In Ostafrika herrscht laut UN derzeit die schlimmste Heuschreckenplage in dieser Region seit 25 Jahren mit dramatischen Auswirkungen auf die Landwirtschaft. Damit wird die ohnehin schwierige Situation vor Ort verschärft. Klimawandel, Bürgerkriege und Terrormilizen stellen die Einwohner dieser Region seit Jahren vor große Herausforderungen
Christiane Knoll: Sie sollten sich einen Schwarm wie eine Naturkatastrophe vorstellen. Das hat Alexandre Latschininsky uns vor drei Wochen gesagt. Da hatten sich die Schwärme bereits über etliche Länder von Ostafrika bis nach Pakistan ausgebreitet. Bei der FAO, der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der UN ist Latchininsky für die Bekämpfung der riesigen Schwärme zuständig, eine Herkulesaufgabe, wenn die Schwärme erst einmal so groß sind und weil die Behörde noch dazu in Rom sitzt, kämpft der gebürtige Russe auch noch mit den Corona-Beschränkungen. Herr Latschininsky, man fragt sich, was schlimmer ist?
Alexandre Latchininsky: Gute Frage, das Corona-Virus trifft uns natürlich sehr, aber auch die Heuschreckenplage ist ziemlich ernst. Es wird auch nicht besser, weil sehr viele Schwärme Eier gelegt haben, und das Schlüpfen beginnt jetzt in weiten Teilen Ost-Afrikas.
Knoll: Die zweite Generation ist geschlüpft, mancherorts reift schon die dritte Generation: Wie ist die Situation im Moment. Wo sind die Schwärme und wie groß sind sie?
Latchininsky: Im Februar haben wir große Schwärme in fast allen Teilen Ostafrikas gesehen, in Kenia, Äthiopien, Eritrea, auch in Uganda und Tansania, die Ausdehnung nimmt sicher zu. Für März erwarten wir weitere Eiablagen. Das einzig Gute ist, dass es fast überall nur wenig Regen gab. Ausgenommen vielleicht die Südküste Sudans. Das macht die Bedingungen für die Eiablage nicht gerade optimal. Das wiederum bedeutet, dass die Schwärme vermutlich nach Norden ausweichen, nicht nach Osten wegen der vorherrschenden Winde.
Junge Pflanzen besonders gefährdet
Knoll: Welche Länder könnte es dabei treffen?
Latchininsky: Bedroht ist Südsudan. Sie wissen, die humanitäre Lage ist sehr kompliziert, es ist wirklich schwierig, dort die Kontrolle zu organisieren. Das andere Land ist Uganda, dort hat man wenig Erfahrung mit Heuschrecken. Ein Experte eruiert die Lage gerade, der Bericht steht noch aus.
Knoll: In der ersten Welle haben die Heuschrecken die natürliche Vegetation abgefressen, in der nächsten würden sie sich auf die Felder stürzen. Wie reagieren die Bauern? Säen sie trotzdem oder warten sie ab?
Latchininsky: Ja, im Moment beginnt die Aussaat. Von Verzögerungen habe ich nichts gehört, aber in der Tat ist das die größte Bedrohung. Die Schwärme werden die jungen Pflanzen angreifen, die noch sehr verletzlich sind.
Chemische Pestizide: "massive Auswirkungen auf die Umwelt"
Knoll: Was unternehmen Sie im Moment, um die Heuschrecken zu stoppen? Gibt es in Zeiten von Corona genug Geld und Personal, zumal ja auch die Mobilität eingeschränkt ist. Die FAO sitzt in Rom, das sind nicht die besten Bedingungen, um eine Heuschreckenplage zu bekämpfen.
Latchininsky: In Afrika läuft eine große Kampagne, auch ohne ständiges Eingreifen europäischer Experten. Im Moment beauftragen wir zum Beispiel für die verschiedenen Aspekte der Plage Experten aus Marokko, Mauretanien und anderen Westafrikanischen Ländern, weil sie nicht vom Coronavirus betroffen sind. Sie helfen ihren ostafrikanischen Kollegen unter anderem mit dem Training für die Leute, die die Bekämpfung dann ausführen und sprühen. Im Februar haben wir 123.000 Hektar behandelt, das ist durchaus eine beachtlich Fläche, obwohl wir das noch steigern werden, weil mehr Pestizide ankommen.
Je nach Habitat und Situation verwenden wir ganz unterschiedliche Methoden. Wichtig ist zum Beispiel, ob wir einen Schwarm haben oder gerade geschlüpfte Heuschrecken, die nicht fliegen sondern hüpfen. In Somalia zum Beispiel wurden große Flächen mit biologischen Mitteln besprüht, mit Pilzen. Was man hört, läuft das ganz gut.
In den meisten anderen Ländern werden chemische Pestizide verwendet, zumeist Organophosphate. Die sind sehr effektiv, töten Heuschrecken in Stunden. Aber die haben massive Auswirkungen auf die Umwelt, auf Insekten wie Honigbienen. Deshalb folgen wir einem strengen Kontroll-Plan während der Kampagnen bis hin zum Säubern und Entsorgen der Pestizid-Behälter. Was auch ein großes Problem ist.
"Es ist nicht vorbei"
Knoll: Eine Prognose ist sicher nicht leicht, aber kann man sich vorstellen, dass Sie die Plage in den nächsten Monaten unter Kontrolle bekommen?
Latchininsky: Die Situation wird im März sehr kompliziert bleiben, im April wird die Entwicklung sehr vom Wetter und den Niederschlägen abhängen. Im Moment versuchen wir die Zahl der Heuschrecken aber soweit es geht zu reduzieren, damit sie nicht so viele Eier legen und nicht so viele Nachkommen produzieren können.
Knoll: Wir haben nicht von Asien gesprochen. Saudi Arabien ist betroffen, wie sieht es in Pakistan aus?
Latchininsky: Die gute Nachricht ist, dass es in Pakistan und Südiran sehr wenig geregnet hat. Die Heuschrecken-Vermehrung ist dort nicht sehr erfolgreich. Aber es ist nicht vorbei. Es geht weiter zwischen Indien und Pakistan und in Südiran. Wir erwarten das Schlüpfen der nächsten Generation nächste Woche, also in der dritten Märzwoche.