Halb zehn Uhr abends - ein Dialyse-Zentrum in Stuttgart. Im Schnitt sind etwa 50 Patienten pro Tag da. Drei Mal die Woche verbringt Sandra Heimerdinger hier die Nacht. Angeschlossen an die Schläuche einer Blutwaschmaschine. An dieser Maschine hängt ihr Leben, denn die Nieren der jungen Frau funktionieren nicht mehr. An diesem Abend liegen in Sandras Raum schon fünf Patienten in ihren Betten. Man hört die monotonen Geräusche der Blutwaschmaschine. Das Zischen der Pumpe, das Plätschern von Flüssigkeit. Zu Beginn der Dialyse findet immer dieselbe Prozedur statt: Eine Krankenschwester hilft Sandra, lange, dicke Nadeln in den Arm zu schieben, um sie mit der Maschine zu verbinden.
"Also ich habe da zwei Nadeln, eine Nadel, wo das Blut raus fließt und eine Nadel, wo das Blut wieder rein fließt. Und es fließt als erstes raus durch einen Schlauch, dann, da an der Maschine durch Pumpen, die das Blut weiterpumpen und dann kommt es durch den Filter, das ist sozusagen die Ersatzniere, da wird das Blut gereinigt."
Seit acht Jahren bestimmt die Dialyse den Alltag der 24-Jährigen aus dem Rems-Murr-Kreis in Baden-Württemberg. Nachts die Blutwäsche um tagsüber arbeiten zu können. Die gelernte Kinderpflegerin ist Kindermädchen bei einer Familie. Eine Arbeit in einem öffentlichen Kindergarten bekommt Sandra Heimerdinger nicht. Da steht ihr die Krankheit im Weg. All ihre Bewerbungen scheiterten daran. Doch sie hat sich mit ihrer Krankheit arrangiert. Die vielen Nächte in einem fremden Bett an der Maschine, die unzähligen Einstiche in ihrem Arm von der Dialyse-Kanüle.
"Das ist bei mir schon normal geworden. Das ist Alltag, das gehört zu meinem Leben dazu. Das ist normal, man gewöhnt sich daran, weil man muss ja dahingehen, es bleibt einem ja nichts anderes übrig."
Blass und abgeschlagen liegt die blonde zierliche Frau in ihrem Bett. Sie lässt sich nicht anmerken, wie sehr sie die Dialyse bedrückt. Fast ihr ganzes Leben schon muss Sandra Heimerdinger mit ihrer Krankheit zurecht kommen. Sie war erst zwei Jahre alt, als die Ärzte zum ersten Mal die vernichtende Diagnose stellten: Nierenversagen. Für ihre Eltern war es ein Schock. Sie selbst war noch zu klein, um alles zu begreifen: Die Sorge der Eltern, die vielen Untersuchungen im Krankenhaus, die Dialyse, das bange Warten auf ein geeignetes Spenderorgan. Und schließlich die Transplantation in Heidelberg. Damals war sie fünf Jahre alt. Doch ein Spenderorgan hält nicht ewig. Prof. Christoph Olbricht Leiter des Transplantationszentrums Stuttgart:
"Ich sage einmal so, am besten beschreibt man das durch die mittlere Überlebenszeit einer Niere und die ist bei einer Leichennierentransplantation im Eurotransplant-Bereich, also Europa und den USA, bei 12 bis 14 Jahren etwa. Die Lebendnierentransplantationen laufen noch etwas besser."
Sandras neue Niere hat nach einigen Jahren einfach aufgehört zu arbeiten. Damit fing alles wieder von vorne an. Die Abgeschlagenheit, Essen nach strengen Vorschriften, Trinken nach Plan. Und wieder: Dialyse. Die blonde, zierliche Frau versucht, nicht an ihrem Schicksal zu verzweifeln.
"Es hat irgendwann angefangen, dass die Blutwerte schlecht geworden sind, aber das hat sich dann noch über Jahre hinweg gezogen, dass es mir dann immer schlechter ging. Das Wasser ist dann drin geblieben und die Giftstoffe und dann fühlt man sich einfach auch schlecht. Und dann wir ich eigentlich dann echt froh, dass ich dann Dialyse gekriegt habe, denn dann ging's einem ja wieder gut. Es war zwar schwer, ich habe gedacht, ja scheiße, warum muss es jetzt wieder anfangen, aber es war eigentlich dann schon gut, weil anders ging es dann nicht mehr."
Das Warten auf ein passendes Spenderorgan ist zermürbend. Eine Transplantation ist die einzige Hoffnung, der Dialyse zu entkommen und ein weitgehend normales Leben zu führen. Grundsätzlich gäbe eine Möglichkeit, schneller zu einem Organ zu kommen. Bei Nieren sind auch sogenannte Lebendspenden denkbar. Dabei kann ein Verwandter oder Bekannter eine Niere spenden, falls sie geeignet ist. Da der Mensch zwei Nieren hat, ohne größere Probleme aber mit einer Niere leben kann, ist das durchaus eine Option. Sandra Heimerdingers Mutter wäre bereit dazu. Doch das will Sandra nicht.
