Jasper Barenberg: Sehr viel Zeit bleibt nicht für eine Einigung. Ende des Monats will die Regierung den neuen Satz von 364 Euro im Monat für Langzeitarbeitslose im Kabinett aller Voraussicht nach verabschieden, zusammen mit der geplanten Mietpauschale, zusammen auch mit dem neuen Bildungspaket für Kinder. Danach bleiben noch drei Sitzungen der Länderkammer, um sich mit der SPD zu verständigen. Ohne erhebliche Änderungen wollen die Sozialdemokraten nicht zustimmen, das macht die Ministerpräsidentin von Nordrhein-Westfalen, Hannelore Kraft, in einem Gespräch mit dem "Spiegel" deutlich. Wie sollen diese Änderungen aussehen? - Am Telefon begrüße ich jetzt die Generalsekretärin der SPD. Einen schönen guten Morgen, Andrea Nahles.
Andrea Nahles: Guten Morgen, Herr Barenberg.
Barenberg: Frau Nahles, fünf Euro mehr hat die Bundesregierung ausgerechnet und auf den Tisch gelegt. Muss der Satz höher ausfallen, damit die SPD im Bundesrat zustimmt?
Nahles: Ja. Wir haben ja Zweifel, dass die Berechnungsgrundlagen wirklich die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichtes widerspiegeln. Transparenz war da ein ganz großes Thema. Und hier wird doch sehr stark der Eindruck erweckt, dass hier teilweise willkürlich auch Ausgabepositionen herausgenommen wurden, nehmen wir zum Beispiel die chemische Reinigung, die ist plötzlich draußen, die war immer drin. Oder wir haben ein erhebliches Problem, welche Referenzgruppe denn bei denen, die arbeiten im Niedriglohnbereich, wirklich genommen wird. Wir hatten bisher immer 20 Prozent der unteren Einkommen, jetzt sind es auf einmal 15. Also hier wurde doch sicherlich an den Zahlen getrickst, um eben nicht mehr Geld auszugeben, als Herr Schäuble das Frau von der Leyen zugebilligt hat.
Barenberg: Sie sagen, mutmaßlich und wahrscheinlich. Sicher wissen Sie es noch nicht, also den Vorwurf der Trickserei?
Nahles: Diese beiden Punkte, die ich Ihnen genannt habe, die sind eindeutig, ja.
Barenberg: Wenn das so ist, Frau Nahles, und wenn sich möglicherweise an Einzelheiten noch was ändert, sehr viel mehr als das, was jetzt auf dem Tisch liegt, wird dann doch aber nicht rauskommen, oder?
Nahles: Frau von der Leyen hat ja den Mund doch sehr voll genommen, insbesondere was das sogenannte Bildungspaket angeht, und das ist ja auch eigentlich sehr wichtig, um wirklich effektiv die Ursachen von Armut zu bekämpfen. Es ist ein Mogelpäckchen geworden. 12,50 Euro im Monat für mehr Bildungsangebote für Kinder, das dann als Gutschein, oder wie auch immer man das ausstellt, das halten wir für nicht überzeugend. Wir wollen deswegen doch etwas stärker wissen, wie denn das wirklich nachhaltig umgesetzt werden kann, und fordern deswegen, statt jetzt Gutscheine auszugeben, die nur wenig wirksam sind, dass wir auch in den Ausbau von Kindertagesstätten und Ganztagsschulen investieren, oder auch wesentlich mehr Schulsozialarbeiter einstellen. Die kommen dann nicht nur den Hartz-IV-Kindern zugute, sondern auch denen von Geringverdienern oder berufstätigen Müttern und Eltern, die diese Betreuung und die Förderung der Kinder auch brauchen.
Barenberg: Kindergarten, Kindertagesstätten stärker ausbauen, sagen Sie. Das braucht natürlich Zeit. Das kommt den Kindern natürlich nicht unmittelbar zugute.
Nahles: Das ist richtig. Wir haben auch gar nichts dagegen zum Beispiel, dass hier zwei Euro für eine warme Mahlzeit in diesem Bildungspaket drin sind. Das finden wir völlig in Ordnung. Man muss nur dazu wissen, dass davon nur 20 Prozent der Kinder in Deutschland profitieren, und das liegt zum Beispiel daran, dass es gar nicht genügend Schulkantinen gibt. Also könnte man zum Beispiel so was nur für 100 Prozent der Kinder umsetzen, wenn man tatsächlich auch investiert in die Infrastruktur, zum Beispiel in den Ausbau von Schulkantinen. Das wäre etwas, worüber wir im Bundesrat auch mit den Ländern, die ja dafür auch ihre Zuständigkeit haben, verhandeln müssten, weil wir wollen tatsächlich, dass 100 Prozent der Kinder ein warmes Mittagessen bekommen, und nicht nur 20 Prozent. Das darf nicht an Infrastrukturproblemen scheitern.
