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Herzensangelegenheit des ewig jungen Pop

Paddy McAloon, Kopf der englischen Band Prefab Sprout, versteht es wie kaum ein anderer, die Schönheit und den Schmerz der Jugend in Popsongs zu fassen. Das neue Album "Crimson/Red" hat er geschrieben, weil er vertraglich dazu verpflichtet war. Trotzdem klingen die neuen Stücke, als seien sie ihm eine Herzensangelegenheit gewesen.

Von Eric Leimann |
    Da ist er wieder - dieser alte, magische Sound von Prefab Sprout. Das Verblüffendste an der scheinbar konservierten Schönheit der 80er und frühen 90er ist jedoch die jugendliche, ja liebevolle Stimme Paddy McAloons. Der sieht heute mit schlohweißem Bart, Gehstock und getönter Brille eher aus, wie eine exzentrische Ausgabe des Weihnachtsmannes.

    Dass Paddy McAloon überhaupt Interviews gibt, ist nicht selbstverständlich. Reisen mag der schrullige Songwriter-Eremit schon lange nicht mehr. Unter zeitweiliger Erblindung litt er, dazu kämpft er mit einer schweren Form des Tinnitus. Seine Gäste empfängt McAloon ausschließlich in der Lobby eines Hotels in der nordenglischen Kleinstadt Durham, in deren Nähe er mit Frau und drei Töchtern lebt. Die Genese seines neuen Albums "Crimson/Red" ist in Anbetracht der exzentrischen Geschichte dieses Mannes fast schon profan ...

    "Meine ursprüngliche Idee für den Sound dieses Albums war, einfach nur eine Stimme und eine akustische Gitarre zu benutzen. Ich hatte nicht viel Zeit, um dieses Album aufzunehmen. Hört sich jetzt blöd an, weil es ja das erste seit vielen Jahren ist. Dennoch musste ich diese Platte aus vertraglichen Gründen aufnehmen. Man sagte mir, dass ich jemandem ein Album schulde. Ich fing also an - nur mit Gitarre und Stimme, stellte aber bald fest, dass es auf diese Weise nicht interessant genug war. Also baute ich Soundschicht für Soundschicht über diese musikalische Basis, so wie ich das immer tue."

    Auch wenn die zehn Songs von "Crimson/Red" nach Schönheit und Weite klingen, fällt dem kritischen Hörer auf, dass ihr Klangbild ein wenig synthetisch ist. Was daran liegen mag, dass Paddy McAloon aus finanziellen und gesundheitlichen Gründen dieses Album alleine einspielen musste.

    "Im Prinzip sind es die Einschränkungen, die deinen Sound definieren. Was hast du im Studio zu Verfügung, welches Instrument beherrschst du? Bei mir ist es die Gitarre, die ich recht gut spielen kann. Außerdem benutze ich eine Menge alter Synthesizer. Deren Sound definiert auch den Klang dieses Prefab Sprout-Albums. Man hört darauf nicht allzu viele natürlich klingende Instrumente, auch wenn ich mir viel Mühe gegeben habe, ein ausgewogenes Klangbild zu erzeugen."

    In den 80er-Jahren gab es vielleicht niemanden, der den Schmerz und die Schönheit der Jugend in so anrührenden Pop verwandeln konnte wie dieser katholische Sohn irischer Einwanderer, der eigentlich mal Priester werden wollte. Von Paddy McAloons Gabe und Sensibilität ist auch mit Mitte 50 noch fast alles vorhanden, auch wenn der Songwriter heute aus anderer Perspektive auf diese Zeit zurückblickt. "Alter Bart, junges Herz" lautet entsprechend die Überschrift eines Prefab Sprout-Artikels im aktuellen Rolling Stone-Magazin. Ist dieser auf fast jugendliche Art musikbegeisterte Mann eigentlich enttäuscht darüber, dass er mit seiner Kunst am Ende doch ein Geheimtipp blieb?

    "Wenn ich mir die Charts anschaue und feststelle, dass mein Album dort nicht vertreten ist, erinnere ich mich daran, dass es nicht allzu viele Miles Davis-Platten in den Top 10 gab. Auch Maurice Ravel oder Alban Berg machten einzigartige, wunderschöne Musik, die damals - als sie lebten - nicht anerkannt und kaum gehört wurde. Die Musik klassischer Komponisten hörten ja - wenn überhaupt- nur ein paar Tausend Leute. Verglichen mit ihnen wurde ich als Songwriter vom Schicksal recht gut behandelt. Vielleicht habe ich mehr Lob für meine Texte erhalten als für die Musik. Vielleicht ist das in Ordnung so, vielleicht ist das mein größeres Talent. Wenn ich mir mein Leben so ausmalen könnte, wie ich es mir wünsche, wäre ich jedoch lieber ein großer Liederschreiber."

    Auf "Crimson/Red", dem neuen Prefab Sprout-Album, schreibt Paddy McAloon ungewohnt offen über sich selbst. Über das Altern, über Euphorie und Krisen des Künstlers. Im Song "The Old Magician" vergleicht er sich mit einem alten Zauberer, der bessere Tage gesehen hat. Einer müden Bühnenpersönlichkeit mit Löchern in den Handschuhen und abgetragenem Hut. "Früher hat er mal Tauben fliegen lassen" heißt es in einer Zeile. Wenn es darum geht, ob die Wünsche des jungen Popträumers Paddy McAloon nun in Erfüllung gegangen sind oder nicht, schließt der mit einem versöhnlichen, fast philosophischen Fazit.

    "Ich weiß es nicht. Ich glaube, dass die jugendliche Ausgabe von mir ziemlich beeindruckt davon wäre, was ich geschafft habe. Wenn ich aber daran zurückdenke, um was es damals ging, war es einfach nur die Schönheit dieses Traums. Es ging eigentlich gar nicht darum, tatsächlich etwas zu erreichen."