"Bei mir geht es jetzt so mit der Dialyse gut und ich kann damit leben, von dem her, ist es jetzt keine Frage für mich, dass mir meine Mutter die spendet. Weil - sie hat ja dann auch nur noch eine - wenn die dann auch irgendwann nicht mehr funktioniert, dann braucht sie auch Dialyse. So denke ich halt auch drüber nach. Deswegen, man hat halt immer das Gewissen, ja wenn es jetzt meiner Mutter schlecht geht oder was passiert, das ist jetzt vielleicht halt auch wegen mir, weil ich jetzt die Niere habe."
Sandra Heimerdinger wird also weiter warten. Ihre Ärzte machen ihr Mut und sagen, dass es eigentlich dieses Jahr so weit sein müsste mit der Transplantation. Fünf bis sieben Jahre wartet im Durchschnitt ein Dialyse-Patient in Deutschland auf das heiß ersehnte Organ. Bei Sandra sind es schon acht Jahre. Je mehr Zeit vergeht, umso schlechter ist das für den Patienten - und das nicht nur, weil er die quälende Dialyse über sich ergehen lassen muss. Prof. Christoph Olbricht vom Transplantations-zentrum Stuttgart:
"Man weiß, dass Leute, die transplantiert werden, im Vergleich zu Leuten, die an der Dialyse sind, und auf ein Organ warten, einfach länger leben. Es ist also schon ein Verlust von Lebenszeit und auch von Lebensqualität natürlich."
Das Dilemma: Es fehlen Spenderorgane. Das führt zu langen Wartezeiten. Ein Anlass für Politiker und Ärzte, am heutigen bundesweiten "Tag der Organspende" für dieses Thema zu sensibilisieren. Auf eine Million Einwohner kommen in Deutschland rund 16 Organspender. Damit liegt die Bundesrepublik im internationalen Vergleich im letzten Drittel. 2007 gab es nach Angaben der Deutschen Stiftung Organtransplantation, kurz DSO, 1.313 Spender. Dem gegenüber standen rund 12.000 schwerkranke Menschen, die eine Transplantation brauchten. Zweidrittel davon warten auf eine Niere. Täglich sterben zwei bis drei Patienten, weil es für sie kein Organ gibt. Eine Tatsache, die auch die Ärzte nicht ungerührt lässt. Prof. Christoph Olbricht:
"Also, man ist betroffen und man ist deprimiert, bis ärgerlich. Eines ist klar geworden, während der letzten 10 Jahre, dass die Menschen, die auf eine Niere warten, ja ganz gut am Leben erhalten werden können, durch die Blutwäsche, aber in dieser Wartezeit passieren unwiederbringliche Dinge. Veränderungen im Körper gehen vor sich, die nicht wieder gutzumachen sind, mit all den Folgen wie Schlaganfall, Herzinfarkt, Herzsekundentod. Und das berührt und betrifft uns außerordentlich."
Erfreulich ist allerdings, dass die Spenderzahlen 2007 im Vergleich zum Vorjahr gestiegen sind. Dabei gibt es regional starke Unterschiede. Die neuen Bundesländer stehen mit durchschnittlich 19,4 Spendern pro eine Million Einwohner an der Spitze. In Baden-Württemberg waren es nur 15 und mit 13,3 Spendern bildet Nordrhein-Westfalen das Schlusslicht. Einige Experten führen diese Unterschiede darauf zurück, dass noch nicht alle Kliniken Transplantationsbeauftragte eingesetzt haben. Diese sind dafür zuständig, mögliche Spenderorgane an die Eurotransplant-Datenbank zu melden. Insgesamt aber gibt es viel zu wenig Spender. Wenn man in der Bevölkerung nachfragt, spürt man die Unsicherheit bei diesem Thema. Das spiegelt sich auch darin, ob man einen Organspende-Ausweis hat oder nicht.
"Ich ziere mich auch ein bisschen, für mich hat die Sache ein bestimmtes Problem, auch, dass man sagt, ja, wie ist das, wird man als Ersatzteillager genutzt. Auch was sagen die Angehörigen dazu. Ich kämpfe da mit mir, das ist nicht ganz einfach."
"Ich hab einen, ja. Weil ich einfach denke, dass das notwenig ist. Ich denke sicher, dass da eine Angst herrscht, dass man vielleicht doch nicht so am Leben erhalten wird. Ich glaube, dass viele das denken, aber das ist ja nicht so."
"Eigentlich wenn man stirbt, wäre es ja nicht schlecht, wenn man jemand anders vielleicht helfen kann damit."
