Für Dietrich Krauß haben Satire und Journalismus viele Überschneidungspunkte. Der Journalist und Autor schreibt u.a. für die Satire-Sendungen "heute-show" und "Die Anstalt" und hat das Buch "Die Rache des Mainstreams an sich selbst" veröffentlicht.
"Wenn man es schafft, in Themen Widersprüche aufzudecken, ist man meistens an entscheidenden Punkten: Da deckt sich die humoristische Herangehensweise mit der journalistischen."
Satire könne nur existieren, wenn andere journalistische Vorarbeit geleistet haben. Allerdings gehe sie noch etwas weiter. Zum einen konzentriere sich Satire auf die Widersprüche von Themen - "da liegt dann auch meistens der Witz", meint Kraus.
Satiriker hätten dabei das Privileg sehr direkt formulieren zu können, während Journalistinnen und Journalisten Themen aus einer objektiveren Position beschreiben müssten, könnten sich Satirikerinnen und Satiriker viel stärker "mit der berühmten guten Sache gemein machen".
Die Formate von Satire
Auch der Kommunikationswissenschaftler Dennis Lichtenstein hält Satire eher für "eine gute Ergänzung", weniger für einen Ersatz von klassischen Informationsangeboten. Satire könne zwar auch informieren, aber vor allem in der Meinungsfunktion liege ihre Stärke: "Idealerweise liefern journalistische Publikationen Informationen, eine sachliche Auseinandersetzung. Satire kann eine zusätzliche Orientierungsfunktion bringen, kann einen moralischen Kompass dazuliefern."
In einer quantitative Inhaltsanalyse hat Lichtenstein die Politikdarstellung in deutschen Satiresendungen untersucht. Dafür wertete er 154 Ausgaben der ZDF-Sendungen "Die Anstalt" und "heute-show" sowie des "Neo Magazin Royale" aus.
In vielen Satireangeboten würden sich starke journalistische Kompetenzen zeigen, so Lichtenstein. Im Wesentlichen gehe es aber um die Diskussion und Bewertung von Informationen, die es im öffentlichen Diskurs ohnehin schon gebe.
Generell wirke Satire oft als "politische Einstiegsdroge", so Lichtenstein: "Idealerwiese mobilisieren Satireangebote ein weiterführendes Interesse, fordern zur weiterführenden Informationssuche auf und zur Diskussion von politischen Themen".
Die verschiedenen Formate würden sich allerdings darin unterscheiden, wie stark sie politische Informationen kontextualisierten und inwieweit explizit Position zu politischen Themen bezogen werden.
Lichtenstein macht hier zwei Formen fest: zum einen Satire, die zur inhaltlichen Auseinandersetzung und zum Nachdenken anregt, die er als "produktive Satire" bezeichnet. Hierzu zählt der Kommunikationswissenschaftler zum Beispiel "Die Anstalt".
Dem gegenüber stellt er die "pseudokritische Satire", in der inhaltliche Bezugspunkt vage blieben und die den Zuschauer mit einem kritischen Gefühl zurücklassen würde. Aus Sicht von Lichtenstein macht dies das "Neo Magazin Royale". Es habe den geringsten politischen Inhalt und bleibe auch in den Bewertungen vage.
Das Publikum von Satire
Das Publikum von Satireshows ist laut Lichtenstein jung, aber politisch interessiert: Zwar sinke die Nutzung von traditionellen Nachrichtenmedien schon seit Jahren deutlich, doch es gebe alternative Medienangebote im Internet. "Zum großen Teil sind das aber auch Satireangebote, die dann Politik und gesellschaftliche Themen unterhaltsam aufarbeiten und das Gefühl vermitteln, dass man sich über Politik und Gesellschaft informiert hat".
Während sich Lichtenstein mit der Politikdarstellung von Satire beschäftigt hat, hat Christiane Grill die Wirkung von Satire untersucht. Die Kommunikationswissenschaftlerin forscht am Zentrum für Europäische Sozialforschung der Universität Mannheim und hat sich insbesondere mit den US-Satire-Shows "Late Show" und "Daily Show" befasst.
