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"Hier ist Radio Bremen mit einer Versuchssendung"

Mit einer Satzung von zwei Paragrafen fing alles an. Heute ist die ARD der weltweit größte Nichtkommerzielle Programmanbieter. Die Weichen dafür hatten die westlichen Alliierten nach dem Zweiten Weltkrieg gestellt. Dezentral organisiert sollten die Radiosender sein und ihr Programm politisch unabhängig gestalten können.

Von Hartmut Goege |
    "-- Erstens: Die Arbeitsgemeinschaft hat die Aufgaben zur Wahrnehmung der gemeinsamen Interessen der Rundfunkgesellschaften sowie die Bearbeitung gemeinsamer Fragen des Programms und Fragen rechtlicher, technischer und betriebswirtschaftlicher Art. --
    -- Zweitens: Welche Fragen als gemeinsam zu behandeln sind, entscheidet die Mitgliederversammlung."


    Mit dieser nüchternen Satzung legten die Intendanten der sechs neuen westdeutschen Rundfunkgesellschaften den Grundstein. Als sie sich am 9. Juni 1950 in Bremen zu einer Tagung trafen, wurde als Ergebnis dieser Beratung ganz unspektakulär die Bildung einer Arbeitsgemeinschaft beschlossen. Die Sender der ersten Stunde waren der Bayerische Rundfunk, der Hessische Rundfunk, der Südwestfunk Baden Baden, der Süddeutsche Rundfunk Stuttgart, der Hamburger NWDR sowie Radio Bremen.

    "Hier ist Radio Bremen mit einer Versuchssendung auf 610 Kilohertz gleich 492 Meter."

    Aus den Trümmern des Großdeutschen Rundfunks hatten die drei westlichen Alliierten Frankreich, England und die USA ein neues Rundfunksystem mit mehreren Militärsendern installiert. Ein gemeinsames Konzept gab es zwar noch nicht. Klar war jedoch, dass Radio nie mehr als zentrales politisches Propagandainstrument wie unter der Nazi-Diktatur missbraucht werden durfte. Einer der Gründerväter war der Intendant des Süddeutschen Rundfunks, Fritz Eberhard:

    "Wir wollten keinen Zentralismus wieder haben und hatten dafür gute Gründe. Auch hätten uns die damaligen Besatzungsmächte das vermutlich nicht erlaubt."

    Noch vor der Gründung der Bundesrepublik 1949 hatten sich die Alliierten auf eine dezentrale Organisation des Rundfunks verständigt. Die Programmverantwortung wurde als Kulturhoheit in die Hände der neuen Bundesländer gelegt. Edmund Schechter, ein Emigrant und amerikanischer Kontrolloffizier bei Radio München, fasste die Idee damals zusammen:

    "Die Radiostationen sollen unserer Auffassung und tiefsten Überzeugung nach nicht mehr Sprecher und Organ der jeweiligen Regierung sein. Die Radiostationen sollen alle Schichten des Volkes vertreten und allen Gruppen und Parteien die Möglichkeit geben, ihre Meinung zu sagen."

    Einige deutsche Politiker konnten diesen öffentlich-rechtlichen Status nicht nachvollziehen. So kritisierte etwa der Ministerpräsident des damaligen Landes Württemberg-Baden, Reinhold Meier:

    "Der deutsche Standpunkt konnte sich nur unter Bedenken der Auffassung anschließen, dass eine Radiostation im Grunde niemand gehöre, dass niemand eine Verantwortung trage, und dass niemand einen Einfluss auszuüben habe."

    Was als lose Zusammenarbeit einzelner Hörfunkstationen begann, entwickelte sich mit Beginn der Fernsehära ab 1953 zu einem der größten Medien-Verbünde der Welt. Weil die Finanzkraft einzelner Sendeanstalten niemals ausgereicht hätte, das Deutsche Fernsehen ins Leben zu rufen, gab es einen notwendigen Zwang zur Kooperation. Ein Programm- und Finanzausgleich sollte die kleinen finanzschwachen an den Umsätzen der starken Sender beteiligen. Fritz Eberhard:

    "Es musste also eine enge Zusammenarbeit stattfinden, und gleichzeitig musste die Selbstständigkeit der einzelnen Anstalten gewahrt bleiben. Erstens hatten wir eine ständige Programmkonferenz, in der jede Anstalt einen Vertreter sitzen hatte. Und zweitens hatten wir die Regelung: Jede Anstalt hat das Recht, aus dem Gemeinschaftsprogramm abzuschalten, wenn sie glaubt, eine einzelne Sendung nicht verantworten zu können."

    Erste Großereignisse im Fernsehen wie die Krönung der englischen Queen 1953 und die Fußballweltmeisterschaft 1954 in Bern verhalfen dem jungen Medium zu einem rasanten Aufstieg. Die Popularität des Fernsehens weckte neue politische Begehrlichkeiten. Der Versuch Konrad Adenauers, Ende der 50er-Jahre ein staatlich kontrolliertes Regierungs-Fernsehen als Konkurrenz aufzubauen, rief heftige Reaktionen der Intendanten hervor. Hans Bausch vom SDR erwiderte Adenauer:

    "Die Intendanten sehen darin eine Gefahr für die Unabhängigkeit und die Objektivität eines der wichtigsten Informationsmittel. Sie warnen vor den Folgen für unsere Gesellschaft und das politische Leben."

    Adenauers Pläne scheiterten an einer Klage der Länder. Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts von 1961 schrieb Rundfunkgeschichte. Erstmals wurde verfassungsrechtlich festgestellt, dass Rundfunk und Fernsehen unter dem Primat der Meinungsfreiheit staatsfern organisiert werden müssen.