen, für seinen Glauben hilflos niedergemetzelt wird. Sondern es ist eher jemand, der im Kampf für den Islam fällt. Das ist das Bild, auf das sich gewalttätige radikale Ideologien beziehen."
Das Versprechen: religiöses Verdienst für jedermann, der die Feinde des Islams tötete.
Johanna Pink: "Natürlich ist es so, dass sunnitische Gelehrte schon sehr früh erkannt haben, dass es keine gute Idee ist, jedem, der sagt: "Ich töte jetzt für die Religion" – das zu erlauben. Weil das dazu führt, dass sehr viel Gewalt, Chaos und auf jede Art von Herrschaft immer Angriffe geben wird, weil man jedem Herrscher immer vorwerfen kann irgendwas unislamisches zu tun. Deshalb ist die Tendenz im sunnitischen Islam immer dorthin gegangen, das stark einzuschränken. Also diese Fälle legitimer Gewaltausübung z.B. nur auf Situationen auszudehnen, in denen ein Herrscher es den Untertanen praktisch unmöglich macht, ihre Religion zu praktizieren."
Hinrichtungen als Videoclip
Das wäre der Fall, wenn jemand ein islamisches Gebiet erobert und das Abhalten von Freitagsgebeten verhindert, sagt die Islamwissenschaftlerin:
"Aber in dieser sehr weitgehenden, radikalen Ausprägung hat es zwar vor dem 19. Jh. schon Ansätze gegeben, aber so richtig durchgesetzt hat sich das eigentlich erst mit den islamistischen Bewegungen des 20. Jh."
Ihre Namen kehren immer wieder in den Schlagzeilen: Taliban, Al-Qaida oder der IS. Ein Beispiel für einen radikalen islamistischen Helden ist der aus einem palästinensischen Flüchtlingslager stammende Al Sarkawi. Der Mann erlangte mit seinen Anschlägen und Gewalttaten im Irak einen zweifelhaften Ruhm. Im Jahr 2004 hatte Sarkawi mehrere Menschen vor laufender Kamera geköpft. Die Filme stellte er ins Internet.
Johanna Pink: "Sarkawi ist einer Strömung zuzuordnen, die man als Salafismus bezeichnet. Das ist eine Strömung, die sich sehr radikal auf die islamische Frühgeschichte beruft. Die meint, dass man ausschließlich dem Koran und dem Vorbild des Propheten folgen sollte und nichts anderem. Die jede menschliche Autorität ablehnt, aber auch jede Art von Herrschaft, die nicht sich ausschließlich auf die Scharia nach diesem salafistischen, sehr wortgetreuen Verständnis stützt."
Sarkawi tötete im Irak alle Gegner: Amerikaner, Nicht-Muslime und Muslime, auch Zivilisten. Die Kämpfer dafür gewann er im Gefängnis. Leute mit Gewalterfahrung, Räuber und Mörder – für die war es keine große Hürde Gewalt auszuüben. Er berief sich auf eine fast vergessene Tradition – die wird im Arabischen als Taqfir bezeichnet.
Männlichkeit wird zur Schau gestellt
"Das heißt, du erklärst andere Muslime zu Ungläubigen und erklärst es damit auch für legitim die zu töten", sagt Johanna Pink. "Das ist immer sehr umstritten, inwieweit man das darf. Bei Sarkawi ging es dann soweit, dass der gesagt hat: Ist mir eigentlich egal, wie viele unbeteiligte Zivilisten mit draufgehen. Entweder sind es Sünder, dann ist es sowieso ihre gerechte Strafe. Oder es sind gute Muslime, dann sterben sie als Märtyrer und kommen ins Paradies und dann brauchen sie sich ja auch nicht zu beschweren."
Mit dieser Denkweise hatten die Islamisten Anfang der 2000er Jahre ihre Gewalt erneut legitimiert – sie definierten ihren Terror als Gegenwehr.
Ein Held zeigt keine Hemmungen, wenn er mit der Waffe in der Hand oder mit einem Messer hantiert. Glaubenskrieger brauchen keine umfangreiche religiöse Kenntnis der Schriften - ihr Hass genügte.
Johanna Pink: "Diese Strategie mit der Sarkawi eigentlich angefangen hat, Sachen auch zu filmen und international bekannt zu machen. Das hat der IS auch auf die Spitze getrieben und hat auch sehr bewusst, diese Inszenierung von Männlichkeit eingesetzt. Gerade auch um männliche Jugendliche anzuwerben, anzusprechen und das wurde verknüpft mit dem Motiv der Rückgewinnung von Würde. Und Würde sehr stark verstanden im Sinne von männlicher Ehre."
Islamisten instrumentalisierten die publizierten Fotos aus dem irakischen Gefängnis, auf denen US-Militärs irakische Gefangene folterten und erniedrigten.
Johanna Pink: "Das wurde dann von den Propagandisten es IS benutzt, um den Leuten zu sagen. Die haben euch eure Würde genommen. Die müsst ihr euch zurückerobern. Und der Weg ist eben durch den Kampf, durch den Krieg."
