7. Januar 2022: Im Herztransplantationszentrum der Universitätsklinik an der University of Maryland operieren Chirurgen acht Stunden lang den 57-jährigen Handwerker David Bennet. Er leidet an Herzinsuffizienz im Endstadium. Da er keine Aussicht hat, ein menschliches Spenderherz zu bekommen, pflanzen die Mediziner ihrem Patienten ein Schweineherz in den Brustkorb, um sein Leben zu retten. Solch eine Xenotransplantation war bislang nur in Tierversuchen erprobt worden.
Schweineherz pumpt Menschenblut
Die Operation ist erfolgreich. Das Schweinherz im Körper des Patienten fängt an zu schlagen. Einige Tage nach der Transplantation trennen die Ärzte die Verbindung zur Herz-Lungen-Maschine. Seitdem pumpt das Schweineherz das Blut durch David Bennets Körper.
Schweine sind als Organspender besonders geeignet, weil ihr Stoffwechsel dem menschlichen ähnelt. Das Erbgut des Schweins war von der US-Biotech-Firma Revivicor so verändert worden, dass sein Herz vom Immunsystem des Patienten nicht sofort als Fremdkörper erkannt und abgestoßen wird. Auch ein Gen, das das Herzwachstum fördert, wurde bei dem Tier stillgelegt. Außerdem wurden sechs menschliche Gene in sein Erbgut eingebaut, um die Immunabwehr zu unterlaufen.
Schweine sind als Organspender besonders geeignet, weil ihr Stoffwechsel dem menschlichen ähnelt. Das Erbgut des Schweins war von der US-Biotech-Firma Revivicor so verändert worden, dass sein Herz vom Immunsystem des Patienten nicht sofort als Fremdkörper erkannt und abgestoßen wird. Auch ein Gen, das das Herzwachstum fördert, wurde bei dem Tier stillgelegt. Außerdem wurden sechs menschliche Gene in sein Erbgut eingebaut, um die Immunabwehr zu unterlaufen.
Standpunkte und Argumente in der ethischen Debatte über Xenotransplantationen
Experte für Xenotransplantation warnt vor Eurphorie
Der deutsche Herzchirurg und Xenotransplantationsexperte Bruno Reichart, der emeritierter Professor an der LUM München ist, warnte im Dlf vor zu großer Euphorie: "Es kann nicht jeder sagen, ich möchte jetzt ein Schweineherz haben." Die gelungene Operation sei zwar ein Erfolg, - "dass es funktionierte, hatte ich nie auch nur einen Zweifel"- , aber es werde jetzt trotzdem "nicht so rasch vorangehen", sagte Reichart. Denn das Ganze sei nicht so einfach. So war das Spendertier geklont. Da sei die Effektivität sehr niedrig. "Das Beste an dieser ganzen Operation war das genmodifizierte, das humanisierte Schweineherz", das von einer amerikanischen Firma zur Verfügung gestellt worden sei, die die ganze Operationen auch mit einem Multimillionenbetrag gesponsert habe, erklärte Reichart. Der jetzt operierte Patient habe nun die erste kritische Phase überstanden und könne möglicherweise mit dem Herz noch mehrere Jahre leben.
Das Interview in voller Länge
Ralf Krauter: Bruno Reichhart ist emeritierter Professor an der LMU München, er ist ein erfahrener Herzchirurg, forscht seit vielen Jahren selbst auf dem Gebiet der Xenotransplantation und hat wegweisende Experimente mit Pavianen dazu gemacht. Kann man mit vier Wochen Abstand sagen, die erste Transplantation eines Schweineherzens in einen Menschen war ein Erfolg?
Bruno Reichart: Ja, das kann man sagen, das war ein Erfolg. Die ersten vier Wochen sind die kritischen, weil das Empfängerimmunsystem sich an das Spenderorgan anpassen muss. Nach vier Wochen ist es vorbei, es ist angepasst, und nun kommt die schöne Phase, die ruhige Phase, gewissermaßen, das Segelboot segelt in dem Pazifik vor sich hin, und es kann jetzt ewig so weitergehen.
