Hannah Nowack schließt die Tür der ehemaligen Synagoge ihres Heimatortes Romrod im Vogelsbergkreis auf. Das frühere Gotteshaus ist gemeinsam mit einigen Neben-Gebäuden unlängst zu einem hübschen kleinen Kulturzentrum mit angegliedertem Lokal-Geschichtsmuseum ausgebaut worden. Die 22 Jahre alte Hannah Nowack lebt in Romrod, am liebsten will sie auch hier Landärztin werden, wenn sie ihr Medizinstudium in Göttingen beendet hat.
"Land ist ganz, ganz toll. Die Menschen haben einen anderen Zusammenhalt als in der Stadt. Die Menschen kennen sich, man kennt, wenn man hier gelebt hat, das soziale Umfeld und man kann die Menschen besser einsortieren und ihre Nöte. Man merkt dann auch schnell, wenn Leute nie kommen und dann zum Arzt kommen, dann weiß man: Hier geht was schief. Weil man die Leute kennt."
Hannah Nowack hat nicht gezögert, das Angebot anzunehmen, dass der Vogelsbergkreis ihr gemacht hat. Der Kreis zahlt ihr ab dem fünften Semester bis zum Ende der Regelstudienzeit 400 Euro Unterstützung pro Monat. Dafür hat sich Hannah Nowack verpflichtet, nach dem Studium acht Jahre lang im Vogelsbergkreis zu bleiben – als Landärztin.
"Ich bin ja auf den Vogelsberg festgelegt und da muss ich meinen Praxissitz haben, irgendwo auf dem Vogelsberg. Ich kann natürlich immer in Romrod wohnen bleiben und pendeln. Eigentlich will ich wieder her, ja."
Leben auf dem Land ist nicht für jeden etwas
Medizinstudierende mit Liebe zum Land wie Hannah Nowack sind aus der Sicht des Vogelsbergkreises die optimale Zielgruppe für das Stipendium das dazu dienen soll, den Landarztmangel zu beheben, der sich seit längerem abzeichnet. Dr. Jens Mischak, der für die Gesundheitspolitik zuständige Kreisbeigeordnete des Landkreises im Osten Hessens:
"Prognostiziert ist: im Jahre 2020 werden rund ein Drittel der 70 Hausärzte, die wir im Kreis haben, die Altersgrenze von 65 Jahren überschritten haben und das zwingt uns dazu, mitzuhelfen, bei all den Akteuren, die sonst noch unterwegs sind, uns Gedanken zu machen. Wie soll es denn weitergehen im Jahr 2020?"
Auch in den medizinischen Fakultäten der umliegenden Universitäten ist das Thema des Landarztmangels längst angekommen. Doch gerade das Leben als Allgemeinmediziner auf dem Land hat nicht bei allen Studierenden einen guten Ruf. Etwa bei Lisa Schmidtberg und Carolin Zöller, die beide im 8. Semester Humanmedizin an der Uni Frankfurt am Main studieren.
"Nein, könnte ich mir nicht vorstellen. Weil ich mir generell nicht vorstellen kann, auf dem Land zu leben. In einer dörflichen Umgebung. Das wäre nichts für mich."
"Ich tue mich ein bisschen schwer, mich damit zu verpflichten, Hausarzt zu werden. Weil ich zumindest bis zum Ende meines Studiums noch die Freiheit haben möchte, mich danach zu entscheiden, in welche Fachrichtung ich gehen möchte."
"Masterplan Medizinstudium 2020" von Bund und Ländern
"Ich denke nicht, dass das Land generell unsexy ist. Es kommt auf die Person an. Mancher will eben eher auf dem Land arbeiten, mancher eher in der Stadt",
… sagt Dennis Müller, der in Frankfurt am Main Medizin im 1. Klinischen Fachsemester studiert. Wie auch Nora Ray.
"Uns werden ganz viele Programme vorgestellt. Hier ist die Allgemeinmedizin in Frankfurt auch sehr daran interessiert, dass sich mehr Leute als Landarzt gewissermaßen melden. Für mich ist es auch nichts. Aber ich kenne auch viele bei uns aus dem Semester, die sich das gut vorstellen können, das zu machen."
Diese Studierenden will der Vogelsbergkreis in den nächsten Jahren mit dem Stipendienprogramm erreichen. Die Göttinger Studentin Hannah Nowack hat sich schon für den Beruf der Landärztin entschieden. Sie begrüßt es auch, dass sich Bund und Länder zu Jahresbeginn auf einen "Masterplan Medizinstudium 2020" geeinigt haben, um mehr Studenten für den Hausarztberuf zu gewinnen – auch auf dem Land.
"Die Bundesregierung plant eine Curriculums-Änderung, dass es auch ein Pflicht-Tertial oder Quartal im praktischen Jahr gibt. Praktikum beim Hausarzt ist schon Pflicht, natürlich nicht auf dem Land, aber in der Allgemeinmedizin und auch im Studium hat die Allgemeinmedizin jetzt einen größeren Stellenwert."