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Hermann Albers: "Wir können die Kernenergie ersetzen"

Der Bundesverband Windenergie hat die Bundesregierung aufgefordert, ein koordiniertes Konzept für kohlendioxidarme Energieformen vorzulegen. Mit seiner Branche sei darüber zu wenig gesprochen worden, sagte Verbandspräsident Hermann Albers im Deutschlandfunk. Seiner Ansicht nach ist der geregelte Ausstieg aus der Atomenergie bis 2022 möglich.

Hermann Albers im Gespräch mit Martin Zagatta | 18.08.2010
    Martin Zagatta: CDU/CSU und die FDP haben sich in ihrem Koalitionsvertrag darauf geeinigt, bis zum Jahresende ein Energiekonzept vorzulegen. Bis Ende nächsten Monats soll die Strategie festgelegt werden, die jetzt noch so schwer abzusehen ist. Für Unklarheit sorgt nicht nur der Streit um die verlängerten Laufzeiten von älteren Atomkraftwerken, sondern auch die angebliche Drohung der Atomindustrie, notfalls eben sofort die Meiler stillzulegen. Für etwas mehr Klarheit soll nun eine sogenannte Energiereise der Bundeskanzlerin sorgen, die Angela Merkel heute antritt.

    Diese Reise beginnt Angela Merkel heute in einem Windpark in Mecklenburg-Vorpommern und wir sind verbunden mit Hermann Albers, dem Präsidenten des Bundesverbandes Windenergie. Guten Tag, Herr Albers.

    Hermann Albers: Guten Tag, Herr Zagatta.

    Zagatta: Herr Albers, solche Windprojekte, erneuerbare Energie generell soll ja auch von der sogenannten Brennelementesteuer profitieren, die die Bundesregierung den Atomkraftwerksbetreibern abknüpfen will für die Verlängerung von Laufzeiten. Was sagen Sie denn dazu, dass diese Pläne angeblich wieder auf der Kippe stehen, nachdem die Atomindustrie sich so vehement weigert?

    Albers: Zunächst einmal muss man einfach feststellen, dass die gesamte Debatte um die Energiewirtschaft der Zukunft aus meiner Sicht viel zu wenig geprägt ist von den Chancen der erneuerbaren Energien. Ich glaube, die Bevölkerung spürt, dass hier einfach nur noch ein Kuhhandel getrieben wird, der sehr wenig sachgerichtet ist. Die Frage, inwieweit Kernenergie in Zukunft sonderbesteuert werden kann, wäre nur eine Kompensation gegenüber dem, was die Bevölkerung wahrnimmt und was sie ja nicht will, denn 75 Prozent der Öffentlichkeit sprechen sich heute gegen die weitere verlängerte Nutzung der Kernenergie aus.

    Zagatta: Ja. Nur eine sofortige Schließung, so wie auch gedroht wurde, steht ja offenbar nicht zur Debatte. Es soll um 30 Milliarden gehen, die die Atomlobby jetzt angeboten hat, oder die Atomindustrie, wenn diese Steuer kommt, diese Brennelementesteuer, immerhin so zwei bis drei Milliarden Euro im Jahr. Ist das nicht Geld, das Sie gut gebrauchen könnten, auf das Sie auch angewiesen sind?

    Albers: Ich habe große Zweifel daran, dass sich das europarechtlich und auch vertragsrechtlich überhaupt in Deutschland durchsetzen lässt, und darüber hinaus wird auch diese Frage einer generellen geordneten zukünftigen Energiepolitik ja nicht gerecht, sondern auch hier wieder der Kuhhandel, wenn ihr uns Gewinne gebt, geben wir euch etwas davon ab. Was wir brauchen ist eine zielgerichtete Politik, die den Ausbau der erneuerbaren Energien ins Auge fasst. Übrigens ist das auch ein Bestandteil des Koalitionsvertrages der Bundesregierung aus CDU und FDP, in der es heißt, es soll einen schnellstmöglichen Umbau und Zubau auf erneuerbare Energien mehrheitlich geben, also ein mehrheitlicher Einsatz der erneuerbaren Energien. Dabei würde eine Laufzeitverlängerung ganz klar den erneuerbaren Energien eindeutig im Weg stehen.

    Zagatta: Was würden denn die erneuerbaren Energien oder Ihr Sektor, was würde der machen, wenn die Atomlobby diese Drohung umsetzen würde, sofortiger Ausstieg? Könnten Sie das bewältigen?