Wer einen solchen Ausweis bei sich trägt, erklärt sich bereit, im Falle seines Todes seine Organe zu einer lebensrettenden Transplantation zur Verfügung zu stellen. Die Ausweise sind teilweise bei den Hausärzten und Krankenkassen zu haben. Oder man bestellt sie bei der Deutschen Stiftung Organtransplantation. Man kann seine Entscheidung jeder Zeit rückgängig machen. Wer seine Meinung ändert und doch kein Organ mehr spenden möchte, muss nur seinen Ausweis vernichten. Man muss sich also nicht endgültig festlegen. Trotzdem haben nur 12 Prozent der Bevölkerung in Deutschland einen Organspendeausweis. Martin Kalus, Transplantationskoordinator in Stuttgart, sieht dafür zwei Gründe:
"Einmal, dass wir eben eine andere gesetzliche Grundlage haben als beispielsweise in Österreich und Belgien, und zum anderen, dass man zu wenig Öffentlichkeitsarbeit macht, dass die Mittel beispielsweise für die Öffentlichkeitswerbung drastisch nach unten gefahren sind, zum Beispiel über die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung, die mehr zu leisten hat, die mehr aufklären muss, auch in anderen Bereichen, da bleibt für den Part Organspende wenig übrig."
Voraussetzung für eine Organentnahme ist der Hirntod. Und genau da haben mögliche Spender die größten Bedenken. Denn die Organe leben in diesem Fall weiter, obwohl der Mensch bereits für tot erklärt wurde. Aber anders wären die Organe zur Transplantation auch nicht mehr brauchbar. Ethisch bleibt die Frage, ob der Hirntod wirklich endgültig ist. Medizinisch gesehen ist bei diesen Patienten das Gehirn derart geschädigt, dass eine Lebensrettung nicht mehr möglich ist. Das kommt recht selten vor. Von den rund 400.000 Menschen, die jährlich in deutschen Krankenhäusern sterben, tritt bei etwa einem Prozent der Hirntod vor dem Herzstillstand ein.
Am 1. Dezember 1997 ist das erste Transplantationsgesetz der Bundesrepublik in Kraft getreten. Es regelt die Spende, Entnahme, Vermittlung und Übertragung von Organen. In Deutschland gilt die "erweiterte Zustimmungslösung". Das heißt: Wer nach seinem Tod ein Organ spenden möchte, muss dies explizit äußern. Zum Beispiel durch einen Organspende-Ausweis. Ist der Wille des Verstorbenen nicht dokumentiert oder bekannt, entscheiden die nächsten Angehörigen auf der Grundlage des mutmaßlichen Willens des Verstorbenen. Diese Regelung ist sowohl in der Politik als auch bei den Transplantationszentren umstritten. Denn sie fördert nicht gerade die Spenden-bereitschaft. Martin Kalus vom Transplantationszentrum Stuttgart:
"Es wäre ein möglicher Weg, wenn das Transplantationsgesetz dahingehend geändert wird, so wie in Belgien und in Österreich eine Widerspruchslösung gewählt wird, dass derjenige, der nicht organisch spenden möchte, sich zu Lebzeiten in ein Register einträgt und sagt, ich möchte das nicht. Das wäre ein möglicher Weg. Ich sehe den nur für die Bundesrepublik nicht. Sehen Sie, es gibt rund 14 000 Menschen in Deutschland, die auf eine Organtransplantation warten, soll heißen, eine kleine Gruppe von Menschen bezogen auf 82 Millionen Einwohner. Also die Interessenlage ist sicherlich auch das Problem und die Motivation in der Politik, da etwas zu tun."
Ein direkter Zusammenhang zwischen der gesetzlichen Regelung und der Verfügbarkeit von Spenderorganen lässt sich an einem internationalen Vergleich aufzeigen. In all jenen Ländern, die die Organspende wie Deutschland handhaben, gibt es deutlich weniger Spender. Die meisten europäischen Staaten verfahren jedoch nach dem so genannten Widerspruchsrecht. Jeder gilt hierbei als potentieller Organspender, solange er sich nicht ausdrücklich dagegen ausspricht. Das gilt beispielsweise in Österreich, Belgien, Italien, Finnland. Und Spanien führt mit dieser Regelung die Statistik der Organspender an. Nach Angaben des Bundesgesundheitsministeriums verzeichnete Spanien im Jahr 2006 33,8 Spender pro eine Million Einwohner - mehr als doppelt so viele wie Deutschland.
Im vergangen Jahr wurden bundesweit 4031 Transplantationen durchgeführt. Diese komplizierten Operationen sind inzwischen zwar kein medizinisches Neuland mehr. Doch die Anspannung für das operierende Ärzteteam bleibt. Oft bangen sie mit ihren Patienten auf der Warteliste mit. Wenn die zentrale Transplantations-Datenbank in den Niederlanden schließlich ein geeignetes Organ für einen Patienten meldet, muss alles ganz schnell gehen. Das Spenderorgan bleibt nur wenige Stunden "frisch", deshalb muss das Operations-Team rund um die Uhr abrufbereit sein. Prof. Christoph Olbricht, Leiter des Transplantationszentrums Stuttgart:
"Es ist immer noch etwas persönliches, weil im Unterschied zu vielen anderen Bereichen in der Medizin, wir eine dritte Person brauchen, nämlich den Spender. Und damit ist eine besonders hohe Verantwortung und für alle Ärzte, die daran beteiligt sind, eine sehr hohe Spannung verbunden, sowohl bei der Leichennieren-Transplantation. Es ist eine einmalige Sache, ein Organ steht zur Verfügung, klappt es, klappt es nicht. Eine sehr hohe Anspannung für die Operateure, für die vorbereitenden Ärzte, für die nachsorgenden Ärzte. Dasselbe gilt für die Lebendspende."
