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Hertie-Aus vor zehn Jahren
Mit Ignoranz in die Pleite

Mit dem Aus der Warenhauskette Hertie endete vor zehn Jahren ein Stück deutscher Wirtschaftsgeschichte. Rund 3.400 Mitarbeiter verloren damals ihren Arbeitsplatz, auch die Kommunen waren hart getroffen. Die rechtliche Abwicklung der Insolvenz läuft bis heute.

Von Katja Scherer |
Außenaufnahme der Filiale des Kaufhauskonzerns Hertie im schleswig-holsteinischen Itzehoe.
Einst das größte Kaufhaus Europas: Hertie (picture-alliance / dpa / Carsten Rehder)
Zehn Jahre sind inzwischen vergangen. Dennoch erzählt Ursula Jacob-Reisinger so lebhaft von ihren letzten Wochen bei Hertie, als hätte die Verkäuferin die einst so stolze Marke erst kürzlich mit zu Grabe tragen müssen: "Sie müssen sich dann mal vorstellen: Sie sind in einem Kaufhaus und da ist die obere Etage abgesperrt. Und unten steht im Erdgeschoss noch eine einzige Kasse und da stehen dann Menschen, die das noch abkassieren, was da noch zu verkaufen ist, mit 90 Prozent Rabatt oder so. Das hatte was von Leichenfledderei, hatte das irgendwie."
35 Jahre lang arbeitete Jacob-Reisinger in Warenhäusern: Erst in München, wo sie Anfang der 1970er-Jahre ihre Ausbildung machte und dann im ostwestfälischen Detmold. Die damalige Betriebsrätin kennt noch die goldenen Zeiten der Branche, als Warenhäuser die modernen Flaggschiffe des Einzelhandels waren und die Kunden nur so herbeiströmten: "Ich dachte eigentlich, ich bleibe da mein ganzes Leben, wie viele meiner Kollegen und Kolleginnen wahrscheinlich auch, weil das Kaufhaus an sich eine tolle Sache war. Wir haben viele Kunden gehabt, wir haben viele Aktionen gemacht. Also da war richtig viel los!"
Aber es kam anders: Im Juli 2008 musste ihr damaliger Arbeitgeber Hertie Insolvenz anmelden; knapp ein Jahr später wurde bei der Gläubigerversammlung das Aus des Unternehmens besiegelt. Ein Ereignis, das die Republik bewegte. Denn Hertie wurde schlicht zerrieben von äußeren Umständen, die der Kette letztendlich keine Chance ließen: von dem allgemeinen Schrumpfen der Warenhäuser, langjährigem Missmanagement, der Finanzkrise und den kühl kalkulierten Interessen von Finanzinvestoren.

Ausbaden mussten das die Mitarbeiter. 3.400 Menschen verloren damals ihre Arbeit, auch die Verkäuferin Ursula Jacob-Reisinger: "Das war so eine furchtbare Hängepartie über Jahre und dann zu erfahren, dass es doch nichts wird - das war einfach nur schlimm."
Kunden suchen im Hertie-Kaufhaus in Köln nach Angeboten
Vor der Insolvenz kam der Ausverkauf bei Hertie (picture-alliance / dpa / Federico Gambarini)
Hertie – dieser Name galt im deutschen Handel über Generationen als Instanz. Dabei gilt es zu trennen, zwischen der Hertie Waren- und Kaufhaus GmbH, die bereits 1993 vom Markt verschwand, und der Hertie GmbH, die 2008 insolvent ging. Erstere, die Hertie Waren- und Kaufhaus GmbH, wurde 1882 von Oscar Tietz – einem Bruder des Kaufhof-Gründers Leonhard Tietz – in Gera gegründet.
Über Generationen florierte das Unternehmen, war zeitweise das größte Kaufhaus Europas, zu dem auch das Hamburger Alsterhaus am Jungfernstieg und das Berliner KaDeWe gehörten. Hertie – das habe für Qualität und seine loyale Belegschaft gestanden – bis die Warenhauskette in den 1990ern aufgekauft wurde, erzählt Hagen Seidel, Chefkorrespondent bei der Fachzeitschrift TextilWirtschaft. Für 1.652 Milliarden - damals noch D-Mark: "Als das Unternehmen von Karstadt übernommen wurde, hat sich das ein bisschen verwässert, weil es halt in der großen Organisation aufgegangen ist."
