Anne Raith: Vom "Fluch der Karibik" war schon die Rede, als sich CDU, FDP und Grüne im Sommer 2009 zur Jamaika-Koalition zusammenschlossen. Ob tatsächlich ein Fluch über der Koalition lag, oder nur über einem Koalitionspartner, nämlich der FDP, daran scheiden sich wohl die Geister. Die Jamaika-Koalition jedenfalls hat die CDU-Ministerpräsidentin Ende vergangener Woche aufgekündigt.
Inzwischen haben sich die Christdemokraten mit der SPD auf Sondierungsgespräche geeinigt. Was geschehen ist und was geschehen wird, das wollen wir nun noch einmal näher besprechen: mit der Ministerpräsidentin des Saarlandes, mit Annegret Kramp-Karrenbauer. Einen schönen guten Morgen!
Annegret Kramp-Karrenbauer: Hallo! Guten Morgen.
Raith: Wie erleichtert sind Sie eigentlich, die Chaos-Truppe FDP los zu sein?
Kramp-Karrenbauer: Man kann nicht von Erleichterung reden, sondern das war eine der schwersten, wenn nicht überhaupt die schwerste politische Entscheidung, die ich persönlich bisher zu treffen hatte, mit sehr vielen persönlichen Einwirkungen auch. Es ist ungeheuer schwer, wenn man Kollegen, mit denen man ja durchaus gut zusammengearbeitet hat, auch im Kabinett, wenn man denen sagen muss, dass man diese Zusammenarbeit beendet. Insofern ist das nach wie vor eine sehr ernste Situation, die mich auch sehr beschäftigt und auch stellenweise sehr bedrückt.
Raith: Persönlich, sagen Sie, war das Verhältnis. Der Abschied wirkte aber zumindest nach außen eher unpersönlich. Gerade in der Bundes-FDP sorgt Ihr Verhalten noch immer für, gelinde gesagt, Unverständnis. Schildern Sie doch noch mal aus Ihrer Sicht, was vergangene Woche Ihre Beweggründe waren, sich aus der Jamaika-Koalition zu verabschieden.
Kramp-Karrenbauer: Wir haben ja schon einen längeren Vorlauf, weit vor Weihnachten und dann insbesondere auch zwischen den Tagen, in denen man erlebt hat und erleben musste, dass die Verhältnisse innerhalb der Fraktion der FDP und im Landesvorstand der FDP-Saar immer unwägbarer geworden sind. Ich habe in vielen Gesprächen gerade auch vor Weihnachten versucht, einzuwirken, versucht, auch Lösungen mit herbeizuführen. Das ist sozusagen immer am Verhalten auch des Führungspersonals gescheitert.
Für mich hat sich zwischen den Tagen auch gerade in meinem Urlaub die Frage gestellt, wie geht es weiter, gibt es die Perspektive für eine nachhaltige Erholung der FDP gerade im Saarland und bietet sich dadurch auch die Stabilität, die die Regierung im Saarland braucht, um die schwierigen Fragen, die vor uns liegen, auch zu bewältigen. Und letztendlich hat sich mir auch die ganz persönliche Frage gestellt, ob ich im Zweifel und wenn es hart auf hart kommt auch bereit bin, das Risiko einzugehen, mein eigenes Amt zur Verfügung zu stellen.
Beide Fragen und insbesondere die persönliche habe ich zwischen den Tagen für mich beantwortet und ich habe an dem ersten Tag, an dem ich in das Amt zurückgekehrt bin, gesagt, ich will mir ein eigenes Bild machen. Ich habe sehr viele Gespräche geführt, unter anderem auch mit dem Landesvorsitzenden der FDP-Saar, und in diesen Gesprächen und in den Beratungen mit meinem engsten Führungskreis auch der CDU hat sich die Erkenntnis bei allen wirklich durchgesetzt, dass wir kein Vertrauen mehr darin haben, dass die FDP mit diesem Führungspersonal an der Saar eine entsprechende Konsolidierung hinbekommt.
Raith: Und dann haben Sie just das Dreikönigstreffen gewählt?