Herzchirurg: "Die ersten vier Wochen sind die kritischen"
Krauter: Ewig heißt idealerweise Monate oder sogar Jahre?
Reichart: Jahre. Einer von den beiden, die da verantwortlich sind in Maryland: Vor acht Jahren hat der sehr ähnliche humanisierte Herzen in den Bauchraum von Pavianen eingepflanzt. Diese Herzen im Bauchraum, die haben geschlagen, aber haben nicht gearbeitet – und das geht wunderbare bis zu drei Jahre. Das hat mich zum Beispiel sehr stimuliert, auch unsere Forschung immer voranzutreiben.
Krauter: Da kommen wir gleich noch drauf zu sprechen. Sie arbeiten ja auch mit Pavianen, denen Sie auch Schweineherzen implantieren seit 2015 schon. Schauen wir erst mal auf den Fall in den USA: Was waren denn jetzt aus Ihrer Sicht die Schlüsselfaktoren für diesen mutmaßlichen Meilenstein der Medizingeschichte, den wir dann da erlebt haben?
Reichart: Die hatten ein humanisiertes Herz von dieser amerikanischen Firma, mit denen sie ja zusammenarbeiten und die das Ganze eben auch sponsert. Die haben einen Multimillionenbetrag bekommen, und das waren die zwei Vorteile uns gegenüber. Ich glaube nicht, dass sie uns groß überholt haben, aber sie haben einfach die Nase vorn, sie haben das gemacht. Ich bin nicht neidisch, ich bin nicht traurig, ich gratuliere ihnen. Und man muss immer denken, es war ja nicht ganz einfach, dieser Eingriff, und wie das alles so verlief, und das Beste an dieser ganzen Operation war das genmodifizierte, das humanisierte Schweineherz. Nur deshalb hat der Patient es so gut überlebt.
Krauter: Sie hatten gesagt, Sie wollten im Vorfeld des Gesprächs noch mal nachhören, wie es dem Patienten David Bennett geht. Haben Sie aktuelle Informationen?
Reichart: Ja, dem geht's super. Er war sehr, sehr krank, und er war ja monatelang ans Bett gefesselt und hatte diese Kreislaufpumpe drin. Das steckt man natürlich nicht so einfach weg. Die Operation war eine wilde Operation, aber nicht, weil das Herz nicht gut funktioniert hätte oder weil der Chirurg schlecht war – der Chirurg war exzellent –, und er muss jetzt durch die Rehabilitation, und er muss auch eng überwacht werden. Man muss einfach gucken vom Infektiologischen her, dass da nichts passiert, aber ich halte das für sehr unwahrscheinlich, aber man muss es wegen der Sorgfaltspflicht machen.
Krauter: Welche Gesundheitsparameter müssen denn die Ärzte von David Bennett jetzt genau im Auge behalten und wie realistisch ist es, dass der künftig wirklich noch mal mit seinem Hund um den Block gehen könnte, so wie er sich’s anscheinend wünscht, Medienberichten zufolge.
Reichart: Das kann er machen. Ich würde mich von Hunden vielleicht nicht abschlecken lassen, weil die vielleicht Bakterien haben oder so, aber er kann selbstverständlich mit dem Hund um die Ecken gehen. Er muss schon, weil er der Erste ist, und es gibt immer die sogenannten unbekannten Viren – es ist immerhin ein Organ von einer anderen Spezies im Körper … Ich halte es für extrem unwahrscheinlich, dass er eine Infektion dadurch bekommt, aber man muss es einfach überprüfen. Er muss regelmäßig zu der Überwachung hingehen, man muss vielleicht kleine Muskelstücken aus dem Herzen rausknipsen – das ist aber ein sehr einfacher Eingriff, das macht man über eine Vene –, und dann muss er seine Medikamente einnehmen. Die Medikamente sind im Vergleich zur humanen Herztransplantation viel harmloser. Sie sind nicht nierenschädlich, es ist eine Tablette pro Tag im Endeffekt, und es ist eine Spritze, die er braucht, pro Woche.