Großer Titel – fundamentale wirtschaftliche Probleme
Die übernommenen Hertie-Filialen wurden nach und nach entweder in Karstadt umbenannt, manche auch geschlossen oder verkauft. Überhaupt veränderte sich damals in der Branche Vieles. 1999 etwa fusionierte Karstadt zudem mit dem Versandhaus "Quelle Schickedanz AG & Co" zur KarstadtQuelle AG, später Arcandor: "Die Entwicklung war eigentlich die, Größenvorteile zu erzielen, um den Herausforderungen des starken Wettbewerbs begegnen zu können, durch die Entwicklung von Eigenmarken, Bündelung des Einkaufs", erklärt Joachim Stumpf von der BBE Handelsberatung aus München. KarstadtQuelle galt nun als größter Warenhaus- und Versandhandelskonzern in ganz Europa.
Ein großer Titel – hinter dem sich allerdings schon damals fundamentale wirtschaftliche Probleme verbargen. Denn Modemarken wie H&M, Drogerieketten und Fachmärkte eroberten seit den 1980er-Jahren die Innenstädte – und jagten Karstadt & Co die Kunden ab. Und anders als von den Managern erhofft, konnten auch die Zusammenschlüsse an den mauen Geschäften wenig ändern.
Weil KarstadtQuelle das Geld fehlte, um all seine Filialen gleichzeitig zu modernisieren, konzentrierte sich die Führungsspitze auf große Standorte – sodass viele kleinere Häuser weiter abgehängt wurden. Trotz seiner Größe siechte der Konzern dahin.
Schließlich entschied sich KarstadtQuelle daher seine Strategie zu ändern und wieder zu schrumpfen. 2005 verkauft das Management rund 75 seiner kleineren Häuser an den britischen Finanzinvestor Dawnay Day – teils ehemalige Hertie-Filialen, die man nun wieder loswerden wollte, teils Karstadt-eigene Häuser. Fachjournalist Hagen Seidel: "Das war wirklich eine Resterampe. Das klingt böse, aber es ist letztlich so. Da waren wirklich viele hoffnungslose Fälle dabei, die Karstadt-Quelle damals abgeschoben hat."
"Dawnay Day war mir immer ein Rätsel"
Anfangs firmierten die abgeschobenen Häuser unter dem Namen Karstadt Kompakt. Zusammen mit den vorwiegend in kleinen und mittleren deutschen Städten angesiedelten Warenhäusern hatte Dawnay Day von KarstadtQuelle allerdings auch die Rechte an dem mehr als 100 Jahre alten Namen Hertie gekauft – insgesamt angeblich für 500 Millionen Euro.
Daher wurde die neue Warenhauskette später unter großem Tamtam von den Briten in "Hertie AG" umbenannt. Auch die Filiale von Ursula Jacob-Reisinger in Detmold. Nachdem KarstadtQuelle die kleinen Filialen so vernachlässigt habe, sei sie über den neuen Eigentümer anfangs froh gewesen, erzählt die frühere Verkäuferin: "Die war die Hoffnung halt groß, dass sich das positiv verändert und dass man mehr auf die Bedürfnisse der kleinen Filialen eingeht, weil die eben auch in den kleineren Städten sind und andere Kundenwünsche da sind."
Schließlich habe Dawnay Day damals große Investitions- und Modernisierungsprogramme angekündigt. Schnell aber kamen Jacob-Reisinger erste Zweifel. Denn wie schnell deutlich wurde, hatten die neuen Eigentümer wenig Erfahrung im Warenhausgeschäft, auch die Abnabelung von der früheren Muttergesellschaft Karstadt verlief alles andere als reibungslos.
Dazu kam, dass es Dawnay Day an Ideen für eine neue Ausrichtung des Geschäfts gefehlt habe, beobachtete Hagen Seidel von der Zeitschrift TextilWirtschaft: "Bei den Pressekonferenzen und den Vorstellungen der Investoren Dawnay Day war ich dabei, war wie die meisten Kollegen etwas verwundert und dachte, wann kriegen wir denn jetzt wirklich das Konzept, mit dem die das drehen wollen? Da haben wir aber relativ lange warten müssen. Das kam irgendwie nicht."