Kramp-Karrenbauer: Das ganze hat dann auch Freitag eine Dynamik bekommen, weil es noch mal weitere Presseanfragen und Vorwürfe gab mit Blick auf das Thema Dienstwagengebrauch in der FDP-Landtagsfraktion, und aufgrund dieser Dynamik habe ich mich dann auch entschieden, nach Absprache mit meinen Führungsleuten, diesen Schritt zu gehen.
Raith: Frau Kramp-Karrenbauer, just am Dreikönigstag, just da, als die FDP den Aufbruch feiern wollte.
Kramp-Karrenbauer: Dabei habe ich in keinster Weise die Terminplanung der FDP auf Bundesebene im Blick gehabt.
Raith: Aber just am Dreikönigstag, als die FDP den Aufbruch feiern wollte, kommen Sie mit dieser Meldung. Der Parteivorsitzende sprach 15 Minuten, da kam die Meldung aus dem Saarland, die Koalition platzt. Dass der Zeitpunkt zumindest unglücklich gewählt war, das ist Ihnen doch schon bewusst.
Kramp-Karrenbauer: Also es gibt hier Abläufe im Saarland, es gibt Ursachen im Saarland und es gibt Zeitabläufe und Dynamiken im Saarland, und ich bin hier gewählt als Ministerpräsidentin des Saarlandes und trage Verantwortung auch als Chefin hier im Saarland, und das ist das, was mich bewegt, und keine anderen Terminpläne.
Raith: Also hätten Sie nicht abwarten können?
Kramp-Karrenbauer: Nein, das war in dieser Situation nicht mehr machbar, und deswegen ist es auch falsch und ist eine Legende, hier davon zu sprechen, das sei Kalkül gewesen. Das waren Abläufe, die wirklich der Situation im Saarland geschuldet waren, und diese Verantwortung trage ich.
Raith: Waren Sie denn zu diesem Zeitpunkt schon sicher, dass die SPD Gesprächen zustimmen wird? Auch hier heißt es, da sind Sie mit Kalkül herangegangen.
Kramp-Karrenbauer: Auch hier gibt es Legenden, die jetzt natürlich gestrickt werden. Es ist ein Risiko, es ist nach wie vor ein Risiko, wir werden in Sondierungen gehen, es steht nicht fest, ob es zur Großen Koalition kommen wird. Wir haben beide erklärt, die Frage ist, ob wir eine tragfähige Grundlage für die politischen Fragen im Saarland finden werden, und wir haben, sowohl SPD als auch ich, schon am Freitag erklärt, wenn sich diese Grundlage nicht finden lässt, dann wird es Neuwahlen geben, und dazu stehen wir auch, gerade auch als CDU-Saar hier im Saarland.
Raith: Wir haben zu Beginn dieser Stunde in die Grundlagen oder mögliche Grundlagen hereingehört. Noch vor einem halben Jahr waren Sie der Ansicht, der konstruktive Beitrag der SPD für das Saarland sei gleich null. Was hat sich da geändert?
Kramp-Karrenbauer: Wir haben natürlich – und das kann man auch nicht wegdiskutieren – politische Differenzen, das ist nach wie vor so. Wir haben uns auch in Fragen des Landes gestritten. Es gibt aus meiner Sicht eine Veränderung, eine entscheidende Veränderung bei der SPD, die war auch im Zuge der letzten Haushaltsberatungen zu spüren. Das ist eine Akzeptanz auch der Tatsache, dass wir im Saarland der Schuldenbremse unterliegen und dass sich deshalb auch Politik an der Einhaltung der Schuldenbremse orientieren muss. Es gibt durchaus auch an der einen oder anderen Stelle konstruktive Zusammenarbeiten, etwa in dem Maße, wie wir Polizeireform auch gemeinsam entwickelt haben und die SPD diese Polizeireform im Land auch mitgetragen hat, oder bei der Neuaufstellung der Energiewirtschaft. Auch da gibt es Zusammenarbeiten, die zeigen, dass eine konstruktive Zusammenarbeit durchaus im Bereich des Möglichen ist. Aber sie ist noch nicht in trockenen Tüchern, sie muss jetzt erst verhandelt werden.
Raith: Inwieweit ist denn die CDU bereit, der SPD entgegenzugehen, um Neuwahlen zu vermeiden?
