Die Londoner Richter sollen morgen (24.02.2020) entscheiden, ob der Wikileaks-Gründer Julian Assange an die USA ausgeliefert werden darf oder nicht. Dabei wird eine Rolle spielen, ob er dort ansatzweise fair behandelt werden würde. Vieles deutet darauf hin, dass dem nicht so ist: Ihm drohen bis zu 175 Jahre Isolationshaft - schlimmstenfalls sogar die Todesstrafe.
Heribert Prantl, Journalist der Süddeutschen Zeitung, äußerte Zweifel daran, dass die Objektivität und Neutralität des Londoner Gerichts gegeben sei. "Der politische Druck ist in diesem Fall so ungeheuer groß, dass ich nur hoffen kann, dass der Rechtsstaat das bringt, was wir von ihm erwarten", sagte er im Dlf.
Verfahren soll Angst schüren
Aufklärung und Whistleblowerei werde umgedeutet in Spionage, so Prantl weiter. Der frühere CIA-Chef Mike Pompeo und jetzige US-Außenminister habe Wikileaks als Terrororganisation bezeichnet. Der angebliche Terror bestehe aber im Gegenteil aus der Aufdeckung von Terror, in diesem Fall den Kriegsverbrechen der USA im Irak und Afghanistan, an der auch Großbritannien nicht unbeteiligt gewesen sei. Auf diese Weise "wird aus Journalismus Spionage gemacht, die Aufdeckung von Verbrechen wird selbst zum Verbrechen". Wikileaks bedrohe die politischen Eliten in USA, England, Frankreich, USA und Russland und letztendlich bestehe der ganze Sinn des Verfahrens gegen darin, "jedem anderen Journalisten, jedem anderen Aufdecker und Aufklärer zu sagen: Denkt an Assange, wagt es nicht, die Geheimhaltung zu durchbrechen". Insofern gehe nun auch um die Zukunft der Pressefreiheit - und darum, den politischen Pressionen zu widerstehen.
Zerstörung der Persönlichkeit - Vergewaltigungvorwurf unberechtigt
Assange werde von den USA "mit wütendem Einsatz verfolgt", so Prantl. Diese nachhaltige Zerstörung der Persönlichkeit erstrecke sich auf die ganze Person. Dazu gehörten auch die Vergewaltigungsvorwürfe. Doch nach den Recherchen des UNO-Sonderberichterstatters für Folter sei das gesamte Vergewaltigungsermittlungsverfahren in Schweden mittlerweile eingestellt. "Aussagen wurde verfälscht, man stand unter politischem Druck - es ist kein Ruhmesblatt für rechtsstaatliche Demokratien, was da jahrelang passiert ist", kritisierte Heribert Prantl.
Doch auch in den Medien seien die Vorurteile gegenüber Assange groß gewesen: "Man sagte, das ist ein höchst unsympathischer und unangenehmer Kollege - ob man sich unbedingt für den einsetzen soll." Doch die Vergewaltigungsvorwürfe seien so nicht berechtigt. Aber auch ganz unabhängig davon, ob einem Julian Assange sympathisch sei oder nicht, gelte es, für die Pressefreiheit einzutreten.
Öffentlichkeit aufrütteln
Heribert Prantl spricht sich dafür aus, "für jemanden einzutreten, dem, weil er aufgedeckt hat, wirklich übelst mitgespielt wird". Und die Aufdeckungen von Julian Assange seien von hoher historischer Bedeutung und ungeheuer wichtig für die Öffentlichkeit. "Und es ist einfach pervers, dass nicht die Kriegsverbrecher verfolgt werden, sondern derjenige, der sie an die Öffentlichkeit gebracht hat", sagte er. Nun müsse deutlich gemacht werden, dass an den Vergewaltigungsvorwürfen nichts dran sei. Es gehe darum, "einen verdienten Aufklärer zu rehabilitieren und ihn so gut es geht vor Persönlichkeitsvernichtung zu bewahren".
Bundesregierung sollte Asyl anbieten
Die EU habe Richtlinien für Whistleblower erlassen und man könne nun versuchen, sie auf Julian Assange anzuwenden. Er sei sozusagen die Spitze der Whistleblowerei. "Notfalls müsste die deutsche Bundesregierung das machen, was sie sich schon bei Edward Snowden sich nicht getraut hat: nämlich so verdienten Whsitleblowern, Aufklärern Asyl anzubieten."