Krauter: Ich habe gelesen, dass bei dieser Operation jetzt auch erstmals ein neues experimentelles Medikament zum Einsatz gekommen ist, das die Immunabwehr von David Bennett in Schach hält. Welche Rolle spielt das?
Reichart: Es ist ein Antikörper, der im Endeffekt verhindert, dass es zu Abstoßungsreaktionen kommt. Und ich glaube, dass man diesen Antikörper zum Beispiel auch in der Humantransplantation verwenden könnte. Der ist humanisiert. Also der Mensch, der Empfänger bildet keine Antikörper gegen den Antikörper, das wäre ja sehr schlimm, weil dann würde er nicht mehr wirken.
Krauter: Auch Sie sind ja maßgeblich mitbeteiligt an der Entwicklung der Technologie für Xenotransplantation, in Deutschland gab es bisher aber nur Tierversuche. Sie haben da unter anderem 2018 einen Rekord erzielt mit einem Schweineherz, das einen Pavian 195 Tage lang mit sauerstoffreichem Blut versorgt hat. War die Zeit denn jetzt aus Ihrer Sicht wirklich schon reif für klinische Versuche am Menschen?
Reichart: Ja, sieht man ja. Wie ich schon sagte, die hatten ein Herz und die hatten einen Haufen Geld, und das muss gehen. Dass es funktionierte, hatte ich nie auch nur einen Zweifel. Ich mache diese Transplantationen seit 2015, und es geht die Klemme auf und das Herz schlägt. Ich habe vielleicht 1.000 oder 2.000 Herztransplantationen in meinem Leben gemacht, da schlägt das Herz nicht immer so toll. Das schlägt mal schlecht, manchmal schlägt es gut, das ist ja schön. Aber ich meine, die Spenderherzen, die menschlichen, die kommen ja von einem Hirntoten, wo das Hirn geschädigt ist, während hier ist es ja ein Spender, der ist gesund.
Krauter: Wird denn die erste Xenotransplantation eines ganzen Organs beim Menschen jetzt den Weg ebnen für eine Vielzahl von Folgeexperimenten, die wir demnächst sehen werden?
Reichart: Also auf dem Sektor des Herzens glaube ich es. Das Spendertier war geklont, das heißt, es ist nicht ganz einfach zu machen. Man muss jedes Mal einen Kerntransfer in eine Eizelle vornehmen, das nennt man Klonieren, und das ist so ähnlich wie mit den eineiigen Zwillingen. Ein genmodifizierter Kern kommt in eine normale Schweineeizelle hinein, und das muss funktionieren, das geht nicht einfach so, wie man das spricht. Da ist die Effektivität sehr niedrig. Das ist auch der Grund, warum es jetzt nicht so rasch vorangehen will. Es kann nicht jeder sagen, ich möchte jetzt ein Schweineherz haben – die haben die Schweine einfach nicht, um es richtig effektiv zu machen. Auch dann kommerziell brauchen sie eine Herde mit 100 Tieren, mit 200 Tieren, mit 1.000 Tieren, dann können Sie einen ganzen Kontinent versorgen.
Krauter: Das heißt, ist das die zentrale Hürde, wenn wir jetzt nach vorne schauen würden und fragen würden, wie weit sind wir jetzt noch entfernt von dieser Vision, den Mangel an Spenderorganen mithilfe tierischer Spenderorgane künftig zu lindern. Das Angebot ist noch zu gering letztlich?
Reichart: Ja, an ein paar kleinen Dingen muss man feilen, man braucht auch entsprechende Bauernhöfe, die so gestaltet sind, dass die Tiere so wenig Keime haben, dass sie nicht übertragen werden können, oder zumindest keine krankheitserregenden Keime. Das steht uns allen noch bevor, auch den Amerikanern. Das Ganze ist unheimlich aufregend und spannend, also wir arbeiten sehr hart dran.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.