    Albers: Ich bin weit davon entfernt zu glauben, dass die Atomlobby diese Drohung wirklich ernst gemeint hat. Sie ist ja ohnehin eher lächerlich und ich glaube auch, dass die meisten, die das so tituliert haben, dass es eine lächerliche Drohung sei, durchaus verstehen, wovon sie sprechen.

    Zagatta: Aber Sie können im Gegensatz, ich sage, nicht damit drohen, aber Sie könnten im Gegensatz nicht anbieten, na gut, dann steigen wir ein?

    Albers: Doch. Wir steigen ja bereits ein und wir können auch den Vorschlag machen, das Tempo deutlich weiter zu verschärfen. Ohnehin ist unser Szenario des Ausbaus darauf gerichtet, bereits 2020 jede zweite Kilowattstunde Strom aus erneuerbaren Energien bereits zu tragen. Darunter wird die Windenergie den Löwenanteil einnehmen. Aber dieses Ziel ist für uns real und wir verstehen nicht, warum die Bundesregierung mit einer Abschätzung etwa bei 30 Prozent - gelegentlich werden heute mittlerweile 37 Prozent Stromanteil genannt - deutlich hinter den Schätzungen der Branche zurück bleibt. Wir können viel mehr leisten und wir können die Kernenergie ersetzen, deren Anteil ja gar nicht mehr so groß ist, wie er immer noch beschrieben wird, im ersten halben Jahr etwa nur acht Prozent.

    Zagatta: Aber doch deutlich mehr als Windenergie?

    Albers: Damit liegt die Kernenergie in etwa im Moment in gleicher Höhe wie die Windenergie.

    Zagatta: Aber Sie haben Schwierigkeiten, habe ich gelesen? Herr Albers, Sie haben aber auch Schwierigkeiten? Ich habe mir das jetzt angelesen und in der Vorbereitung auf dieses Gespräch habe ich gelesen, also im letzten Jahr haben Sie statt zu wachsen sogar noch eine Menge an Umsatz verloren.

    Albers: Wir haben im letzten Jahr etwas weniger Winderträge gehabt als im durchschnittlichen Mittel. Allerdings gibt es weiterhin natürlich einen Zubau der Windenergie, den wir sogar noch forcieren können, und das Ziel, jede zweite Kilowattstunde Strom bis 2020 aus erneuerbaren Energien, ist für uns real erreichbar. Deswegen ist der derzeitige Plan eines weiteren Betriebes, eines gesicherten Ausstieges aus der Kernenergie bis etwa 2022, ein sehr angepasster, ein sehr geordneter Plan, auf den sich übrigens alle Teile der Industrie eingestellt haben, insbesondere die Industrie der Erneuerbaren. Sollte es zu einer Laufzeitverlängerung kommen, würde es eher eine verhaltene, langsamere Entwicklung der Erneuerbaren geben und es würde übrigens noch einen zweiten Konflikt geben, nämlich den Konflikt im Netz, denn die Bundesregierung hat nicht dafür gesorgt, dass die Netze zeitgleich in geordneter Weise ausgebaut werden.

    Zagatta: Noch ganz kurz zum Schluss des Gesprächs. Sie haben das als Kuhhandel kritisiert, was die Atomlobby da macht. Ist das der Umgangston im Energiesektor? Wie gehen Sie denn mit der Bundesregierung um? Muss man da nicht mit denen so reden?

    Albers: Ich glaube, was wir brauchen und was ja immer wieder von der Bundesregierung selbst beschrieben wird ist, dass man ein geeignetes koordiniertes Energiekonzept beschreibt.

    Zagatta: Und das fehlt Ihnen?

    Albers: Das soll ja im Herbst vorgelegt werden. In dem Zusammenhang muss man mit allen Trägern der Energieerzeugung sprechen, auch mit den erneuerbaren Energien. Ich finde, mit unserer Branche ist darüber zu wenig gesprochen worden und wir haben nicht das Ziel erreicht, dass alle Potenziale der erneuerbaren wirklich herangezogen werden. Entgegen den Verhandlungen mit den Energieversorgern gibt es sogar eine Reihe von Fehlentscheidungen im Bereich der erneuerbaren Energien. Wir müssen hier einen konzertierten Plan zum beschleunigten Ausbau von zukunftsfähigen und CO2-freien Energieträgern auslösen. Das steht noch aus.

    Zagatta: Hermann Albers war das, der Präsident des Bundesverbandes der Windenergie. Ich bedanke mich für das Gespräch.