Kramp-Karrenbauer: Es ist klar, dass, wenn man Koalitionsgespräche führt, man immer auch seine Positionen miteinander austauscht und dass es letztendlich immer auch Kompromisse sind, die man schließt und schließen muss. Für uns ist die Messlatte, ob diese Kompromisse mit unseren Grundeinstellungen vereinbar sind, und vor allen Dingen, ob das, was man an politischen Lösungen und Strukturen findet, die dauerhafte Stabilität bringt, um die entscheidenden Strukturfragen, die wir angehen müssen, und zwar mit Blick auf das gesamte Jahrzehnt, das vor uns liegt, und der Einhaltung der Schuldenbremse, ob wir das entsprechend schaffen werden. Und wenn wir das Gefühl haben, dass wir diese Messlatte halten können, dann kann man, glaube ich, auch einer Großen Koalition von unserer Sicht aus zustimmen. Wenn wir das Gefühl haben, dass das nicht möglich ist, dann muss man sich auch mit der Situation und mit der Möglichkeit der Neuwahl auseinandersetzen.
Raith: Wären Neuwahlen nicht von vornherein eine sauberere Lösung, wie es jetzt Grüne, Linke und ja auch einige SPD-Politiker fordern, einfach die Regierungsarbeit neu bewerten zu lassen?
Kramp-Karrenbauer: Man muss sehen, dass wir in einer ja nicht einfachen Situation im Saarland sind. Es stehen viele strukturelle Entscheidungen an. Neuwahlen bedeuten natürlich auch einen gewissen politischen Stillstand, ein Vakuum von mehreren Monaten…
Raith: Auch eine Gefahr für die CDU.
Kramp-Karrenbauer: … einfach weil Wahlen auch nicht von heute auf morgen zu organisieren sind, alleine auch wegen der formalen Vorgaben an Listenaufstellungen, an andere Dinge. Und deswegen ist es, glaube ich, ein ganz normales parlamentarisches Verhalten, auch zu sagen, im Rahmen von bestehenden Mehrheitsverhältnissen, dass man zuerst einmal sondiert und miteinander austauscht, ob es die Möglichkeit der Regierungsbildung gibt. Aber wenn es diese Möglichkeit nicht gibt, dann muss man in der Tat auch zu Neuwahlen greifen.
Raith: Aber damit sichern Sie sich erst einmal Ihre Position und Sie schieben ja auch die Schuld des Scheiterns allein der FDP zu, indem Sie sagen, wir machen weiter.
Kramp-Karrenbauer: Es ist ein Punkt, die Frage war für uns und gerade auch für mich, ob ich auch mit Blick auf die Verantwortung, die wir gemeinsam und die ich im Land trage, und die Fragen, die gelöst werden müssen, ob wir diese Fragen in einer stabilen Regierung mit stabilen Regierungspartnern lösen können. Und die Überlegung und die Entscheidung fiel in der Tat vor dem Hintergrund des verloren gegangenen Vertrauens in einen Koalitionspartner, und das ist die FDP im Saarland. Das sind ganz eigene, Saarland-spezifische Gründe, die insbesondere dort mit handelnden Personen zusammenhängen und die nur darin ihre Ursachen haben.
Raith: Saarland-spezifische Gründe, sagen Sie, Frau Kramp-Karrenbauer. Zu Beginn habe ich Sie gefragt, wie erleichtert Sie waren. Abschließend nun die Frage: Wie erleichtert haben denn die Parteikollegen in Berlin reagiert?
Kramp-Karrenbauer: Ich habe mich mit den Parteikollegen in Berlin im Vorfeld kurz ausgetauscht, habe informiert, dass die Koalition in einer schwierigen Situation ist. Wir haben auch Für und Wider abgewogen. Es gab keine Direktive, auch keinen Ratschlag, und sicherlich waren auch die Kollegen in Berlin von der Dynamik am Freitag überrascht. Ich sage noch mal: Das ist eine Entscheidung, die sehr autark im Saarland getroffen wurde und die vor allen Dingen Ursachen im Saarland hat und natürlich auch Auswirkungen im Saarland hat.