Die Late-Night-Shows würden insbesondere heranwachsende junge Menschen erreichen: 16- bis 25-Jährige, die politische Informationen kaum noch durch klassische Medien wie Fernsehen oder Zeitungen rezipieren würden.
Zudem erreichten die Formate meist eher Gleichgesinnte. Satiriker seien selbst meist eher liberale Personen und auch das Publikum sei liberal: "Man ist also eher in einer Filterblase, wo Gleichgesinnte sehr, sehr ähnliche Einstellung austauschen. Dass sich konservativ Eingestellte der Satire widmen, ist eigentlich kaum der Fall", meint Grill. Zudem sei Satire ein sehr weißes und männliches Genre.
Die Wirkung von Satire
"Satire vermittelt sehr, sehr unterschwellig Informationen", meint die Kommunikationswissenschaftlerin. Den Zuschauern von Satiresendungen gehe es zu allererst nicht darum, sich zu informieren, sondern sich zu unterhalten. Politische Informationen würden eher nebenbei vermittelt, "wodurch man tatsächlich auch Leute erreicht, die sich vielleicht ansonsten gar nicht für politische Informationen interessieren würden", so Grill.
Dies sei ein Beispiel für die positive Wirkung von Satire. Dadurch, dass sie sehr humoristisch Informationen vermittle, könne eine gewisse Überzeugungsarbeit geleistet werden: "Satire fällt es leicht, Aufmerksamkeit und Interesse zu erzeugen". Das könne im besten falle zu politischer Partizipation beitragen.
Allerdings könne sich Satire auch negativ auswirken, meint Grill: "Wenn man gerade politisches Geschehen und Politiker humoristisch darstellt, kann das dazu führen, dass Menschen zynischer werden, das Vertrauen und Glauben verlieren, dass sie in der Politik etwas bewegen können. Denn oft wird Politik als korrupt und falsch dargestellt."
Der Wandel von Satire
Generell sei politische Satire in den vergangenen Jahren - geprägt von politischen Entwicklungen wie der Präsidentschaft von Donald Trump - ernster und auch emotionaler geworden, meint Christiane Grill: "Früher war es vielleicht naiver, unterhaltender - jetzt geht es in die seriösere, schärfere Richtung".
Auch Satire-Autor Dietrich Krauß macht eine Veränderung in der Satire der vergangenen Jahre fest, die auch mit einer "gewissen Unzufriedenheit" der Nutzer von klassischen Informationsangeboten zusammen hänge: "Dass Satire so eine Bedeutung hat, hat vielleicht damit zu tun, dass Journalismus ein bisschen zu brav geworden ist und zu wenig an Widerspruch ausstrahlt."
Oft habe dem Journalismus in den letzten Jahren eine Reflektionsdistanz gefehlt, meint Krauß. Viele Journalisten würden ein ganz bestimmtes Framing transportieren. "Früher war man gar nicht mehr gewohnt, ein System in Frage zu stellen. Mit der Flüchtlings- und Finanzkrise hat das System Risse bekommen. Jetzt muss man sich plötzlich klar werden: Wie stehen wir zu diesem System?"
Das öffnet nach Ansicht von Krauß ein Feld für Satire: sie könne alternativen Perspektiven Raum geben, die in den klassischen Nachrichten öfter mal zu kurz kommen würden. Allerdings könne Satire niemals das leisten, was der Journalismus leistet. Zudem begebe man sich permanent auf eine Gratwanderung: "Wie kommuniziert man eine haltungsstarke Satire in einem Umfeld, dass eh schon von starken Polemiken im Netz geprägt ist?"
Hier seien die Macherinnen und Macher von Satire in der Verantwortung, eine zunehmende Zuspitzung und Polemisierung von Debatten nicht noch weiter zu treiben.