In der Brust von Herbert Vonier aus Böblingen in Baden-Württemberg schlägt ein fremdes Herz. Seit 16 Jahren schon hält es ihn am Leben. Er erinnert sich noch genau an den Tag, als er es eingepflanzt bekam: es war der 18. Januar 1992, ein Datum, das er wie seinen zweiten Geburtstag feiert. Ohne neues Herz wäre Herbert Vonier gestorben.
"Ja, mir geht es heute blendend. Ich bin zwar nicht mehr so kräftig, aber ich kann die Arbeiten, die ich mir vornehme zu verrichten, kann ich erledigen. Ich gehe also wie gesagt, wenn ich morgens gefrühstückt habe, gehe ich in den Garten und arbeite dort zwei, drei, vier Stunden, dann fahre ich nach Hause, koche ich, dann ruhe ich mich etwas aus, eine Stunde und dann geht's wieder in den Garten. Also, ich habe immer etwas zu tun. Ich bin also nicht der, der auf der Couch liegt und wartet bis es abends wird, dass man schlafen kann."
Der 66-Jährige steckt voller Energie. Doch es war nicht immer so. Anfang der neunziger erlitt er einen Herzinfarkt, von dem er sich nicht mehr erholte. Eine lange Leidensgeschichte begann. Es war ein Schock für Herbert Vonier, als die Ärzte sagten, dass ihn nur noch eine Transplantation retten konnte. Er kam auf die Warteliste. Zu der Zeit ging es ihm bereits so schlecht, dass er mehr auf der Intensivstation im Krankenhaus war als zuhause. Eine furchtbare Zeit, wie seine Ehefrau Wilma Vonier sagt:
"Ja, vor allen Dingen, dass ich praktisch immer Angst haben musste, es könnte heute oder morgen sein, dass er stirbt. Also, man hat so ausgerechnet, dass er noch zwei oder drei Wochen leben kann, das war eine sehr schlimme Zeit, auch für mich. Es ist ja wichtig am Leben zu bleiben und da ist ja kein anderer Ausweg da als eine Transplantation. Und es ist wirklich wie ein Strohhalm, dass man danach greift und sagt, dann muss es eben so sein."
Es war ein Wettlauf gegen die Zeit. Mit jedem Tag, der verging, verschlechterte sich der Zustand von Herbert Vonier. Er hatte Schmerzen, Atemnot und magerte bedrohlich ab. Er wurde immer schwächer. Der Kampf ums Überleben kostete ihn viel Kraft. Er war dabei, die Hoffnung zu verlieren.
"Man liegt im Krankenhaus, man wartet jeden Tag darauf, dass etwas kommt und man verliert mit der Zeit auch die Hoffnung. Ich war schon bereit und habe gesagt, lasst mich sterben. Die Schmerzen waren da, man bekam keine Luft, man konnte nichts mehr essen, jeder Schluck Wasser, den man zu sich genommen hat, löste anschließend Atembeschwerden aus und da gibt es nur eine Lösung: entweder kommt bald der Anruf oder man gibt den Geist auf und sagt, jetzt ist Feierabend."
Doch Herbert Vonier hatte Glück. Endlich kam die erlösende Nachricht aus der Klinik. Es war soweit - es gab ein passendes Spenderorgan. Einige Stunden später lag Herbert Vonier auf dem Operationstisch der Heidelberger Klinik. Er bekam das Herz eines Spenders eingepflanzt. Jetzt musste es nur noch schlagen und nicht abgestoßen werden. Als er aus der Narkose aufwachte, begriff er nicht gleich, dass er es geschafft hatte. Er würde leben. Die folgenden Tage waren mühsam. Die Wunde im Brustraum war tief und schmerzte bei jeder Bewegung. Es dauerte Wochen, bis er sich von der schweren Operation erholte. Erst dann konnte er wirklich Freude empfinden.
"Ich war zunächst mal noch ziemlich, na, wie soll ich es auf schwäbisch sagen, neben der Kapp'. Ich habe also ziemlich lange gebraucht, bis ich das realisiert hatte, dass ich nun ein neues Herz hatte und damit weiterleben kann. Die Plackerei, die damit stattfindet, jeden Tag neu röntgen, jeden Tag EKG messen und dergleichen, war eine Tortur. Es hat mir alles wehgetan. Aber dann nach drei Wochen hat es angefangen, der neue Lebensmut hat sich dann geregt und ich habe gesagt, ich muss es packen, ich muss einfach jetzt wieder fit werden, damit ich wieder nach Hause kann."
Gedanken an den verstorbenen Spender verdrängt er. "Die können depressiv machen", sagt er. Darum will er sich gar nicht vorstellen, aus welchem Lebensumfeld der Spender kommt und wie er gestorben ist. Informationen, die ohnehin geheim bleiben. In Deutschland sind Organspenden anonym. Doch wenn er könnte, würde er seinem Herzspender sagen, wie dankbar er ist.
