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Hessen-Koalition
"Wir werden uns zusammenraufen müssen"

Noch vor Weihnachten wollen Volker Bouffier und Tarek Al-Wazir Schwarz-Grün unter Dach und Fach haben. Der amtierende Ministerpräsident strotzt vor Zuversicht, doch an der Basis herrscht Skepsis - in beiden Lagern.

    Der Advent ist fürs Besinnliche und nicht zum politischen Räsonnieren da, so sehen das jedenfalls weite Teile der CDU, vor allem im katholischen Fulda. "Öffnet mir das Stübchen" singen voller Inbrunst fast 100 Senioren des Kreisverbands im Künzeller Rathaus-Saal am Rande der barocken Bischofsstadt.
    Die CDU ist dabei, den Grünen das koalitionäre "Stübchen" zu öffnen. Verhalten positiv nehmen das die Silver Ager der Partei auf.
    "Man weiß nicht so richtig, gell. Es ist ja noch nie vorgekommen, dass die zusammen waren, und (sie) haben sich ja vorher auch nicht so besonders verstanden."
    "Wie die Kesselflicker haben sie sich gestritten, also das wundert mich auch schon n bisschen, wie jetzt Friede, Freude, Eierkuchen – das ist schon irgendwie seltsam. Ob das fünf Jahre hält – wer weiß."
    "Man muss halt das Beste draus machen. Es hat sich so ergeben. Ich finde es auf jeden Fall besser als Rot-Rot-Grün. Wir werden uns zusammenraufen müssen, und dann klappt das schon."
    Die heitere Zuversicht konservativer Senioren ist rar auf den grünen Mitgliederversammlungen, die derzeit überall in Hessen stattfinden. In Darmstadt will eine Frau gar nicht erst abwarten, wie die gesamte Basis am 21. Dezember entscheidet. Sie zerreißt auf der Stelle ihr Parteibuch, enttäuscht, dass die Grünen-Führung den versprochenen Politikwechsel verweigert. In Frankfurt berichtet der grüne Landtagsabgeordnete Marcus Bocklet, CDU-Chef Volker Bouffier "kuschele die Grünen wund", aber weil die Linke als reine Protestpartei nicht bündnisfähig sei, führe an Schwarz-Grün kein Weg vorbei. Erst wundkuscheln, dann unterbuttern, das könnte die Strategie der Schwarzen gegenüber ihrer Partei sein, argwöhnen Frankfurter Grüne.
    "Das ist sicher eine berechtigte Befürchtung, aber ich denke, dass wir alle mit dieser Einstellung daran gehen: Wenn wir das machen, dann wollen wir unseren Prinzipien wirklich treu bleiben, dann wird es keine krummen Deals geben, dann werden wir nichts mitmachen, wo wir uns zu sehr verbiegen müssen."
    "Ich teile die Befürchtung, dass das sehr, sehr schwierig werden wird. Ich sehe den Charme der schwarz-grünen Koalition beim Flughafenthema. Wenn die CDU sich da bewegt, dann ist das ne Weichenstellung, die auch künftige Landesregierungen nicht mehr zurücknehmen können. Das ist positiv. Aber möglicherweise kann es uns passieren, dass wir dafür einen sehr hohen Preis werden bezahlen müssen."
    Grüne gelten manchem als Verräter
    In sozialen Netzwerken und Leserbriefen geht ein Shit-Storm aus ganz Deutschland über die sogenannten grünen Verräter nieder. Im schwarz-grün regierten Frankfurt aber kann die Basis in der Neuauflage des Bündnisses für ganz Hessen keinen Verrat erkennen. Im Gallustheater lauscht Omid Nouripour, Kreis-Vorstandssprecher und deutsch-iranischer Bundestagsabgeordneter, vorn auf dem Podium der Kreismitgliederversammlung aufmerksam all den Bedenken, die Parteifreunde trotz prinzipieller Zustimmung vortragen.
