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"Hier geht es auch um das Ansehen unseres Landes"

Die Kirchenbeauftragte der Unionsfraktion, Ingrid Fischbach, hält die Forderung von Bundeskanzlerin Merkel nach klaren Worten des Papstes in der Holocaust-Debatte für richtig. In der Bundesrepublik sei das Leugnen der Judenvernichtung ein Straftatbestand, sagte Frau Fischbach. Daher sei es angebracht, dass die Kanzlerin in dieser Frage Position beziehe. Dabei gehe es auch um das Ansehen Deutschlands.

Ingrid Fischbach im Gespräch mit Friedbert Meurer |
    Friedbert Meurer: Das war schon ziemlich ungewöhnlich gestern: Die Bundeskanzlerin kritisiert den Papst, oder sie fordert ihn öffentlich zumindest auf, etwas klarzustellen. Angela Merkel ist nicht nur Kanzlerin, sondern Vorsitzende der CDU, einer christlichen Partei, und normalerweise würde sie sich in einer solchen Art und Weise nicht in die Belange des Papstes einmischen, hat die Kanzlerin gestern selbst so formuliert. Es sei allgemein nicht an ihr, innerkirchliche Entscheidungen zu bewerten oder zu kommentieren. Aber jetzt hat sie es doch getan. In Berlin begrüße ich die Kirchenbeauftragte der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Ingrid Fischbach. Guten Morgen, Frau Fischbach!

    Ingrid Fischbach: Guten Morgen, Herr Meurer.

    Meurer: War das richtig, was die Kanzlerin gestern gemacht hat?

    Fischbach: Ich denke schon. Es ist für uns Deutsche natürlich etwas anderes als vielleicht für andere Nationen. Für uns ist die Leugnung des Holocaust ein Straftatbestand und ich glaube, da macht es Sinn, dass auch die Kanzlerin Position ergreift und hier um Klarstellung bittet. Es geht nicht darum - und das hat Frau Adler sehr deutlich gesagt und auch sehr richtig gesagt -, uns in innerkirchliche Debatten und Diskussionen einzumischen, aber hier geht es auch um das Ansehen unseres Landes und da war es richtig, dass die Kanzlerin sich geäußert hat.

    Meurer: Stellt die Kanzlerin damit Papst Benedikt nicht bloß?

    Fischbach: Nein, überhaupt nicht. Ich glaube, es ist auch wirklich nicht - auch das hat Frau Adler gerade schon gesagt - an der Zeit zu sagen, der Papst würde sich antisemitisch verhalten. Ich glaube, seine gesamte Vita, wenn man die Schriften aus früheren Jahren liest - man weiß, wie er zum Judaismus steht, dass er wirklich ein großer Freund auch des Dialoges ist -, dann kann man davon ausgehen, dass er eher die Absicht hatte, hier innerkirchlich zu wirken, ein Schisma der Katholischen Kirche zu überwinden und hier für Annäherung zu sorgen.

    Meurer: Aber die Kanzlerin kritisiert den Papst öffentlich, dass das, was er letzte Woche gesagt hat, zu wenig sei. Wir hören uns mal kurz an, was Papst Benedikt letzte Woche bei der Audienz gesagt hatte.

    Papst Benedikt XVI.: "Millionen Juden wurden unschuldige Opfer eines blinden rassistischen und religiösen Hasses. Ich erneuere deshalb mein Bekenntnis meiner vollen und unerschütterlichen Solidarität mit ihnen."

    Meurer: Was soll der Papst zusätzlich noch sagen?

    Fischbach: Ich glaube, es geht vielleicht darum, wie er mit den Bischöfen, deren Exkommunikation er aufgehoben hat, zukünftig umgeht. Vielleicht kann man doch Bedingungen daran knüpfen. Das würde ich mir auch vom Heiligen Vater wünschen, dass interne Konsequenzen daraus gezogen werden, dass man - ich weiß es nicht - vielleicht Williamson darauf hinbringen kann, dass er auf sein Bischofsamt verzichtet, damit eben die Suspendierung der anderen Bischöfe nicht in Gefahr gerät. Da muss man vielleicht kirchenintern noch mal schauen, um noch mal konkretere Maßnahmen auf den Weg zu bringen.

    Meurer: Papst Benedikt - wir erinnern uns - hatte es sich auch mit vielen Muslimen verscherzt, als er den byzantinischen Kaiser Manuel zitiert hatte, Mohammed habe nur Schlechtes in die Welt gebracht. Jetzt diese neue Situation. Wie erklären Sie es sich, Frau Fischbach, dass sich Papst Benedikt wiederholt so in die Bredouille bringt?