Die lila angeleuchtete Fassade des Kaufhaus des Westens (KaDeWe) in Berlin, aufgenommen am 01.12.2015. Foto: Soeren Stache/dpa
Auch das Berliner Kaufhaus des Westens (KaDeWe) gehörte zu Hertie (dpa / picture alliance / Soeren Stache)
Auch Joachim Stumpf von der BBE Handelsberatung hat den Fall Hertie schon damals beobachtet. Um die einzelnen Filialen wieder zurück auf Erfolgskurs zu führen, hätte man die Häuser damals sehr viel stärker an die jeweiligen regionalen Bedürfnisse anpassen müssen, sagt er: "Das ist nicht nur Nord und Süd, sondern das ist eher: Ist es eine Stadtteillage oder mitten im Herzen einer kleineren Stadt in der Fußgängerzone? Es ist ein großer Unterschied, ob eben auch ein Möbelhaus am Ort vorhanden ist, wo man dann möglicherweise bei Heimtextilien, Glas, Porzellan, Keramik wesentlich stärkeren Wettbewerb hat, wie wenn kein Möbelhaus vorhanden ist."
Dawnay Day aber hielt weiterhin an standardisierten Sortimenten fest und setzte stattdessen eher auf oberflächliche Kosmetik und Marketing. Die bereits erwähnte Umbenennung von Karstadt Kompakt in Hertie im März 2007 etwa feierte Dawnay Day mit Feuerwerk, Hubschrauber und neuem Firmensong: "Zum Glück gibt es Hertie, die Welt voller Ideen, und wenn ich was suche, wird man mich hier verstehen."
Nach der Party-Stimmung folgte der Kater. Schnell wurde offensichtlich, dass der geschichtsträchtige Name die Probleme der Handelskette nicht mindern konnte. Die Kunden kamen weniger, viele Mitarbeiter kündigten und mehrfach wechselte die Geschäftsführung. Rückblickend betrachtet habe Dawnay Day nicht nur zu wenig Ahnung, sondern offenbar auch wenig Interesse daran gehabt, die Probleme von Hertie wirklich in den Griff zu bekommen, sagt Fachjournalist Hagen Seidel. Stattdessen habe der Finanzinvestor in der Warenhauskette wohl von Anfang an nur eine Wertanlage gesehen:
"Das war dahinter steckt, sind immer die Immobilien, das ist das, was richtig wertvoll ist. Die Immobilien liegen in den Innenstädten und es gibt genug Investoren, die darauf schauen und die glauben, mit so ein paar Maßnahmen beim Handel kriegen wir das schon wieder hin. Wir erhöhen einfach die Miete, dann können wir den Wert der Immobilie hochrechnen und wenn wir verkaufen, sind wir reich.‘"
Eine Denkweise, die damals für Hertie den Todesstoß bedeutete. Dass Dawnay Day damals sogar die Mieten erhöhte, obwohl der Umsatz schrumpfte, brachte die Handelsgesellschaft an ihre Grenzen. Nur gut ein Jahr nach der Umbenennung musste Hertie Insolvenz beantragen. Ein Schock, erinnert sich die ehemalige Betriebsrätin Ursula Jacob-Reisinger: "Wir hatten Situationen, dass Firmen gekommen sind, morgens mit mehreren Menschen, und haben ganze Regale ausgeräumt, weil sie ihre Sachen wieder zurückhaben wollten. Das fand ich schon erschreckend. Das war für uns eine schlimme Erfahrung."
Während für viele Mitarbeiter von Hertie damals eine Welt zusammenbrach, sagen viele Branchenexperten, für Dawnay Day sei die Insolvenz eher eine Art Rechenspiel gewesen. Hinter dem Finanzinvestor standen der Banker Guy Naggar und sein Geschäftspartner Peter Klimt, die von London aus ein kompliziertes Firmennetz aus hunderten Sub-Gesellschaften aufgebaut hatten. Ihr Auftreten war hochgradig intransparent – und sollte es wohl auch sein, kritisiert der Fachjournalist Hagen Seidel: "Die Vertreter, die dann immer in der Öffentlichkeit auftauchten, das waren auch immer unterschiedliche Leute. Dawnay Day war mir immer ein Rätsel."
Globale Finanzkrise stürzt auch Hertie in die Insolvenz
Zum Pech für Hertie geriet der britische Eigentümer im Sommer 2008 in den Strudel der begonnenen globalen Finanzkrise – und musste selbst Insolvenz anmelden. Beim Kampf um ihr eigenes Finanzimperium verlor die Rettung von Hertie für die Investoren Naggar und Klimt offenbar weiter an Bedeutung, beobachtete der Düsseldorfer Anwalt Biner Bähr, der damals bei Hertie zum Insolvenzverwalter bestellt wurde:
"Es war ein unglaublich intensiver Kampf meines Teams und aller Hertie-Mitarbeiter, der sich leider rückblickend, muss man sagen, aufgrund des sehr destruktiven Verhaltens des Mehrheitsgesellschafters als Kampf gegen Windmühlen entpuppte und muss man sagen, alle daran Beteiligten fassungslos bis verbittert zurückließ."