    "Ich versteh ganz viele Leute, die sagen, was macht ihr denn da eigentlich? Trotzdem muss jetzt das Parlament, muss der Landtag mit dem Wahlergebnis irgendwie umgehen. Wir haben in Frankfurt jetzt im siebten Jahr Schwarz-Grün. Wir haben fünf Jahre, wie ich finde, super Arbeit gemacht, und haben geschaut, wo sind die Lösungen, und nicht in erster Linie, wo ist die ganz große Idee, mit der man gegeneinander knallen kann. Und nach fünf Jahren, bei dem ersten Test quasi, haben beide Parteien – Union und Grüne - gut zugelegt."
    Hält Nouripour mit Blick auf die Kommunalwahlen von 2011 fest, bei denen die Frankfurter Grünen fast 26 Prozent der Stimmen erreichten, ein Plus von zehn Prozentpunkten. Inzwischen allerdings hat die Bankenstadt einen roten Oberbürgermeister, der die schwarz-grüne Koalition aufzumischen versucht.
    Über rotes Störfeuer muss man sich im schwarzen Fulda nicht sorgen. Im festlich geschmückten Saal stehen dort bei der Senioren-Union noch viele Weihnachtsgeschichten und Lieder auf dem Programm, deshalb fasst sich Norbert Herr als örtlicher CDU-Landtagsabgeordneter mit seinem Bericht über den Stand schwarz-grüner Koalitionsverhandlungen kurz.
    "Jetzt geht's ans Eingemachte."
    Ein Fluglärmgegner demonstriert in der Abflughalle des Flughafens von Frankfurt am Main.
    Ein Fluglärmgegner demonstriert in der Abflughalle des Flughafens von Frankfurt am Main. (picture alliance / dpa / Arne Deder)
    CDU-Basis: Grüne weden sich schon einordnen
    Eventuelle Bedenken der ergrauten CDU-Anhängerschaft gegen das exotische Bündnis mit den einstigen "Investitionsverhinderern" und "Blockierern" wischt der 69-Jährige im Trachtenjanker beiseite. Die Grünen bräuchten nur etwas, das nach Erleichterung beim Lärm am Frankfurter Flughafen aussehe, so der Abgeordnete gönnerhaft, außerdem ein paar Zugeständnisse an Biolandwirte. Davon werde ja wohl die Welt nicht untergehen. Die Silver Ager des CDU-Kreisverbands Fulda kosten vom Christstollen und nicken beruhigt. Über die Grünen denken sie in etwa wie Eltern über ihre einstmals aufmüpfig-zotteligen Kinder: inzwischen gereift, wohl frisiert und zur Vernunft gekommen. Gerda Plank hält fest "dass sie nicht mehr so extrem alternativ sind, und dass sie sich auch – ich will ja nicht gerade sagen - angepasst haben, aber so'n bisschen andere Ideen haben als früher so am Anfang. Da hat man gedacht, sie sind gegen alles und wollen rebellieren, aber mittlerweile haben sie sich so richtig schön eingeordnet, und dann denke ich auch, dass sie sich jetzt mit den Schwarzen gut verstehen."
    Sollen doch die Grünen nur weiter davon schwadronieren, sie könnten die Christdemokraten gesellschaftspolitisch umerziehen, zum Beispiel zu Verfechtern der vollen Gleichberechtigung für Homosexuelle. Die Unions-Senioren glauben besser zu wissen, wer am Ende wen erziehen und unterbuttern wird:
    "Die mit ihrem geringeren Stimmenanteil, die sollen den Mund nicht so voll nehmen. Dass die der Katze die Schelle anhängen, das glaube ich nicht, hoffe ich auch nicht, denn so viel steht ihnen auch nicht zu."
    "Die CDU hat schon das meiste zu sagen, denk' ich mal."
    "Über 40 Prozent, was wollen Sie denn noch mehr. Die Merkel ist doch schon ne halbe Sozialistin, was soll denn da noch groß kommen? Da ist doch gar kein Spielraum mehr da! Die hat doch schon alle Felder besetzt! Und so wird das hier in Hessen genauso,"
    meint Peter Jung, als Migrant aus Schleswig-Holstein in der Fuldaer Senioren-Union bestens integriert.