Raith: Sagt die Ministerpräsidentin des Saarlandes, die CDU-Politikerin Annegret Kramp-Karrenbauer, im Gespräch mit dem Deutschlandfunk. Haben Sie herzlichen Dank!
Kramp-Karrenbauer: Bitte schön! Auf Wiederhören.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
Inzwischen haben sich die Christdemokraten mit der SPD auf Sondierungsgespräche geeinigt. Was geschehen ist und was geschehen wird, das wollen wir nun noch einmal näher besprechen: mit der Ministerpräsidentin des Saarlandes, mit Annegret Kramp-Karrenbauer. Einen schönen guten Morgen!
Annegret Kramp-Karrenbauer: Hallo! Guten Morgen.
Raith: Wie erleichtert sind Sie eigentlich, die Chaos-Truppe FDP los zu sein?
Kramp-Karrenbauer: Man kann nicht von Erleichterung reden, sondern das war eine der schwersten, wenn nicht überhaupt die schwerste politische Entscheidung, die ich persönlich bisher zu treffen hatte, mit sehr vielen persönlichen Einwirkungen auch. Es ist ungeheuer schwer, wenn man Kollegen, mit denen man ja durchaus gut zusammengearbeitet hat, auch im Kabinett, wenn man denen sagen muss, dass man diese Zusammenarbeit beendet. Insofern ist das nach wie vor eine sehr ernste Situation, die mich auch sehr beschäftigt und auch stellenweise sehr bedrückt.
Raith: Persönlich, sagen Sie, war das Verhältnis. Der Abschied wirkte aber zumindest nach außen eher unpersönlich. Gerade in der Bundes-FDP sorgt Ihr Verhalten noch immer für, gelinde gesagt, Unverständnis. Schildern Sie doch noch mal aus Ihrer Sicht, was vergangene Woche Ihre Beweggründe waren, sich aus der Jamaika-Koalition zu verabschieden.
Kramp-Karrenbauer: Wir haben ja schon einen längeren Vorlauf, weit vor Weihnachten und dann insbesondere auch zwischen den Tagen, in denen man erlebt hat und erleben musste, dass die Verhältnisse innerhalb der Fraktion der FDP und im Landesvorstand der FDP-Saar immer unwägbarer geworden sind. Ich habe in vielen Gesprächen gerade auch vor Weihnachten versucht, einzuwirken, versucht, auch Lösungen mit herbeizuführen. Das ist sozusagen immer am Verhalten auch des Führungspersonals gescheitert.
Für mich hat sich zwischen den Tagen auch gerade in meinem Urlaub die Frage gestellt, wie geht es weiter, gibt es die Perspektive für eine nachhaltige Erholung der FDP gerade im Saarland und bietet sich dadurch auch die Stabilität, die die Regierung im Saarland braucht, um die schwierigen Fragen, die vor uns liegen, auch zu bewältigen. Und letztendlich hat sich mir auch die ganz persönliche Frage gestellt, ob ich im Zweifel und wenn es hart auf hart kommt auch bereit bin, das Risiko einzugehen, mein eigenes Amt zur Verfügung zu stellen.
Beide Fragen und insbesondere die persönliche habe ich zwischen den Tagen für mich beantwortet und ich habe an dem ersten Tag, an dem ich in das Amt zurückgekehrt bin, gesagt, ich will mir ein eigenes Bild machen. Ich habe sehr viele Gespräche geführt, unter anderem auch mit dem Landesvorsitzenden der FDP-Saar, und in diesen Gesprächen und in den Beratungen mit meinem engsten Führungskreis auch der CDU hat sich die Erkenntnis bei allen wirklich durchgesetzt, dass wir kein Vertrauen mehr darin haben, dass die FDP mit diesem Führungspersonal an der Saar eine entsprechende Konsolidierung hinbekommt.
Raith: Und dann haben Sie just das Dreikönigstreffen gewählt?
Kramp-Karrenbauer: Das ganze hat dann auch Freitag eine Dynamik bekommen, weil es noch mal weitere Presseanfragen und Vorwürfe gab mit Blick auf das Thema Dienstwagengebrauch in der FDP-Landtagsfraktion, und aufgrund dieser Dynamik habe ich mich dann auch entschieden, nach Absprache mit meinen Führungsleuten, diesen Schritt zu gehen.