"Ja gut, ich würde sagen, dass er praktisch mit seinem Herzen in mir weiterlebt, und das jetzt seit 16 Jahren und ich hoffe, es wird noch einige Jahre so weitergehen. Und den Hinterbliebenen an für sich könnt' ich ja nur sagen, seht her, hier ist ein Mensch, der jetzt weiterleben kann und ich einfach glücklich sein kann."
"Also ich habe da zwei Nadeln, eine Nadel, wo das Blut raus fließt und eine Nadel, wo das Blut wieder rein fließt. Und es fließt als erstes raus durch einen Schlauch, dann, da an der Maschine durch Pumpen, die das Blut weiterpumpen und dann kommt es durch den Filter, das ist sozusagen die Ersatzniere, da wird das Blut gereinigt."
Seit acht Jahren bestimmt die Dialyse den Alltag der 24-Jährigen aus dem Rems-Murr-Kreis in Baden-Württemberg. Nachts die Blutwäsche um tagsüber arbeiten zu können. Die gelernte Kinderpflegerin ist Kindermädchen bei einer Familie. Eine Arbeit in einem öffentlichen Kindergarten bekommt Sandra Heimerdinger nicht. Da steht ihr die Krankheit im Weg. All ihre Bewerbungen scheiterten daran. Doch sie hat sich mit ihrer Krankheit arrangiert. Die vielen Nächte in einem fremden Bett an der Maschine, die unzähligen Einstiche in ihrem Arm von der Dialyse-Kanüle.
"Das ist bei mir schon normal geworden. Das ist Alltag, das gehört zu meinem Leben dazu. Das ist normal, man gewöhnt sich daran, weil man muss ja dahingehen, es bleibt einem ja nichts anderes übrig."
Blass und abgeschlagen liegt die blonde zierliche Frau in ihrem Bett. Sie lässt sich nicht anmerken, wie sehr sie die Dialyse bedrückt. Fast ihr ganzes Leben schon muss Sandra Heimerdinger mit ihrer Krankheit zurecht kommen. Sie war erst zwei Jahre alt, als die Ärzte zum ersten Mal die vernichtende Diagnose stellten: Nierenversagen. Für ihre Eltern war es ein Schock. Sie selbst war noch zu klein, um alles zu begreifen: Die Sorge der Eltern, die vielen Untersuchungen im Krankenhaus, die Dialyse, das bange Warten auf ein geeignetes Spenderorgan. Und schließlich die Transplantation in Heidelberg. Damals war sie fünf Jahre alt. Doch ein Spenderorgan hält nicht ewig. Prof. Christoph Olbricht Leiter des Transplantationszentrums Stuttgart:
"Ich sage einmal so, am besten beschreibt man das durch die mittlere Überlebenszeit einer Niere und die ist bei einer Leichennierentransplantation im Eurotransplant-Bereich, also Europa und den USA, bei 12 bis 14 Jahren etwa. Die Lebendnierentransplantationen laufen noch etwas besser."
Sandras neue Niere hat nach einigen Jahren einfach aufgehört zu arbeiten. Damit fing alles wieder von vorne an. Die Abgeschlagenheit, Essen nach strengen Vorschriften, Trinken nach Plan. Und wieder: Dialyse. Die blonde, zierliche Frau versucht, nicht an ihrem Schicksal zu verzweifeln.
"Es hat irgendwann angefangen, dass die Blutwerte schlecht geworden sind, aber das hat sich dann noch über Jahre hinweg gezogen, dass es mir dann immer schlechter ging. Das Wasser ist dann drin geblieben und die Giftstoffe und dann fühlt man sich einfach auch schlecht. Und dann wir ich eigentlich dann echt froh, dass ich dann Dialyse gekriegt habe, denn dann ging's einem ja wieder gut. Es war zwar schwer, ich habe gedacht, ja scheiße, warum muss es jetzt wieder anfangen, aber es war eigentlich dann schon gut, weil anders ging es dann nicht mehr."
Das Warten auf ein passendes Spenderorgan ist zermürbend. Eine Transplantation ist die einzige Hoffnung, der Dialyse zu entkommen und ein weitgehend normales Leben zu führen. Grundsätzlich gäbe eine Möglichkeit, schneller zu einem Organ zu kommen. Bei Nieren sind auch sogenannte Lebendspenden denkbar. Dabei kann ein Verwandter oder Bekannter eine Niere spenden, falls sie geeignet ist. Da der Mensch zwei Nieren hat, ohne größere Probleme aber mit einer Niere leben kann, ist das durchaus eine Option. Sandra Heimerdingers Mutter wäre bereit dazu. Doch das will Sandra nicht.
"Bei mir geht es jetzt so mit der Dialyse gut und ich kann damit leben, von dem her, ist es jetzt keine Frage für mich, dass mir meine Mutter die spendet. Weil - sie hat ja dann auch nur noch eine - wenn die dann auch irgendwann nicht mehr funktioniert, dann braucht sie auch Dialyse. So denke ich halt auch drüber nach. Deswegen, man hat halt immer das Gewissen, ja wenn es jetzt meiner Mutter schlecht geht oder was passiert, das ist jetzt vielleicht halt auch wegen mir, weil ich jetzt die Niere habe."