    Fischbach: Ich habe auch keine konkrete Antwort darauf. Das können Sie mir glauben. Es gibt sicherlich viele Fragezeichen, wenn man an die Abläufe denkt, die zeitlichen Abläufe auch. Für mich ist es auch unverständlich, wenn ich mir den Zeitpunkt angucke, wann das Dekret bezüglich der Exkommunikation auf den Weg gebracht wurde. Das war sicherlich nicht glücklich. Wenn man die Abläufe innerhalb des Vatikans kennt, dann denkt man, manchmal hat es vielleicht politische Strukturen. Ich will nicht sagen, da weiß die rechte Hand nicht, was die linke tut. Aber es gibt sicherlich Situationen, wo Kommissionen für sich arbeiten, zu Ergebnissen kommen, die dann vortragen, ohne das Gesamte im Blick zu haben. Vielleicht fehlt es intern noch an Absprachen.

    Meurer: Vielleicht ist es auch so, dass Papst Benedikt eben nicht das Gesamte im Blick hat, sondern einseitig eine bestimmte Richtung in der Katholischen Kirche fördert?

    Fischbach: Ich glaube schon, dass er das Gesamte im Blick hat. Man muss sich die Reden anschauen, auch jetzt seine Äußerungen am letzten Mittwoch, die ganz klar und ganz eindeutig sind. Ich nehme jetzt mal nur die Äußerungen auch innerhalb Israels, die nicht sagen, der Papst darf nicht mehr nach Israel kommen - der Besuch steht an -, sondern wenn ich den Rabbiner Rosen nehme, der auch deutlich sagt, das jüdisch-katholische Verhältnis ist nicht in Gefahr, sondern da gibt es Klärungsbedarf, man muss das Gespräch suchen. Ich glaube, dass Benedikt schon darauf aus ist, auch das Gespräch, den Dialog zu suchen, wie es das zweite Vatikanum auch vorgibt.

    Meurer: Er könnte auch zum Beispiel auf die Befreiungstheologen in Lateinamerika zugehen.

    Fischbach: Ich glaube, auch hier gibt es sicherlich noch Bedarfe, die er auch erkennen wird - das hoffe ich - und dann auch dementsprechend reagieren wird. Es gibt eine ganze Menge zu tun und ich glaube schon, dass es für uns jetzt eine andere Situation ist, weil es ein deutscher Papst ist - gar keine Frage - und wir natürlich wesentlich genauer hinschauen, was auch richtig ist, und uns das eine oder andere vielleicht auch noch stärker von ihm wünschen, als das vielleicht andere gläubige Christen in der Welt tun.

    Meurer: Als die Kanzlerin dafür gesorgt hatte, dass Martin Hohmann die Fraktion verlassen muss, als er Günther Oettinger öffentlich kritisiert hat, da gab es Kritik im konservativen Lager der Union. Könnte sich so was jetzt wiederholen?

    Fischbach: Natürlich gibt es auch konservative christliche Gruppen und katholische Gruppen. Das leugne ich gar nicht, das wissen Sie auch. Man muss hier für den Ausgleich sorgen und ich glaube, es ist richtig, dass der Papst zwar die Exkommunikation aufgehoben hat, aber er hat den vier Bischöfen ja nicht erlaubt, weiterhin ihr bischöfliches Amt auszuüben. Das heißt, die Suspendierung ist ja nicht aufgehoben. Ich glaube, es macht wirklich Sinn, sich auf das zweite Vatikanum zu beziehen, deutlich zu machen, dass hier der Dialog mit anderen Religionen, mit der Ökumene ganz, ganz wichtig ist.

    Meurer: Aber ich verstehe Sie recht, es wird schon Kritik im Unionslager an der Kanzlerin geben?

    Fischbach: Das weiß ich jetzt nicht. Wir haben eine sitzungsfreie Woche. Aber wir haben auch konservative Flügel, gar keine Frage, und dass ein kritisches Wort fällt, könnte ich mir vorstellen. Ich glaube es aber nach der jetzigen Diskussion nicht.

    Meurer: Ingrid Fischbach, die Kirchenbeauftragte der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, bei uns im Deutschlandfunk. Schönen Dank, Frau Fischbach, und auf Wiederhören nach Berlin.