Raith: Frau Kramp-Karrenbauer, just am Dreikönigstag, just da, als die FDP den Aufbruch feiern wollte.
Kramp-Karrenbauer: Dabei habe ich in keinster Weise die Terminplanung der FDP auf Bundesebene im Blick gehabt.
Raith: Aber just am Dreikönigstag, als die FDP den Aufbruch feiern wollte, kommen Sie mit dieser Meldung. Der Parteivorsitzende sprach 15 Minuten, da kam die Meldung aus dem Saarland, die Koalition platzt. Dass der Zeitpunkt zumindest unglücklich gewählt war, das ist Ihnen doch schon bewusst.
Kramp-Karrenbauer: Also es gibt hier Abläufe im Saarland, es gibt Ursachen im Saarland und es gibt Zeitabläufe und Dynamiken im Saarland, und ich bin hier gewählt als Ministerpräsidentin des Saarlandes und trage Verantwortung auch als Chefin hier im Saarland, und das ist das, was mich bewegt, und keine anderen Terminpläne.
Raith: Also hätten Sie nicht abwarten können?
Kramp-Karrenbauer: Nein, das war in dieser Situation nicht mehr machbar, und deswegen ist es auch falsch und ist eine Legende, hier davon zu sprechen, das sei Kalkül gewesen. Das waren Abläufe, die wirklich der Situation im Saarland geschuldet waren, und diese Verantwortung trage ich.
Raith: Waren Sie denn zu diesem Zeitpunkt schon sicher, dass die SPD Gesprächen zustimmen wird? Auch hier heißt es, da sind Sie mit Kalkül herangegangen.
Kramp-Karrenbauer: Auch hier gibt es Legenden, die jetzt natürlich gestrickt werden. Es ist ein Risiko, es ist nach wie vor ein Risiko, wir werden in Sondierungen gehen, es steht nicht fest, ob es zur Großen Koalition kommen wird. Wir haben beide erklärt, die Frage ist, ob wir eine tragfähige Grundlage für die politischen Fragen im Saarland finden werden, und wir haben, sowohl SPD als auch ich, schon am Freitag erklärt, wenn sich diese Grundlage nicht finden lässt, dann wird es Neuwahlen geben, und dazu stehen wir auch, gerade auch als CDU-Saar hier im Saarland.
Raith: Wir haben zu Beginn dieser Stunde in die Grundlagen oder mögliche Grundlagen hereingehört. Noch vor einem halben Jahr waren Sie der Ansicht, der konstruktive Beitrag der SPD für das Saarland sei gleich null. Was hat sich da geändert?
Kramp-Karrenbauer: Wir haben natürlich – und das kann man auch nicht wegdiskutieren – politische Differenzen, das ist nach wie vor so. Wir haben uns auch in Fragen des Landes gestritten. Es gibt aus meiner Sicht eine Veränderung, eine entscheidende Veränderung bei der SPD, die war auch im Zuge der letzten Haushaltsberatungen zu spüren. Das ist eine Akzeptanz auch der Tatsache, dass wir im Saarland der Schuldenbremse unterliegen und dass sich deshalb auch Politik an der Einhaltung der Schuldenbremse orientieren muss. Es gibt durchaus auch an der einen oder anderen Stelle konstruktive Zusammenarbeiten, etwa in dem Maße, wie wir Polizeireform auch gemeinsam entwickelt haben und die SPD diese Polizeireform im Land auch mitgetragen hat, oder bei der Neuaufstellung der Energiewirtschaft. Auch da gibt es Zusammenarbeiten, die zeigen, dass eine konstruktive Zusammenarbeit durchaus im Bereich des Möglichen ist. Aber sie ist noch nicht in trockenen Tüchern, sie muss jetzt erst verhandelt werden.
Raith: Inwieweit ist denn die CDU bereit, der SPD entgegenzugehen, um Neuwahlen zu vermeiden?