Sandra Heimerdinger wird also weiter warten. Ihre Ärzte machen ihr Mut und sagen, dass es eigentlich dieses Jahr so weit sein müsste mit der Transplantation. Fünf bis sieben Jahre wartet im Durchschnitt ein Dialyse-Patient in Deutschland auf das heiß ersehnte Organ. Bei Sandra sind es schon acht Jahre. Je mehr Zeit vergeht, umso schlechter ist das für den Patienten - und das nicht nur, weil er die quälende Dialyse über sich ergehen lassen muss. Prof. Christoph Olbricht vom Transplantations-zentrum Stuttgart:
"Man weiß, dass Leute, die transplantiert werden, im Vergleich zu Leuten, die an der Dialyse sind, und auf ein Organ warten, einfach länger leben. Es ist also schon ein Verlust von Lebenszeit und auch von Lebensqualität natürlich."
Das Dilemma: Es fehlen Spenderorgane. Das führt zu langen Wartezeiten. Ein Anlass für Politiker und Ärzte, am heutigen bundesweiten "Tag der Organspende" für dieses Thema zu sensibilisieren. Auf eine Million Einwohner kommen in Deutschland rund 16 Organspender. Damit liegt die Bundesrepublik im internationalen Vergleich im letzten Drittel. 2007 gab es nach Angaben der Deutschen Stiftung Organtransplantation, kurz DSO, 1.313 Spender. Dem gegenüber standen rund 12.000 schwerkranke Menschen, die eine Transplantation brauchten. Zweidrittel davon warten auf eine Niere. Täglich sterben zwei bis drei Patienten, weil es für sie kein Organ gibt. Eine Tatsache, die auch die Ärzte nicht ungerührt lässt. Prof. Christoph Olbricht:
"Also, man ist betroffen und man ist deprimiert, bis ärgerlich. Eines ist klar geworden, während der letzten 10 Jahre, dass die Menschen, die auf eine Niere warten, ja ganz gut am Leben erhalten werden können, durch die Blutwäsche, aber in dieser Wartezeit passieren unwiederbringliche Dinge. Veränderungen im Körper gehen vor sich, die nicht wieder gutzumachen sind, mit all den Folgen wie Schlaganfall, Herzinfarkt, Herzsekundentod. Und das berührt und betrifft uns außerordentlich."
Erfreulich ist allerdings, dass die Spenderzahlen 2007 im Vergleich zum Vorjahr gestiegen sind. Dabei gibt es regional starke Unterschiede. Die neuen Bundesländer stehen mit durchschnittlich 19,4 Spendern pro eine Million Einwohner an der Spitze. In Baden-Württemberg waren es nur 15 und mit 13,3 Spendern bildet Nordrhein-Westfalen das Schlusslicht. Einige Experten führen diese Unterschiede darauf zurück, dass noch nicht alle Kliniken Transplantationsbeauftragte eingesetzt haben. Diese sind dafür zuständig, mögliche Spenderorgane an die Eurotransplant-Datenbank zu melden. Insgesamt aber gibt es viel zu wenig Spender. Wenn man in der Bevölkerung nachfragt, spürt man die Unsicherheit bei diesem Thema. Das spiegelt sich auch darin, ob man einen Organspende-Ausweis hat oder nicht.
"Ich ziere mich auch ein bisschen, für mich hat die Sache ein bestimmtes Problem, auch, dass man sagt, ja, wie ist das, wird man als Ersatzteillager genutzt. Auch was sagen die Angehörigen dazu. Ich kämpfe da mit mir, das ist nicht ganz einfach."
"Ich hab einen, ja. Weil ich einfach denke, dass das notwenig ist. Ich denke sicher, dass da eine Angst herrscht, dass man vielleicht doch nicht so am Leben erhalten wird. Ich glaube, dass viele das denken, aber das ist ja nicht so."
"Eigentlich wenn man stirbt, wäre es ja nicht schlecht, wenn man jemand anders vielleicht helfen kann damit."
Wer einen solchen Ausweis bei sich trägt, erklärt sich bereit, im Falle seines Todes seine Organe zu einer lebensrettenden Transplantation zur Verfügung zu stellen. Die Ausweise sind teilweise bei den Hausärzten und Krankenkassen zu haben. Oder man bestellt sie bei der Deutschen Stiftung Organtransplantation. Man kann seine Entscheidung jeder Zeit rückgängig machen. Wer seine Meinung ändert und doch kein Organ mehr spenden möchte, muss nur seinen Ausweis vernichten. Man muss sich also nicht endgültig festlegen. Trotzdem haben nur 12 Prozent der Bevölkerung in Deutschland einen Organspendeausweis. Martin Kalus, Transplantationskoordinator in Stuttgart, sieht dafür zwei Gründe:
"Einmal, dass wir eben eine andere gesetzliche Grundlage haben als beispielsweise in Österreich und Belgien, und zum anderen, dass man zu wenig Öffentlichkeitsarbeit macht, dass die Mittel beispielsweise für die Öffentlichkeitswerbung drastisch nach unten gefahren sind, zum Beispiel über die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung, die mehr zu leisten hat, die mehr aufklären muss, auch in anderen Bereichen, da bleibt für den Part Organspende wenig übrig."
