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Herausforderungen in der Energiepolitik

Am Sonntag wählt Chile. Unter allen Regierungen, die das Land seit Ende der Pinochet-Diktatur hatte, ist die exportorientierte Wirtschaft kontinuierlich gewachsen. Der OECD-Staat kann zahlreiche Freihandelsabkommen vorweisen. Trotzdem warten auf die neue Regierung große Aufgaben.

Von Victoria Eglau | 14.11.2013
    Chile ist unter Präsident Sebastián Piñera weiter gewachsen - besonders in den ersten Jahren seiner Amtszeit, als der Wiederaufbau nach dem schweren Erdbeben die Wirtschaft stimulierte. 2012 begann ein leichter Wachstumsrückgang, von sechs auf in diesem Jahr gut vier Prozent - infolge einer geschrumpften Nachfrage aus Europa und China. Chiles Wirtschaft ist in hohem Maße exportabhängig, in jüngster Zeit hat allerdings auch die Binnennachfrage stark zugenommen. Weil die Löhne gestiegen und viele neue Jobs geschaffen worden seien, erklärt der chilenische Ökonom Luis Felipe Jiménez. In den letzten vier Jahren entstanden nach Regierungsangaben mehr als 800.000 Arbeitsplätze:

    "Darunter sind allerdings viele Zeitarbeitsplätze, was oft bedeutet, dass die Arbeitnehmer weniger Rechte haben. Etwa 55 Prozent der neuen Jobs sind ausgelagerte Jobs", "

    … gibt Jiménez zu bedenken, der bei der UN-Wirtschaftskommission für Lateinamerika, CEPAL, in Santiago de Chile tätig ist. Chiles größter Wirtschaftssektor ist die Dienstleistungsbranche, gefolgt vom Bergbau. Rohstoffe, an erster Stelle Kupfer, sind mit Abstand Chiles wichtigstes Exportprodukt. Der Andenstaat ist der größte Kupfer-, Lithium- und Jod-Produzent der Erde. Im vergangenen Jahr trug der Bergbau 14,2 Prozent zum chilenischen Bruttoinlandsprodukt bei. Weitere wichtige Exportbranchen sind die Obst-, Wein- und Fischereiwirtschaft. Die starke Abhängigkeit von Rohstoff- und Agrarexporten ist typisch für lateinamerikanische Länder. Was würde es für Chile bedeuten, wenn der hohe Kupfer-Weltpreis einmal fiele? Experte Luis Felipe Jiménez:

    ""Dies ist durchaus ein Grund zur Sorge, und wir haben keine klaren Antworten. Allerdings ist Chile durch seine makroökonomische Stabilität gewappnet. Wenn der Kupferpreis fiele, könnten die öffentlichen Ausgaben durch Ersparnisse finanziert werden."

    Rücklagen aus den Kupfer-Einnahmen sorgten auch dafür, dass Chile die Weltfinanzkrise von 2008 gut überstand. Das Land verzeichnet eine geringe Inflation - rund drei Prozent jährlich -, sowie eine niedrige Staats- und Auslandsverschuldung. Chile ist attraktiv für ausländische Unternehmen, fast 28 Prozent der Investitionen in Lateinamerika flossen 2012 nach Chile. Doch nicht alles ist eitel Freude, die Achillesferse der chilenischen Wirtschaft sei die Energieversorgung, meint Ökonom Jiménez:

    "Chile ist arm an Energiequellen. Außer mit Wasserkraft erzeugt unser Land kaum Strom. Bisher konnte die chilenische Wirtschaft auf der Grundlage früherer Energie-Investitionen wachsen. Aber unter den letzten beiden Regierungen wurde nur wenig in Wasserkraft investiert. Chile braucht eine energiepolitische Zukunftsstrategie."

    Eine Herausforderung für Chiles künftige Regierung, ebenso wie die Verringerung der sozialen Ungleichheit. Chile gehört weltweit zu den Ländern mit der größten Kluft zwischen Arm und Reich.