Deutschlands Wirtschaft wächst in diesem Jahr deutlich langsamer als im Frühjahr erwartet. Das geht aus der Herbstprojektion hervor, die Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier am Vormittag vorgestellt hat. Demnach werde das Bruttoinlandsprodukt sowohl in diesem als auch im kommenden Jahr nur noch um 1,8 Prozent zulegen. Bislang waren 2,3 und 2,1 Prozent veranschlagt worden.
Trotzdem zog Peter Altmaier ein positives Gesamtfazit: "Die deutsche Wirtschaft befindet sich weiterhin in einem kräftigen Aufschwung. Das gilt für 2018 und 2019. Es handelt sich um die längste Aufschwungphase seit 1966 und es handelt sich um den zweitschnellsten Aufschwung in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland."
Als einen Grund für das schwächere Wachstum nannte Altmaier auch die lange Regierungsbildung: In der Zeit der vorläufigen Haushaltsführung hat der Staat erheblich weniger ausgegeben, als zu erwarten gewesen wäre: Allein das habe 0,2 Prozentpunkte Wachstum in diesem Jahr gekostet. Weitere 0,1 Prozentpunkte sind der Abkühlung des Welthandels geschuldet. Die restlichen fehlenden 0,2 Prozentpunkte Wachstum sind einer Datenrevision des Statistischen Bundesamtes geschuldet: Die Wirtschaft startete etwas schwächer ins Jahr 2018 als die vorläufigen Zahlen der Statistiker ausgewiesen hatten.
Risiko Handelskonflikte
Das größte Risiko für das Wachstum, sagte Wirtschaftsminister Peter Altmaier, seien die momentan schwelenden Handelskonflikte weltweit. Zwar habe man eine Eskalation im Handelskonflikt zwischen der EU und den USA verhindern können. Doch, so der Wirtschaftsminister: "erleben wir im Augenblick einen sich zuspitzenden Handelskonflikt zwischen den USA und China. Auch ein solcher Handelskonflikt hat Auswirkungen auf das globale Wachstum und damit auch auf das der EU." Besonders der Konflikt zwischen den beiden weltgrößten Volkswirtschaften USA und China, die sich gegenseitig mit Strafzöllen überziehen, sorgt die Ökonomen des Wirtschafts- und Finanzministeriums in ihrer Konjunkturprognose. Auch durch die Unsicherheiten im Bezug auf den Brexit sowie die Gefahr, dass sich die Wirtschaftskrisen in der Türkei und Argentinien auf andere Schwellenländer ausbreiten, ergeben sich zusätzliche Risiken.
Das Wachstum der deutschen Wirtschaft werde aber auch durch Knappheiten am Arbeitsmarkt gebremst. Das sei besonders in der Baubranche zu beobachten. Ein Grund dafür: Es werde zunehmend schwierig, die notwendigen Fachkräfte zu finden, "und das bedeutet, dass die Eckpunkte für ein Fachkräfteeinwanderungsgesetz unbedingt umgesetzt werden müssen. Wollen das noch in diesem Jahr beschließen."
Kein Abschwung
Aus Sicht der Bundesregierung befindet sich die deutsche Wirtschaft aber keinesfalls im Abschwung: Die Zahl der Erwerbstätigen soll bis 2020 um gut 1,3 Millionen zulegen, die der Arbeitslosen um rund 400.000 sinken und die Erwerbslosenquote auf knapp fünf Prozent fallen. Zudem werde die Inlandsnachfrage, also unter anderem die privaten Konsumausgaben, in diesem und im nächsten Jahr sehr kräftig ausfallen. Dadurch, so die Erwartung, werde der viel kritisierte deutsche Leistungsbilanzüberschuss sinken, und zwar von 7,9 Prozent im Jahr 2017 bis auf 6,7 Prozent im Jahr 2020. Nach den Regeln der EU darf der Leistungsbilanzüberschuss allerdings nicht mehr als sechs Prozent betragen. Doch laut der Herbstprojektion würde es Deutschland aber immerhin nach Jahren erstmals gelingen, den Überschuss sichtbar zu verringern.
Die Herbstprojektionen der Bundesregierung bilden die Grundlage für die Schätzungen des Steueraufkommens. Bund, Länder, Gemeinden und Sozialversicherungen orientieren sich beim Aufstellen ihrer Haushalte an den projizierten Eckwerten. Die Bundesregierung folgt mit ihren Prognosen weitgehend den Einschätzungen der führenden Forschungsinstitute in deren Herbstgutachten.