Knapp ein Jahr lang dauerten die Insolvenzverhandlungen. Dabei habe Dawnay Day von Anfang an klar gemacht, gar kein Interesse mehr daran zu haben, die Geschäfte bei Hertie am Laufen zu halten, erzählt Bähr. Der britische Investor habe das für lukrativer gehalten: "Dawnay Days Ziel war es, die Hertie als Mieter dort rauszubekommen, um dann die Immobilien einzeln bestmöglich verkaufen zu können."
Denn auch Dawnay Day stand unter Druck – hatte man sich doch das Geld für den Kauf von Hertie bei der Deutschen Bank geliehen. Monatelang versuchte Bähr die Briten umzustimmen, um so wenigstens einen Teil der über 3.000 Arbeitsplätze bei Hertie zu retten. Er war überzeugt, dass der Investor sich irrte: Dass es nicht nur für Hertie, sondern auch für Dawnay Day selbst besser wäre, die Handelsgesellschaft zu erhalten und gemeinsam mit allen Immobilien im Block zu verkaufen:
"Ich selbst habe mich beraten lassen durch deutsche Experten da, und wir sind zu dem Schluss gekommen, dass es von den 64 Immobilien, die Dawnay Day damals gehörten, round about ein Drittel der Immobilien gab, die relativ gut und schnell veräußerbar sein würden, ein zweites Drittel, wo man schon erhebliche Anstrengungen unternehmen musste, um diese Immobilien zu verkaufen, und dass es dann ein weiteres letztes Drittel gab, wo diese Immobilien wahrscheinlich nur sehr schwer veräußerbar waren. Und genauso muss man rückblickend sagen, ist es auch gekommen."
Bähr fand damals sogar – trotz Finanzkrise – einen potenziellen Käufer aus der Schweiz für die Hertie GmbH. Die Chance. Aber Dawnay Day habe die Gespräche mit dem Interessenten schlicht verweigert, erinnert sich der Insolvenzverwalter: "Im Mai 2009 hatte ich eingesehen, Dawnay Day nicht mehr überzeugen zu können, und insofern bin ich in die Gläubigerversammlung dann auch mit der eigenen Überzeugung, den Gläubigern zu empfehlen, den Geschäftsbetrieb in Deutschland einzustellen."
Jahrelange Hängepartie für Mitarbeiter
Die Mitarbeiter, viele davon schon älter und oft über Jahrzehnte in ihren Filialen tätig, traf das hart. Viele empfanden die jahrelange Hängepartie als extrem belastend. "Mein Mann und ich wir hatten ein paar Jahre vorher ein Haus gebaut, ich hatte ein Kind bekommen und wir hatten diese beiden Einkommen eigentlich mit eingerechnet. Und insofern waren wir dann schon geschockt, dass so nach und nach Filialen geschlossen worden sind."
Nur ungern erinnert sich die damalige Betriebsrätin Ursula Jacob-Reisinger an die letzten Wochen, bevor auch ihre Filiale in Detmold endgültig schließen musste. Plötzlich sei der Laden voll gewesen mit Schnäppchenjägern: "Mit armenweise Klamotten sind die Leute da an die Kasse gegangen und haben sich das abkassieren lassen und haben für Waren, die einen Wert hatten von 1.000 oder 1.500 Euro dann am Schluss 150 Euro gezahlt, wenn's hochkam. Und dann genau den Kassenbon noch kontrolliert, ob auch wirklich die Prozente alle abgezogen worden sind. Das war so erniedrigend. Da sind so manche in Tränen ausgebrochen bei uns."
Die Suche nach neuen Arbeitsplätzen sei für viele ehemalige Hertie-Mitarbeiter schwierig gewesen, erinnert sich Branchenbeobachter Hagen Seidel. Erneut kam zum Unglück der Beschäftigten noch mehr Pech hinzu: "Wenige Wochen nachdem bei Hertie Schluss war, kam dann auch die Insolvenz von Karstadt-Quelle. Und das hat dann letztendlich dazu geführt, dass weitere tausende Verkäufer, Verkäuferinnen auf dem Arbeitsmarkt auftauchten. In einem Segment, das immer weniger wurde. Also das war schon ein ziemliches Drama für die Leute."