Der Rest ist bekannt: Sarkawi und der IS erreichten viele mit ihrer Propaganda, nicht nur Menschen aus dem Irak, Syrien oder Saudi Arabien, auch Jugendliche aus Europa oder Deutschland, denen es nicht mal materiell schlecht gehen musste, die aber ein Gefühl mangelnder Anerkennung hatten, sagte die Wissenschaftlerin. Die wollten sich nicht opfern als die zum IS gegangen sind – im Gegenteil: "Das ist sicherlich eher so die Vorstellung bei vielen: Ich geh da hin mit einem Maschinengewehr und knall andere ab. Grundsätzlich ist die Idee, erst mal zum Held zu werden, indem man andere tötet."
Postsalafistische Trends
Gegen dieses kriegerische Heldenbild formieren sich nun erste Gegenentwürfe, postsalafistische Trends. Ausgesprochen von Ex-Salafisten. Die erkennen langsam, dass die Gewalt nicht zur Herrschaft des Islams geführt habe. Plötzlich werden ganz andere Vorbilder aus der islamischen Frühgeschichte herangezogen als von den dschihadistischen Salafisten. So wird auch der Prophet Mohammed neu gedeutet. Das Wertesystem bleibt das gleiche. Aber das Blutvergießen soll um jeden Preis vermieden werden.
Hauptverfechter dieser Ideologie ist Nagih Ibrahim, ein ehemaliger Dschihadist aus Ägypten. Er fordert eine Konzentration auf Predigt, Verkündigung und Mission anstatt auf Gewalt.
Johanna Pink: "Nagih Ibrahim bedient einen Heldendiskurs, indem er sagt: Der eigentliche Held ist nicht der, der für die Religion tötet. Sondern der eigentliche Held ist der, der bewusst darauf verzichtet, um Menschenleben zu schonen. Und damit auch die Ehre, den Ruhm usw. abschlägt, die ihm sonst zufallen würden. Das ist das wahre Heldentum und eigentlich das größere Heldentum."
Ob diese noch sehr kleine Bewegung Erfolg hat und es schafft, das kämpferische Heldentum der Islamisten umzudefinieren?
Der IS und seine Gewalt hätten sehr viele Muslime und Institutionen angestoßen, sich neu zu positionieren. Aber das sei ein langer Prozess - man könne nicht erwarten, dass das innerhalb von zwei Jahren passiere, sagt Johanna Pink.
Ein gewalttätiger Heldentypus kann sich nur etablieren mit extrem starken Feindbildern – auf die dann alles Böse projiziert wird. Die Islamisten, aber auch die extremen Rechten bedienen diese Feindbilder.
Johann Hinrich Claussen: "Zum Held gehört der Feind. Das ist eben ein weiteres großes Problem mit so einer Heldenfixierung, dass man nicht in der Lage ist diejenigen, die andere Positionen vertreten, als politische Gegner zu sehen mit denen man ringt und am Ende vielleicht einen Kompromiss schließt. Sondern eben wie eine feindliche Macht, mit der man sich in einem Endkampf befindlich ist, und das ist zerstörerisch."
Wer Möhren mit Macken verspeist, kann Chef werden
Die alten Heldenbilder bedienen eine Sehnsucht, die Welt durch Gewalt zu beherrschen und zurecht zu stutzen. Ohnmachtsgefühle hingegen auszuhalten und Kompromisse zu suchen und zu versöhnen, ist dagegen Schwerstarbeit. Das erfordert ein ständiges Training, Reflexion des eigenen Handelns und Unabhängigkeit von Ideologien.
Von Führungskräften wird genau das heute verlangt. Der Kultursoziologe Bröckling umreißt das Anforderungsprofil für postheroische Manager so: "Flache Hierarchien, Partizipation, nicht mehr der große Zampano, der von oben durchregiert. Sondern Teams, die auch selber mitentscheiden. Aber auch im Bereich der Sozialpsychologie gibt es Konzepte einer postheroischen Persönlichkeit, die dann mit Risiken umzugehen gelernt hat. Die nicht mehr von einem nur starken autonomen Selbst ist, sondern einem Selbst ist, das auch angewiesen ist auf andere. Das gelernt hat mit seiner eigenen Beschränktheit umzugehen."
Wer Öko-Möhren mit Macken verspeist, kann es bis in die Chefetage bringen. Theologe Claussen zweifelt dennoch daran, dass die ironisch gebrochenen Bio-Helden aus der Supermarktwerbung den Hunger der postheroischen Gesellschaft stillen:
"Ich glaube ja, dass sich menschliche Grundbedürfnisse nicht komplett in Luft auflösen, sondern sich verwandeln. Die Orientierung an Helden ist doch für viele ein Grundbedürfnis. Das hört nie auf. Das sucht sich andere Formen."
Die Helden mögen müde sein, aber sie sterben nicht aus.