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Herr im Haus

Das dritte öffentlich-rechtliche Programm Italiens, RAI 3, ist Ministerpräsident Silvio Berlusconi zunehmend ein Dorn im Auge. Er kontrolliert zwar bereits rund 80 Prozent aller italienischen Print- und TV-Medien. Doch RAI 3 wird noch von den Linksparteien dominiert.

Von Thomas Migge | 22.08.2009
    Unvergesslich das stürmische Interview, dass die bekannte Journalistin Lucia Annunziata im dritten Kanal der öffentlich-rechtlichen RAI mit Regierungschef Silvio Berlusconi führte. Sie stellte ihm kritische Fragen, er reagierte aggressiv wie ein angeschossener Tiger und warf ihr vor, das staatliche Fernsehen für ihre berlusconifeindliche Politik zu nutzen.

    Das war im letzten Jahr. Heute ist RAI 3 der letzte staatliche Fernsehkanal, dessen Spitzen noch nicht von berlusconitreuen Journalisten besetzt sind. RAI 1 und RAI 2 sind inzwischen zahm geworden. Über die Regierung und ihre Arbeit wird nur Positives, über die undurchsichtigen Beziehungen des Regierungschefs zu einer Minderjährigen und hoch dotierten Callgirls wird, wenn überhaupt, nur am Rande gesprochen. Berlusconi fühlt sich so sicher in seiner Position als - fast - unumschränkter Herr im Haus der RAI, dass er vor kurzem während einer Pressekonferenz die Frage stellte:

    "Wie geht's denn jetzt in der RAI mit den neuen Direktoren, die ich ernannt habe?"

    Der dritte Staatskanal wird seit Jahrzehnten traditionellerweise von den Linksparteien dominiert. Bislang überließ er den Linken diese Mediendomäne - kontrolliert er doch bereits rund 80 Prozent aller italienischen Print- und TV-Medien. Doch die seit einiger Zeit immer schärfer werdenden Angriffe gegen RAI 3 und auch gegen die linksliberale Tageszeitung "La Repubblica" bezüglich der Berichterstattung über diverse private Skandalen des Milliardärs haben den Burgfrieden beendet. Dazu der investigative Starjournalist und Autor verschiedener Enthüllungsbücher über Berlusconi Marco Travaglio:

    "Das ist paradox aber auch typisch für diesen Mann: Er tat zunächst so, als ob er leidend RAI und 'La Repubblica' erduldet. Jetzt greift er sie nicht nur an, als deren Journalisten bezüglich der offensichtlichen Widersprüche zwischen den polizeilichen Ermittlungen zu Berlusconis Privatleben und dessen Aussagen ausführlich berichteten, sondern erklärte ihnen den Krieg, weil sie ganz offen, wie es ihr Recht ist, über die Nähe des Premiers zu gewissen Huren sprechen."

    Krieg erklären bedeutet in diesem Fall für Berlusconi den Einsatz aller seiner Medien. Die bezeichnen nun RAI 3 und "La Repubblica" als subversiv und staatsfeindlich. Vor allem der Fall RAI 3 ärgert den Regierungschef, denn, erklärte er, ein mit Staats- und Bürgergeldern finanziertes Fernsehen dürfe die Regierung nicht angreifen oder allzu sehr kritisieren.

    Man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, dass es Italiens Regierungschef darum geht, jede freie und unabhängige Medienstimme mundtot zu machen. Der Schriftsteller Peter Schneider schrieb in einem in Italien für großes Aufsehen sorgenden Kommentar in "La Repubblica", dass sich die Europäische Union des Falls Italien und der dort ausufernden Medienkontrolle durch den Regierungschef annehmen müsse. Eine Aufforderung, die alles andere als aus der Luft gegriffen ist.