Voraussetzung für eine Organentnahme ist der Hirntod. Und genau da haben mögliche Spender die größten Bedenken. Denn die Organe leben in diesem Fall weiter, obwohl der Mensch bereits für tot erklärt wurde. Aber anders wären die Organe zur Transplantation auch nicht mehr brauchbar. Ethisch bleibt die Frage, ob der Hirntod wirklich endgültig ist. Medizinisch gesehen ist bei diesen Patienten das Gehirn derart geschädigt, dass eine Lebensrettung nicht mehr möglich ist. Das kommt recht selten vor. Von den rund 400.000 Menschen, die jährlich in deutschen Krankenhäusern sterben, tritt bei etwa einem Prozent der Hirntod vor dem Herzstillstand ein.
Am 1. Dezember 1997 ist das erste Transplantationsgesetz der Bundesrepublik in Kraft getreten. Es regelt die Spende, Entnahme, Vermittlung und Übertragung von Organen. In Deutschland gilt die "erweiterte Zustimmungslösung". Das heißt: Wer nach seinem Tod ein Organ spenden möchte, muss dies explizit äußern. Zum Beispiel durch einen Organspende-Ausweis. Ist der Wille des Verstorbenen nicht dokumentiert oder bekannt, entscheiden die nächsten Angehörigen auf der Grundlage des mutmaßlichen Willens des Verstorbenen. Diese Regelung ist sowohl in der Politik als auch bei den Transplantationszentren umstritten. Denn sie fördert nicht gerade die Spenden-bereitschaft. Martin Kalus vom Transplantationszentrum Stuttgart:
"Es wäre ein möglicher Weg, wenn das Transplantationsgesetz dahingehend geändert wird, so wie in Belgien und in Österreich eine Widerspruchslösung gewählt wird, dass derjenige, der nicht organisch spenden möchte, sich zu Lebzeiten in ein Register einträgt und sagt, ich möchte das nicht. Das wäre ein möglicher Weg. Ich sehe den nur für die Bundesrepublik nicht. Sehen Sie, es gibt rund 14 000 Menschen in Deutschland, die auf eine Organtransplantation warten, soll heißen, eine kleine Gruppe von Menschen bezogen auf 82 Millionen Einwohner. Also die Interessenlage ist sicherlich auch das Problem und die Motivation in der Politik, da etwas zu tun."
Ein direkter Zusammenhang zwischen der gesetzlichen Regelung und der Verfügbarkeit von Spenderorganen lässt sich an einem internationalen Vergleich aufzeigen. In all jenen Ländern, die die Organspende wie Deutschland handhaben, gibt es deutlich weniger Spender. Die meisten europäischen Staaten verfahren jedoch nach dem so genannten Widerspruchsrecht. Jeder gilt hierbei als potentieller Organspender, solange er sich nicht ausdrücklich dagegen ausspricht. Das gilt beispielsweise in Österreich, Belgien, Italien, Finnland. Und Spanien führt mit dieser Regelung die Statistik der Organspender an. Nach Angaben des Bundesgesundheitsministeriums verzeichnete Spanien im Jahr 2006 33,8 Spender pro eine Million Einwohner - mehr als doppelt so viele wie Deutschland.
Im vergangen Jahr wurden bundesweit 4031 Transplantationen durchgeführt. Diese komplizierten Operationen sind inzwischen zwar kein medizinisches Neuland mehr. Doch die Anspannung für das operierende Ärzteteam bleibt. Oft bangen sie mit ihren Patienten auf der Warteliste mit. Wenn die zentrale Transplantations-Datenbank in den Niederlanden schließlich ein geeignetes Organ für einen Patienten meldet, muss alles ganz schnell gehen. Das Spenderorgan bleibt nur wenige Stunden "frisch", deshalb muss das Operations-Team rund um die Uhr abrufbereit sein. Prof. Christoph Olbricht, Leiter des Transplantationszentrums Stuttgart:
"Es ist immer noch etwas persönliches, weil im Unterschied zu vielen anderen Bereichen in der Medizin, wir eine dritte Person brauchen, nämlich den Spender. Und damit ist eine besonders hohe Verantwortung und für alle Ärzte, die daran beteiligt sind, eine sehr hohe Spannung verbunden, sowohl bei der Leichennieren-Transplantation. Es ist eine einmalige Sache, ein Organ steht zur Verfügung, klappt es, klappt es nicht. Eine sehr hohe Anspannung für die Operateure, für die vorbereitenden Ärzte, für die nachsorgenden Ärzte. Dasselbe gilt für die Lebendspende."
In der Brust von Herbert Vonier aus Böblingen in Baden-Württemberg schlägt ein fremdes Herz. Seit 16 Jahren schon hält es ihn am Leben. Er erinnert sich noch genau an den Tag, als er es eingepflanzt bekam: es war der 18. Januar 1992, ein Datum, das er wie seinen zweiten Geburtstag feiert. Ohne neues Herz wäre Herbert Vonier gestorben.
