"Und dann den Schrank da mal an die Wand stellen, dass wir die Seite mal frei räumen."
Ein Vorarbeiter teilt in einem renovierungsbedürftigen Altbau Arbeit für eine Gruppe junger Männer ein. In dem maroden Gebäude sollen binnen eines Jahres neue Büros entstehen. Genutzt werden sollen sie dann vom gemeinnützige Verein Werkhof e.V. in Darmstadt, der unter anderem junge Geflüchtete auf eine Berufsausbildung vorbereitet. Erst einmal geht es darum, alte Möbel wegzuschaffen und den groben Schutt beiseite zu räumen:
"Ich bin Ali Mohammed, ich komme aus Afghanistan, bin seit 2015 in Deutschland, ich mache hier im Werkhof Darmstadt Praktika. Mir macht es auch viel Spaß, neue Leute kennenzulernen und muß so mit der Arbeit Spaß haben."
"Sie werden unsere Waschbecken reparieren"
Ali Mohammed hat eine Lehrstelle als Zweiradmechaniker in Aussicht. Einige Schritte weiter räumt Ibrahim Fatiri Plastikrohre beiseite. Auch er ist Mitte 2015 aus Afghanistan gekommen. Er befindet sich in der Berufsvorbereitung auf eine Ausbildung als Industriemechaniker: "Heute machen wir ein bisschen sauber auf dieser Baustelle. Alle zusammen haben wir das schnell fertig. Wir sind wie eine Familie."
Sara Hamm ist die Sozialarbeiterin, die im Werkhof e.V. die jungen Flüchtlinge in der Vorbereitung für eine Lehre in sogenannten "Mangelberufen" betreut: "Ich denke, in nicht allzu langer Zeit werden diese Leute dann auch in die Haushalte kommen und unsere Waschbecken reparieren, unsere verstopften Rohre wieder freimachen und spätestens dann werden wir merken, wie wichtig diese Leute für uns sind."
1.800 Flüchtlinge im Programm
Mohammed Khawandy kommt jetzt schon in die Wohnungen und repariert Heizungen. Denn der 20-jährige Syrer ist bereits seit einem halben Jahr in einem Sanitär- und Solaranlagenbetrieb beschäftigt. Diese sogenannte "Einstiegsqualifizierung" mündet nun in einer Ausbildung zum Anlagemechaniker: "Meine Firma macht alles. Lüftung und Solarleitungen und Heizungsleitungen, wir bauen alles."
Unterstützt wird Mohammed Khawandy von Dogan Yilmaz. Der Philosoph und Germanist, der noch in Istanbul studierte bevor er später nach Deutschland kam, koordiniert beim Bildungswerk der Hessischen Wirtschaft in Darmstadt das Landesprogramm "Wirtschaft integriert". Mit diesem Programm werden in Hessen aktuell rund 1.800 junge Geflüchtete gezielt auf eine Berufsausbildung hingeführt- oft in "Mangelberufen".
Dogan Yilmaz: "Mit dem Ziel, auch für Nachwuchs zu sorgen in den Berufen, wo deutsche Jugendliche nicht so gerne eine Ausbildung aufnehmen. Das ist zwar nicht unser Ziel, die jungen Leute gezielt dorthin zu orientieren, aber wir haben natürlich ein großes Potential an jungen Menschen, die auch solche Berufe interessant finden, die vielleicht für deutsche Jugendliche nicht so interessant sind jetzt mittlerweile. Wie zum Beispiel Anlagemechaniker oder viele andere Handwerksberufe, wo Betriebe wirklich ein Problem haben, Nachwuchskräfte zu finden. Du da bieten wir, denke ich wirklich einige Alternativen an."
Diese Alternativen heißen Ali Mohammed und Ibrahim Fatiri aus Afghanistan oder Mohammed Khawandy aus Syrien, der schon sehr genau weiß, wo sich die Schwachstellen eines alten deutschen Heizkörpers befinden: "Heizungsventil, wie heißt das? Kopfventil. Und die Rohre! Also, zuerst müssen wir das Wasser absperren, dann gucken wir, was kaputt ist. Vielleicht ist das Ventil kaputt."
Auf der Baustelle im sanierungsbedürftigen Altbau gehen unterdessen die Arbeiten zügig voran. Jetzt sollen Materialien in den engen, staubigen Keller geschafft werden – keine sehr beliebte Arbeit. Der Vorarbeiter gibt allerdings klare Anweisungen: "Diese ganzen Rohre müssen in den Keller…."
"Bewusstsein schaffen, dass wir die jungen Leute brauchen"
Die jungen Flüchtlinge scheuen nicht davor zurück, sich die Hände schmutzig zu machen. Darauf macht auch ihre Betreuerin Sara Hamm aufmerksam: "Mir ist es ganz wichtig, dass es auch in der Bevölkerung bewusst wird, dass wir die jungen Leute brauchen. Sonst stehen wir bald ohne Bäcker, ohne Metzger, ohne Schreiner da. Und leider sind halt oft diese Jugendlichen auf der Straße so präsent, die viel rumhängen, die keine Perspektive hier haben und die sich schwer tun, sich zu integrieren."
Das sei aber eben nur ein Teil der Wirklichkeit, betont die Sozialpädagogin:
"Aber die jungen Leute, die eben in den Schulen sitzen, die in den Ausbildungsbetrieben sitzen, die zuhause sitzen, die Deutsch lernen, die Fachtheorie lernen, die sieht man eben nicht. Aber die gibt es eben auch und das finde ich ganz wichtig, dass die Bevölkerung davon erfährt."
Ali Mohamed hat nach einer Weile einen Raum auf der Baustelle sauber gefegt. Er ist zufrieden mit seinem Werk. Die ersten Möbel können bald eingeräumt werden, glaubt der junge Afghane:
"Erst machen wir hier ein bisschen mit dem Besen und dann kommen alle Sachen hier an die Wand und dann wird alles gut."