Barbara Newels arbeitet seit 20 Jahren als Lehrerin für sogenannte Intensivklassen. Das bedeutet, sie unterrichtet Migrantenkinder, die ohne Deutschkenntnisse an die Schule kommen. Nach einem Jahr intensivem Deutschunterricht sollen diese Kinder in die Regelklassen integriert werden. Das ist das Ziel. Doch von ehemals 28 Stunden pro Woche ist die Zahl der Unterrichtsstunden in hessischen Intensivkassen schrittweise auf aktuell 22 Stunden reduziert worden, um neue Klassen für Flüchtlingskinder zu schaffen. Barbara Newels ist Klassenlehrerin an der Paul-Hindemith-Gesamtschule im Multi-Kultiviertel Gallus in Frankfurt am Main. Die Schüler, die hier unterrichtet werden, stammen aus mehr als 60 Nationen. Barbara Newels fürchtet nun wegen der Stundenreduzierung um die Qualität des Unterrichts:
"Es ist sowie eine Herausforderung, Kinder mit so unterschiedlichen Herkunftsländern und unterschiedlicher Schulbildung in einem Jahr so weit zu bringen, dass sie am Regelunterricht teilnehmen können. Und je weniger Stunden wir dafür zur Verfügung haben, desto mehr geht es zulasten dessen, dass wir die Fähigkeiten, die schon vorhanden sind, auch ausgraben können sage ich mal. Und die Kinder darin fördern können, dass sie die deutsche Sprache so lernen, dass sie da erfolgreich bestehen."
Diese Sorgen teilt auch Matthew George. Der im britischen Birmingham geborene 50-Jährige ist seit vier Jahren der Schulleiter der Paul-Hindemith-Gesamtschule im Gallus-Viertel von Frankfurt am Main. Die Stundenkürzungen in den Deutsch-Intensivklassen für Migrantenkinder könne man nur mit zusätzlicher ehrenamtlicher Arbeit einiger Lehrer auffangen, so George. Oder mit der freiwilligen Hausaufgaben-Betreuung, die Mitarbeiter der benachbarten amerikanischen Großbank J.P. Morgan für die Schüler anbieten:
"Weil wir sagen: Wir schaffen das! Und wir sind erfolgreich. Jedoch haben wir festgestellt, um das zu erreichen, müssen wir zusätzliche Angebote machen. Zum Beispiel: Eine Kollegin von mir, die die Klasse 7 unterrichtet - also die Intensivklasse - macht zwei Angebote in der Woche, wo sie nachmittags mit den Schülern zum Beispiel zu J.P. Morgan geht, wo sie eine Hausaufgabenbetreuung haben. Oder sie geht mit ihren Schülern ins Mehrgenerationenhaus. Das ist hier im Gallus. Da gibt es zusätzliche Angebote im künstlerischen Bereich. Jedoch sind diese Stunden freiwillig."
Neue Klassen, aber reduzierter Umfang
Und eben unbezahlt für die Lehrer, die die Schüler begleiten. Das wird wohl auch so bleiben. Denn die zusätzlichen 40 Millionen Euro, die die Landesregierung für weitere Deutsch-Intensivklassen für Flüchtlingskinder nun bereitstellt, soll lediglich neue Klassen schaffen. Der Umfang des Unterrichts bleibt jedoch reduziert. Das hessische Kultusministerium hält 22 Stunden Intensiv-Unterricht nach Rücksprache mit Experten der Staatlichen Schulämter "unter fachlichen Aspekten für verantwortbar", heißt es in einer Stellungnahme. Barbara Newels, die auf diesem Feld jahrzehntelange Erfahrung hat, wurde allerdings vom CDU-geführten Wiesbadener Kultusministerium nicht konsultiert:
"Nein, ich wurde nicht gefragt. Ich habe das auch gelesen, hat mich ein bisschen gewundert und ich denke: Alles Mögliche kann man schaffen, es wird nur alles immer schwieriger, vor allem für die Schüler. Die haben einfach weniger Zeit, weniger Angebote, so gut Deutsch zu lernen, das sie wirklich erfolgreich in der Regelklasse teilnehmen können. Die können natürlich alle nach einem Jahr sich verständlich machen, die haben dann aber sehr viele Schwierigkeiten, in den Regelklassen Sachtexte zu verstehen. Zum Beispiel in GL scheitern ganz viele."
GL steht für Gesellschaftslehre. Eigentlich ein besonders wichtiges Fach für Flüchtlingskinder aus fremden Kulturkreisen. Hier sollen sie etwa lernen, welche Werte die hiesige Gesellschaft hat und woher sie kommen. Doch damit hapert es in der Regelklasse dann, weil im Deutsch-Intensivkurs zuvor die Unterrichtszeit zu knapp war. Gelungene Integration sieht wohl anders aus.