"Ja, mir geht es heute blendend. Ich bin zwar nicht mehr so kräftig, aber ich kann die Arbeiten, die ich mir vornehme zu verrichten, kann ich erledigen. Ich gehe also wie gesagt, wenn ich morgens gefrühstückt habe, gehe ich in den Garten und arbeite dort zwei, drei, vier Stunden, dann fahre ich nach Hause, koche ich, dann ruhe ich mich etwas aus, eine Stunde und dann geht's wieder in den Garten. Also, ich habe immer etwas zu tun. Ich bin also nicht der, der auf der Couch liegt und wartet bis es abends wird, dass man schlafen kann."
Der 66-Jährige steckt voller Energie. Doch es war nicht immer so. Anfang der neunziger erlitt er einen Herzinfarkt, von dem er sich nicht mehr erholte. Eine lange Leidensgeschichte begann. Es war ein Schock für Herbert Vonier, als die Ärzte sagten, dass ihn nur noch eine Transplantation retten konnte. Er kam auf die Warteliste. Zu der Zeit ging es ihm bereits so schlecht, dass er mehr auf der Intensivstation im Krankenhaus war als zuhause. Eine furchtbare Zeit, wie seine Ehefrau Wilma Vonier sagt:
"Ja, vor allen Dingen, dass ich praktisch immer Angst haben musste, es könnte heute oder morgen sein, dass er stirbt. Also, man hat so ausgerechnet, dass er noch zwei oder drei Wochen leben kann, das war eine sehr schlimme Zeit, auch für mich. Es ist ja wichtig am Leben zu bleiben und da ist ja kein anderer Ausweg da als eine Transplantation. Und es ist wirklich wie ein Strohhalm, dass man danach greift und sagt, dann muss es eben so sein."
Es war ein Wettlauf gegen die Zeit. Mit jedem Tag, der verging, verschlechterte sich der Zustand von Herbert Vonier. Er hatte Schmerzen, Atemnot und magerte bedrohlich ab. Er wurde immer schwächer. Der Kampf ums Überleben kostete ihn viel Kraft. Er war dabei, die Hoffnung zu verlieren.
"Man liegt im Krankenhaus, man wartet jeden Tag darauf, dass etwas kommt und man verliert mit der Zeit auch die Hoffnung. Ich war schon bereit und habe gesagt, lasst mich sterben. Die Schmerzen waren da, man bekam keine Luft, man konnte nichts mehr essen, jeder Schluck Wasser, den man zu sich genommen hat, löste anschließend Atembeschwerden aus und da gibt es nur eine Lösung: entweder kommt bald der Anruf oder man gibt den Geist auf und sagt, jetzt ist Feierabend."
Doch Herbert Vonier hatte Glück. Endlich kam die erlösende Nachricht aus der Klinik. Es war soweit - es gab ein passendes Spenderorgan. Einige Stunden später lag Herbert Vonier auf dem Operationstisch der Heidelberger Klinik. Er bekam das Herz eines Spenders eingepflanzt. Jetzt musste es nur noch schlagen und nicht abgestoßen werden. Als er aus der Narkose aufwachte, begriff er nicht gleich, dass er es geschafft hatte. Er würde leben. Die folgenden Tage waren mühsam. Die Wunde im Brustraum war tief und schmerzte bei jeder Bewegung. Es dauerte Wochen, bis er sich von der schweren Operation erholte. Erst dann konnte er wirklich Freude empfinden.
"Ich war zunächst mal noch ziemlich, na, wie soll ich es auf schwäbisch sagen, neben der Kapp'. Ich habe also ziemlich lange gebraucht, bis ich das realisiert hatte, dass ich nun ein neues Herz hatte und damit weiterleben kann. Die Plackerei, die damit stattfindet, jeden Tag neu röntgen, jeden Tag EKG messen und dergleichen, war eine Tortur. Es hat mir alles wehgetan. Aber dann nach drei Wochen hat es angefangen, der neue Lebensmut hat sich dann geregt und ich habe gesagt, ich muss es packen, ich muss einfach jetzt wieder fit werden, damit ich wieder nach Hause kann."
Gedanken an den verstorbenen Spender verdrängt er. "Die können depressiv machen", sagt er. Darum will er sich gar nicht vorstellen, aus welchem Lebensumfeld der Spender kommt und wie er gestorben ist. Informationen, die ohnehin geheim bleiben. In Deutschland sind Organspenden anonym. Doch wenn er könnte, würde er seinem Herzspender sagen, wie dankbar er ist.
"Ja gut, ich würde sagen, dass er praktisch mit seinem Herzen in mir weiterlebt, und das jetzt seit 16 Jahren und ich hoffe, es wird noch einige Jahre so weitergehen. Und den Hinterbliebenen an für sich könnt' ich ja nur sagen, seht her, hier ist ein Mensch, der jetzt weiterleben kann und ich einfach glücklich sein kann."