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Hessen
Kleinert: Schwarz-Grün ist in der Kommunalpolitik nichts Neues

In den hessischen Kommunen arbeiten Grüne und CDU bereits zusammen, man gehe also nicht unvorbereitet in ein mögliches Landesbündnis, sagt Hubert Kleinert. Wichtig für die Grünen sei, dass sie beim Flughafenausbau und Lärmschutz etwas vorweisen können, ergänzt der Politikwissenschaftler

Hubert Kleinert im Gespräch mit Matthias von Hellfeld | 26.11.2013
    Peter Kapern: Seit gestern verhandelt Volker Bouffier mit den Grünen über eine Koalition. Mein Kollege Matthias von Hellfeld hat gestern mit dem Politikwissenschaftler und früheren Grünen-Spitzenpolitiker Hubert Kleinert über das Bündnis gesprochen, das sich da anbahnt, und er hat mit ihm zurückgeblickt auf die Koalitionsverhandlungen der Grünen mit Holger Börner von der SPD im Jahr 1985, an deren Ende die erste rot-grüne Koalition vereinbart worden war.
    Hubert Kleinert: Ja gewiss, das war ja eine sehr umstrittene Sache damals. Das begann ja schon zwei Jahre zuvor, da waren die ersten Koalitionsverhandlungen. Die wurden öffentlich geführt und von den Fundamentalisten bei den Grünen und ihrer damaligen Anführerin Jutta Ditfurth wurde alles auf Tonband aufgezeichnet, weil man ja nun die Verhandler verdächtigte, da irgendwie der SPD auf den Leim zu gehen. Das war alles eine sehr bewegte Zeit und es hat ja auch einige Irrungen und Wirrungen dann gegeben, bis es überhaupt zu dieser rot-grünen Koalition kam.
    Matthias von Hellfeld: Joschka Fischer war der einzige grüne Minister damals entsprechend dem Wahlergebnis. Ich will noch mal in Erinnerung rufen: Die SPD hatte damals 46 Prozent und die Grünen 7,6. Also so eine Art Juniorpartner ist schon der richtige Begriff damals gewesen?
    Kleinert: Ja, so war das. Den Anstoß für diese Öffnung zu einem Bündnis zur SPD hat damals sogar eine Wahlniederlage geliefert, 1983, nachdem es ja ein Jahr lang ein Patt in Hessen gegeben hatte. Die SPD hat davon profitiert damals, die Grünen nicht, und das hat auch alles eine Rolle gespielt, dass es dann dazu kam. Ja gut, das ist lange Geschichte. Es ist ein langer Weg von damals bis heute.
    von Hellfeld: Wie sehen Sie denn das Verhältnis heute? Die CDU hat 38, die Grünen elf Prozent. Der Abstand ist nicht ganz so groß!
    Kleinert: Der Abstand ist nicht ganz so groß, aber die CDU hat besser abgeschnitten, als man das vor einem Jahr in Hessen erwarten konnte. Es ist hier schon klar, wer der Stärkere ist und wer der Kleinere ist. Aber in der Sache, ich glaube, darauf kommt es vor allen Dingen an, dass erstmals in einem Flächenstaat in der Bundesrepublik überhaupt ein solches Bündnis zustande kommen kann, nachdem wir das ja bisher nur in Hamburg und im Saarland mal hatten und das aus unterschiedlichen Gründen auch nicht lange gehalten hat.
    Hessische Grüne sind nicht zerstritten wie einst
    !!von Hellfeld:!! Nun hat ja - jedenfalls im Moment ist das nicht nach außen zu erkennen – die grüne Partei nicht mit inneren Streitigkeiten zu tun, also keine Fundis und Realos am Start. Wie sollte das Ergebnis der Koalitionsverhandlungen aussehen?