Die ehemalige Hertie-Mitarbeiterin Ursula Jacob-Reisinger etwa kennt kaum jemanden, der nach dem Hertie-Aus wieder einen gleichwertigen Job gefunden hat: "Es gab viele, die sich mit Putzjobs erst mal durchgebracht haben. Und bei der Agentur für Arbeit landen sie ja dann automatisch, und sie werden ja dann auch in Stellen vermittelt, wo sie wesentlich weniger bekommen als vorher und die Qualifikation spielte dann oft auch keine Rolle mehr."
Ehemalige Warenhausimmobilien werden umfunktioniert
Ebenso wurden viele Kommunen durch das Aus der Warenhauskette hart getroffen – besonders im Ruhrgebiet, wo es besonders viele Hertie-Filialen gab. In den oft mittelgroßen Städten, wie Bottrop, Herne oder Gladbeck, sei das Warenhaus oft das Herz der Innenstadt gewesen, sagt Ralf Beckmann vom Dortmunder Stadtplanungsbüro Stadt und Handel: "Wenn hier der stärkste Magnetanbieter spürbar schwächelt, war im Grunde in vielen Köpfen der Aufschrei: 'Oh wenn Karstadt geht und später Hertie, dann stirbt unsere Innenstadt'."
Tatsächlich dauerte die Suche nach einem neuen Nutzer für die Häuser wie von Insolvenzverwalter Biner Bähr vorhergesagt oft Jahre. Teils bis heute. Inzwischen sind dennoch in vielen Kommunen Lösungen gefunden worden. Mancherorts wurden die Immobilien nach einer bestimmten Frist von den Städten zwangsversteigert, in anderen abgerissen.
An einigen Orten gelang der Umbau, um künftig eine Mischnutzung zu ermöglichen, – also Handel plus X, erklärt Stadtplaner Beckmann aus Dortmund: "Das kann zum Beispiel Co-Working sein, um auch Frequenzen durch das Gebäude zu ziehen. Also zum Beispiel auch mit einem Zugang zu den Geschäftsöffnungszeiten durch das Gebäude."
An einer geschlossenen Hertie-Filiale in Essen-Borbeck hängt ein Schild mit der Aufschrift "Diese Filiale ist ab 13. Februar 2009 geschlossen!"
Jahrelange Hängepartie für Hertie-Mitarbeiter - am Ende müssen alle Filialen schließen (picture-alliance / dpa / David Ebener)
Fitnessstudios oder normale Büros seien ebenfalls denkbar. Die Frage, wie man Warenhausimmobilien ganz oder teilweise umnutzen kann, wird die Städte weiter beschäftigen: Durch die Fusion der letzten beiden großen deutschen Kaufhausketten Kaufhof und Karstadt könnten – zumindest mittelfristig - weitere Leerstände entstehen. Gerade in kleineren Städten, wo heute noch beide Warenhäuser vertreten sind, werde sicher ein Haus wegfallen, prognostiziert Fachjournalist Hagen Seidel und hofft daher, dass die Verantwortlichen aus der Geschichte Herties lernen: "Ein Lerneffekt könnte sein, dass sich die Investoren, die Eigentümer rechtzeitig überlegen, was sie mit Standorten machen, die auf Dauer langfristig nicht zum Portfolio gehören sollen."
Die ehemalige Betriebsrätin Ursula Jacob-Reisinger hat mit dem Hertie-Aus inzwischen ihren Frieden geschlossen – auch weil sie als eine der wenigen aus Detmold doch noch eine gute berufliche Alternative gefunden hat: als Gewerkschaftssekretärin für Ver.di in der Region Ostwestfalen-Lippe. Trotz der Insolvenz erinnere sie sich heute wieder gerne an ihre Zeit im Warenhaus: "Das hat mir wirklich großen Spaß gemacht, schöne Materialien anfassen, irgendetwas schön dekorieren oder Menschen beim Kauf beraten, dass wenn sie rausgehen besser aussehen, als wie sie reingekommen sind."
Insolvenzverwalter Biner Bähr dagegen hat Hertie bis heute nicht ganz losgelassen: "Die rechtliche Abwicklung läuft bis heute. Ich gehe davon aus, dass ich das Verfahren irgendwann im Laufe des Jahres 2020 abschließen kann." So lange wird es noch dauern, Vermögen und Schulden von Hertie aufzudröseln und den mehreren tausend Gläubigern das zukommen zu lassen, was von dem einstigen Handelsflaggschiff noch übrig geblieben ist.