Michael Borgers: Warum haben Sie den Preis abgelehnt?
Laura Meschede: Der Helmut-Schmidt-Journalistenpreis ist ein Preis, an dem ich mehrere Punkte kritisieren würde. Zum einen wird er verliehen von der ING-DiBa-Bank und ist damit letzten Endes eine PR-Veranstaltung, wo Journalisten mit einem bestimmten Preisgeld ausgezeichnet werden dafür, dass sie sich von der ING-DiBa auszeichnen lassen. Das steht da überall drüber, das heißt letzten Endes ist es eine Werbeveranstaltung. Zum anderen ist es aber auch so, dass ich es problematisch finde, wenn sich Journalisten auf die Seite stellen letzten Endes von Banken und der Politik. Das war eine sehr große Veranstaltung, wo Olaf Scholz und Herr Steinbrück davor eine Diskussion gehabt haben. Und das ist schon eine gewisse Nähe zu dieser Politik, die es bringt, wenn man sich auf solchen Veranstaltungen dann auszeichnen lässt, danach noch ein bisschen nett miteinander quatscht. Ich glaube, wenn ich es ernst meine mit meiner Kritik, auch an der Politik, dann kann ich nicht, sobald ich einen Preis dafür kriege, diese kritische Haltung aufgeben, mich dann dazustellen und gemeinsam nett in die Kamera lächeln.
Michael Borgers: Sie sprechen von einer Werbeveranstaltung. Aber können sich Journalisten überhaupt so eine Haltung leisten? Weil Sie arbeiten ja auch für Medien, für Redaktionen, die sich über Werbung finanzieren.
"Hintergründig steht überall ING-DiBa darüber."
Meschede: Das ist sicherlich so und das ist auf eine gewisse Art notwendig. Gleichzeitig ist ja schon, auch wenn das immer mehr verschwimmt, in den meisten Fällen bei einer Zeitung klar erkenntlich, was ist jetzt ein Artikel, der die eigene Meinung ausdrückt, und was ist ein Werbeartikel. Bei solchen Veranstaltungen ist es letzten Endes so: Vordergründig geht es darum, ich bekomme einen Preis. Hintergründig steht überall ING-DiBa darüber. Das heißt, letzten Endes sehe ich als das Problem an, dass ich, wenn ich das annehme, ich mich auf eine klare Seite stelle. Ich glaube, kritischer Journalismus hat die Aufgabe, gerade heute, man könnte sagen, Establishment, die herrschende Politik und auch, und darum ging es ja auch in meiner Rede, das vorherrschende Wirtschaftssystem zu kritisieren. Das ist zumindest das, was mir wichtig ist. Und all diese Kritik verliert natürlich vollkommen ihre Wirkung, wenn ich mich dann von genau diesem Establishment, von dieser Politik und von auch Vertretern eben dieses Wirtschaftssystems dafür auszeichnen lasse.
Borgers: Warum haben Sie sich dafür entschieden, dass dann erst auf der Veranstaltung so öffentlich zu machen? Warum haben Sie nicht im Vorfeld abgesagt?
Meschede: Ich hatte mir tatsächlich überlegt, vorher abzusagen, bin dann aber zu dem Schluss gekommen, dass ich ja daran tatsächlich auch eine Kritik habe und dass ich auch etwas habe, was ich eigentlich gerne da rüberbringen möchte, nämlich dass es wichtig ist, genau diesen Strukturen gegenüber kritisch zu bleiben und von denen eine Unabhängigkeit zu wahren. Ich habe mir gedacht, wenn man so etwas von außen kritisiert, ist es immer eine Kritik, die den Beigeschmack hat von "Naja, du hast es ja nicht gewonnen". Und ich habe mir gesagt, naja, wenn ich das jetzt gewinne, dann nutze ich diese Bühne auch.
"Hätte ich dieses Stipendium nicht gehabt, ich hätte die Geschichte nicht machen können."
Borgers: Sie arbeiten als freie Autorin. Welche Rolle spielen da grundsätzlich Journalistenpreise?
Meschede: Ja, schon eine gewisse Rolle muss man sagen, Journalistenpreise, aber vor allem eben auch Unterstützung für Journalisten. Also die Geschichte, für die ich da ausgezeichnet worden bin, die hätte ich überhaupt nicht machen können, wenn ich nicht ein Stipendium vom SZ-Magazin zum Beispiel gehabt hätte. Allgemein schon schwierig, sich zu finanzieren als freie Journalistin, und nochmal schwieriger, wenn man wirklich lange Geschichten machen möchte, wenn man sich mal ein, zwei Monate wirklich befassen möchte mit einem Thema. Und hätte ich dieses Stipendium nicht gehabt, ich hätte die Geschichte nicht machen können. Das heißt, natürlich erfüllt das auch eine wichtige Aktion, dass manchmal gute Geschichten ausgezeichnet werden, aber das zum Anderen auch Journalisten, die gute Geschichten machen wollen, Unterstützung bekommen. Ich finde das nicht prinzipiell verwerflich.
Borgers: Jetzt nach der Erfahrung, die Sie gemacht haben: Was, würden Sie grundsätzlich sagen, macht einen guten Journalistenpreis aus? Einen, auf den Sie sich auch künftig bewerben würden mit dem, was Sie schreiben und tun?
Meschede: Ich würde sagen, es kommt darauf an, was dahintersteht. Was ist die Zielstellung dieses Preises? Ich finde, es kann durchaus auch eine Interessensgruppe sein. Sagen wir, es gibt den Verein von Menschen, die für Krebsforschung eintreten, und die möchten, dass die Krebsforschung mehr ins Bild der Öffentlichkeit gerät und schreiben dafür dann einen Preis aus. Das finde ich vollkommen vertretbar. Dann muss ich aber sagen, was promote ich damit, wenn ich etwas annehme, und was promotet dieser Preis? Und wenn er etwas promotet, was ich ablehne oder kritisiere, dann ist es natürlich schwierig.
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