    Kleinert: Na ja, zunächst mal vielleicht zu dem ersten Teil Ihrer Frage würde ich sagen: Dass es nach außen hin kaum große Widerstände bislang gibt, hat sicher auch mit einem ganz guten Management zu tun, das in den letzten Wochen in der Partei betrieben worden ist, und es hat sicher auch ganz wesentlich damit zu tun, dass in Hessen Schwarz-Grün ja zumindest im kommunalen Bereich überhaupt nichts Neues ist. Wir haben in Frankfurt, wir haben in Darmstadt solche Bündnisse, wir hatten das mal in Kassel, wir haben auch in Landkreisen solche Verbindungen. Sagen wir mal, vom Unterbau der Partei her ist die Partei in Hessen durchaus nicht unvorbereitet auf so etwas, und das spielt jetzt sicherlich auch eine Rolle. Was nun die Ergebnisse anbetrifft, das wird man sehen müssen.
    Selbstverständlich werden die Grünen nichts unterschreiben können, wenn sie da nicht auch in Sachen Flughafenausbau, Lärmschutz und dergleichen was vorzuweisen haben.
    Streitpunkt Flughafen Frankfurt
    Die Grünen wollen weniger Fluglärm. Das Nachtflugverbot soll verlängert werden, sodass zwischen 22.00 und 6.00 Uhr keine Flieger starten oder landen dürften. Auch die Baupläne für ein drittes Terminal lehnen sie ab.
    Die CDU sieht im Flughafen den entscheidenden Wirtschafts- und Jobmotor Hessens. Dennoch wollen sie Zugeständnisse machen: Es soll geprüft werden, ob das bestehenden Nachtflugverbot verlängert werden kann. Auch könnten die Baupläne für ein drittes Terminal am Flughafen auf den Prüfstand gestellt werden.
    Quelle: dpa
    von Hellfeld: Da hat ja die CDU schon signalisiert, dass sie sich von dem Plan, den Ausbau des Flughafens zu betreiben, verabschieden könnte.
    Kleinert: Na ja, soweit ich informiert bin, geht es jetzt erst mal nur darum, dass man prüfen will, ob überhaupt die Notwendigkeit - von ergebnisoffener Prüfung ist die Rede -, ob überhaupt die Notwendigkeit für ein drittes Terminal wirklich so zwingend begründet werden kann, und es ist die Rede davon, dass gleichzeitig auch der Korridor für ein Nachtflugverbot, der zeitliche Korridor für solche Verbote, ausgeweitet werden kann.
    Ich bin mal sehr gespannt, ob die CDU, was diese Dinge anlangt, über ihren Schatten zu springen bereit ist. Bislang hatten ja in der Unions-Politik in Hessen immer die wirtschaftlichen Aspekte derart Vorrang gehabt bei den Dingen, die den Ausbau des Frankfurter Flughafens betreffen, dass das schon ein Stück Neuland wäre, wenn die CDU jetzt doch in diesen Dingen stärker auf die Grünen zugeht.
    von Hellfeld: Wir haben es ja im Moment mit einer Duplizität der Ereignisse zu tun: In Berlin wird verhandelt über eine Große Koalition, in Hessen jetzt über eine schwarz-grüne. Ist denn Schwarz-Grün für Sie jetzt, auch wenn das in Hessen gelingt, eine Alternative für den Bund?
    Kleinert: Das hängt von vielen Faktoren ab, die man nicht genau einschätzen kann. Ich meine, sollten die Befürchtungen mancher Leute in der SPD zutreffen, dass vielleicht gar nicht sicher ist, dass die SPD in der Urabstimmung eine Mehrheit für diesen Koalitionsvertrag erhält, dann kann die Frage Schwarz-Grün im Bund sich schneller stellen, als es irgendjemand vor vier Wochen noch geglaubt hätte. Aber das weiß man nicht.
    Ob die SPD das dann wirklich nicht durchbringt bei ihren Mitgliedern, werden wir sehen. Ich nehme schon an, dass sie es irgendwie schaffen. Welche Rolle dann Schwarz-Grün als Option für den Bund spielen wird, das wird sich zeigen, wird sicherlich auch ganz wesentlich davon abhängen, wie das in Hessen läuft. Aber ich denke, sowohl aus Sicht der CDU wie auch aus Sicht der Grünen kann das bundespolitisch zur Bereicherung von Optionen führen, und davon können, wenn es gut läuft, beide Seiten profitieren.
    Kapern: Mein Kollege Matthias von Hellfeld im Gespräch mit Hubert Kleinert, dem Politikwissenschaftler und früheren Grünen-Spitzenpolitiker.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.