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Hessischer Rundfunk
Widerstand gegen Umbau der Kultur- zur Klassikwelle

Am 23. August trifft sich der Rundfunkrat des Hessischen Rundfunks zum nächsten Mal - und es wird keine einfache Sitzung. Denn die Proteste gegen die Reform des bisherige Kulturradios hr2 in einen reinen Klassik-Sender reißen nicht ab. Auch ein Mitglied des HR-Rundfunkrats sieht Gesprächsbedarf.

Von Ludger Fittkau |
Eine blaue hr-Fahne weht vor dem Unternehmenssitz des Hessischen Rundfunks in Frankfurt am Main.
Externen wie internen Gegenwind gibt es für die geplante hr2-Reform (imago images / Hoffmann)
Nancy Faeser ist seit April dieses Jahres Mitglied des hr-Rundfunkfunkrates. Die Generalsekretärin der hessischen SPD und designierte Landesvorsitzende der Partei macht sich schon in den ersten Monaten ihrer Arbeit im Rundfunkgremium Sorgen darüber, ob der Hessische Rundfunk seinem Bildungsauftrag noch gerecht wird. Insbesondere dann, wenn er wie geplant den Wortanteil im Radioprogramm hr2-kultur weitgehend streicht und aus der Welle einen reinen Klassik-Musiksender macht. Nancy Faeser:
"Das ist in den Gremien im Detail leider noch gar nicht diskutiert worden. Das wird jetzt in der Sitzung Ende August diskutiert. Und ich glaube, da gibt es auch Diskussionsbedarf. Weil natürlich der Hessische Rundfunk als öffentlich-rechtlicher Rundfunk ja insbesondere auch einen Bildungsauftrag hat. Dem ist er mit dem Format hr2 sehr, sehr gut nachgekommen. Und ich glaube, dass man das deshalb auch diskutieren muss."
hr2-kultur soll reiner Klassikkanal werden
Der Hessische Rundfunk hatte mitten in den Sommerferien bekannt gegeben, dass er ab April 2020 aus hr2-kultur einen reinen Klassikkanal machen will. Bisher ist der Sender mit rund 80.000 Hörerinnen und Hörern pro Tag ein Mischprogramm aus aktuellen Kulturmagazinen und Features, Diskussionssendungen sowie einem Crossover-Musikangebot mit Klassik, Jazz und Folk. Künftig sollen die Wortsendungen im Schwesterprogramm hr-info oder im Internet angeboten werden, so HR-Hörfunkdirektor Heinz-Dieter Sommer.
hr2-kultur soll stattdessen im Internet-Zeitalter ein klareres Klassik-Profil bekommen, so der gelernte Musikwissenschaftler. Das bisherige Crossover-Musikangebot ist ihm zu unscharf:
"Und diese Unschärfe zu vermeiden in der Zukunft ist eine Konsequenz aus dem, was wir gesagt haben: Kulturberichterstattung stärker zu öffnen, stärker über das Netz zu machen, auch für ganz andere Zielgruppen. Und das erlaubt uns gleichzeitig an dieser Stelle eine stärkere Fokussierung."
Beliebte Sendungen vor dem Aus
Doch Rundfunkratsmitglied Nancy Faeser fragt sich, was mit wichtigen und beliebten Wortsendungen wird, die bisher auf hr2 angeboten wurden. Etwa die Gesprächssendung "Doppelkopf" oder das monothematische Magazin "Der Tag", das es seit einem Vierteljahrhundert gibt. Beide Sendungen erfüllen aus Sicht der hessischen SPD-Spitzenpolitikerin im besten Sinne den öffentlich-rechtlichen Bildungsauftrag:
"Es ist ein sehr, sehr hoher Anspruch, wenn ich zum Beispiel an das Dialog-Format von "Doppelkopf" denke, welche Persönlichkeiten dort vorgestellt wurden und werden. Oder auch "Der Tag", der sehr weitreichend Dinge mit politischem Hintergrund aufgreift. Das wäre schon sehr schade, wenn das auf einmal verschwinden würde und deswegen hoffe ich, dass es da vielleicht noch eine Lösung gibt." Über die Zukunft der beliebten Sendung "Der Tag" sei noch nicht entschieden worden, betont HR-Hörfunkdirektor Heinz-Dieter Sommer.
Online-Petition für hr2
Literaturbegeisterte Hörer wie Jürgen Richter machen sich vor allem Sorgen, was aus den vielen Literatursendungen und Lesungen wird, die hr2-kultur bisher anbot. Jürgen Richter, der auch Vorsitzender des Landesausschusses der Jüdischen Gemeinden in Hessen ist, hat eine Online-Petition für den Erhalt von hr2 mit seinen gehaltvollen Wortbeiträgen gestartet, die inzwischen mehrere tausend Menschen unterzeichnet haben:
"Dies mag jetzt etwas nostalgisch klingen oder bildungsbürgerlich, aber ich glaube, die Demokratisierung solcher Inhalte sollte weiterhin die Aufgabe des öffentlich-rechtlichen Hörfunks und Fernsehens sein. Es ist für mich ein Grund, Gebühren zu bezahlen, solche Angebote immer noch im Programm zu haben. Und wenn ich die nicht mehr habe, wenn sich das alles reduziert, auf schnell verwertbare Schonkost oder auf easy listening, dann denke ich, sind auch die Tage des öffentlich-rechtlichen Rundfunks gezählt."
Ina Hartwig ist die Kulturdezernentin der Stadt Frankfurt am Main. Auch für die Literaturszene der Stadt ist hr2 mit den bisherigen Rezensionsformaten wichtig, betont die ehemalige Literaturkritikerin der Frankfurter Rundschau.
Viel Gesprächsbedarf im Rundfunkrat
"Insofern kann nur davor warnen, sich von beliebten Formaten, um die hier jetzt beim hr die Hörerinnen und Hörer kämpfen, vorschnell zu trennen. Davor kann ich nur warnen. Denn Leserbindung, Zuschauerbindung, Hörerbindung ist ein hohes Gut. Das ist ja das, wovon die Medien ja letztlich leben und das sollte man sich zu Herzen nehmen."
Auch das ist Appell an den Rundfunkrat des Hessischen Rundfunks, der sich das nächste Mal am 23. August trifft. An Gesprächsbedarf wird es nicht mangeln.