Kramp-Karrenbauer: Es ist klar, dass, wenn man Koalitionsgespräche führt, man immer auch seine Positionen miteinander austauscht und dass es letztendlich immer auch Kompromisse sind, die man schließt und schließen muss. Für uns ist die Messlatte, ob diese Kompromisse mit unseren Grundeinstellungen vereinbar sind, und vor allen Dingen, ob das, was man an politischen Lösungen und Strukturen findet, die dauerhafte Stabilität bringt, um die entscheidenden Strukturfragen, die wir angehen müssen, und zwar mit Blick auf das gesamte Jahrzehnt, das vor uns liegt, und der Einhaltung der Schuldenbremse, ob wir das entsprechend schaffen werden. Und wenn wir das Gefühl haben, dass wir diese Messlatte halten können, dann kann man, glaube ich, auch einer Großen Koalition von unserer Sicht aus zustimmen. Wenn wir das Gefühl haben, dass das nicht möglich ist, dann muss man sich auch mit der Situation und mit der Möglichkeit der Neuwahl auseinandersetzen.
Raith: Wären Neuwahlen nicht von vornherein eine sauberere Lösung, wie es jetzt Grüne, Linke und ja auch einige SPD-Politiker fordern, einfach die Regierungsarbeit neu bewerten zu lassen?
Kramp-Karrenbauer: Man muss sehen, dass wir in einer ja nicht einfachen Situation im Saarland sind. Es stehen viele strukturelle Entscheidungen an. Neuwahlen bedeuten natürlich auch einen gewissen politischen Stillstand, ein Vakuum von mehreren Monaten…
Raith: Auch eine Gefahr für die CDU.
Kramp-Karrenbauer: … einfach weil Wahlen auch nicht von heute auf morgen zu organisieren sind, alleine auch wegen der formalen Vorgaben an Listenaufstellungen, an andere Dinge. Und deswegen ist es, glaube ich, ein ganz normales parlamentarisches Verhalten, auch zu sagen, im Rahmen von bestehenden Mehrheitsverhältnissen, dass man zuerst einmal sondiert und miteinander austauscht, ob es die Möglichkeit der Regierungsbildung gibt. Aber wenn es diese Möglichkeit nicht gibt, dann muss man in der Tat auch zu Neuwahlen greifen.
Raith: Aber damit sichern Sie sich erst einmal Ihre Position und Sie schieben ja auch die Schuld des Scheiterns allein der FDP zu, indem Sie sagen, wir machen weiter.
Kramp-Karrenbauer: Es ist ein Punkt, die Frage war für uns und gerade auch für mich, ob ich auch mit Blick auf die Verantwortung, die wir gemeinsam und die ich im Land trage, und die Fragen, die gelöst werden müssen, ob wir diese Fragen in einer stabilen Regierung mit stabilen Regierungspartnern lösen können. Und die Überlegung und die Entscheidung fiel in der Tat vor dem Hintergrund des verloren gegangenen Vertrauens in einen Koalitionspartner, und das ist die FDP im Saarland. Das sind ganz eigene, Saarland-spezifische Gründe, die insbesondere dort mit handelnden Personen zusammenhängen und die nur darin ihre Ursachen haben.
Raith: Saarland-spezifische Gründe, sagen Sie, Frau Kramp-Karrenbauer. Zu Beginn habe ich Sie gefragt, wie erleichtert Sie waren. Abschließend nun die Frage: Wie erleichtert haben denn die Parteikollegen in Berlin reagiert?
Kramp-Karrenbauer: Ich habe mich mit den Parteikollegen in Berlin im Vorfeld kurz ausgetauscht, habe informiert, dass die Koalition in einer schwierigen Situation ist. Wir haben auch Für und Wider abgewogen. Es gab keine Direktive, auch keinen Ratschlag, und sicherlich waren auch die Kollegen in Berlin von der Dynamik am Freitag überrascht. Ich sage noch mal: Das ist eine Entscheidung, die sehr autark im Saarland getroffen wurde und die vor allen Dingen Ursachen im Saarland hat und natürlich auch Auswirkungen im Saarland hat.
Raith: Sagt die Ministerpräsidentin des Saarlandes, die CDU-Politikerin Annegret Kramp-Karrenbauer, im Gespräch mit dem Deutschlandfunk. Haben Sie herzlichen Dank!
Kramp-Karrenbauer: Bitte schön! Auf Wiederhören.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.