"All die glücklichen Familien" ist ein sehr persönliches Buch von Hervé Le Tellier. Und ein ungewöhnliches, denn zum ersten Mal hat Le Tellier einen autobiographischen Roman geschrieben. Er bekennt darin, seine Familie eigentlich immer verabscheut zu haben. Der Übersetzer Jürgen Ritte sagt, dennoch könne man in diesem Roman vieles aus früheren Büchern wiederentdecken, besonders die tragischen Seiten, zum Beispiel eine unglückliche Liebesgeschichte und die Flucht aus dem elterlichen Hause.
Die Mutter, die psychische Probleme hat, wird von Le Telliers Vater verlassen, heiratet neu und lässt ihren zehn Monate alten Sohn bei den Großeltern zurück. Mutter wie Väter sind also abwesend oder, wenn sie anwesend sind, aggressiv. Der Übersetzer Jürgen Ritte hält "All die glücklichen Familien" für einen Befreiungsschlag: "Le Tellier hat sich schreibend und seine eigene Welt erfindend von seiner Familiengeschichte befreit."
Leichtigkeit als Folge einer langen Kunstanstrengung
Das Buch habe auch viele humoristische Züge, so Ritte. Le Tellier schreibe mit großer "Eleganz und Leichtfüßigkeit", von denen man aber spüre, dass sie sich "einer langen Kunstanstrengung verdanken und dass die Leichtigkeit noch immer von der Schwere des Daseins spricht". Die Herausforderung an den Übersetzer sei, nicht das naheliegendste Wort zu wählen, sondern die "feine und verklausulierte Ironie" mitzubekommen.
Hervé Le Tellier spiegelt in seiner Familien- auch die Zeitgeschichte. Jürgen Ritte findet es bewundernswert, wie Le Tellier in kurzen Kapiteln "fast die gesamte Geschichte des 20. Jahrhunderts en passant mit einbaut". Formal hält Ritte das Buch für interessant, weil die kurzen Kapitel wie Bilder in einem Fotoalbum funktionieren, das ja "der Hort der Erinnerung" für uns alle sei.
Hervé Le Tellier: "All die glücklichen Familien"
aus dem Französischen von Romy und Jürgen Ritte
Deutscher Taschenbuch Verlag, München. 188 Seiten, 20 Euro.
aus dem Französischen von Romy und Jürgen Ritte
Deutscher Taschenbuch Verlag, München. 188 Seiten, 20 Euro.