Barenberg: Noch mal zurück zu dem Berechnungsverfahren. Sie verlangen ja ebenso wie das Verfassungsgericht selbstverständlich ein transparentes Verfahren. Das heißt aber auch, dass Sie da konform gehen mit der Regierung, auf der Grundlage eines Verfahrens werden diese Regelsätze berechnet und das ist es dann auch.
Nahles: Sie müssen wissen, als wir die Bundesregierung 98 übernommen haben, wurden allen Ernstes die Sozialhilfesätze geschätzt. Es gab ein Schätzverfahren. Das haben wir umgestellt in eine richtige Stichprobe dessen, was wirklich verbraucht wird. Daran hat nun das Bundesverfassungsgericht auch noch mal Kritik geübt und hat gesagt, das reicht immer noch nicht, weil es an den Renten orientiert war. Die Steigerung war an den Renten orientiert. Wir sind natürlich selbstverständlich damit einverstanden, dass den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts entsprochen wird. Wir haben eben nur Zweifel, dass das wirklich adäquat umgesetzt wurde.
Barenberg: Jetzt wird es an der Preisentwicklung und an der Lohnentwicklung orientiert. Das ist ein Fortschritt, oder nicht?
Nahles: Das ist ein Fortschritt, wobei das mit der Lohnentwicklung definitiv nicht ganz den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts entspricht, aber sagen wir mal die Grundentscheidung ist nicht unser Hauptproblem. Die Grundlagen, sage ich mal, müssten wir nicht im Bundesrat noch mal aufdröseln, aber sehr wohl die Umsetzung der selbigen.
Barenberg: Wie viel Euro sollen denn am Ende mehr dabei herauskommen für die Betroffenen? Das hat ja Hannelore Kraft, die Ministerpräsidentin in Düsseldorf, angekündigt, dass das das Ziel sei.
Nahles: Ja, das ist ein Ziel. Wie gesagt, die Bildungsförderung für die Kinder ist das zweite Ziel. Wir werden auch im Übrigen die Frage der Mindestlöhne in die Verhandlungen im Bundesrat mit einbringen. Das ist nämlich die Ursache davon, dass viele Familien arm sind, und die Kinder, die arm sind, kommen immer aus Familien, die arm sind.
Barenberg: Eine Zustimmung zu den Mindestlöhnen, das ist für Sie eine Bedingung für die Zustimmung der SPD?
Nahles: Das werden wir einbringen und wir wollen dort Fortschritte erreichen. Wir sind insbesondere unzufrieden über die läppischen Aussagen von Frau von der Leyen zum Thema Mindestlohn in der Leiharbeit, aber generell brauchen wir einen flächendeckenden Mindestlohn in Deutschland.
Barenberg: Joachim Gauck, Ihr Kandidat für das Amt des Bundespräsidenten und der Kandidat der Grünen, hat am Wochenende ja auch eine Rede gehalten und er hat unter anderem gesagt, wir müssen stärkere Forderungen auch an Langzeitarbeitslose stellen. Stimmen Sie zu?
Nahles: Also wir müssen die Forderungen stellen, dass sie sich beteiligen und dass sie wirklich mittun, um aus ihrer Situation rauszukommen. Das haben wir übrigens mit dem viel gescholtenen Reformprozess, im Volksmund Hartz IV, mit dem Prinzip Fordern und Fördern umgesetzt. Das wiederum halte ich prinzipiell für richtig, aber wenn wir uns angucken, dass in den nächsten vier Jahren zehn Milliarden bei der aktiven Arbeitsmarktpolitik gestrichen werden aufgrund des Sparpaketes der Bundesregierung, dann muss nicht nur das Fordern eingefordert werden, sondern das Fördern muss dann auch möglich sein.
Barenberg: Wieso haben Sie eigentlich in Ihrer Zeit als Regierungspartei keine Erhöhung der Hartz-IV-Regelsätze auf den Weg gebracht?
Nahles: Nun, das haben wir. Wir haben mehrfach auch die Regelsätze angehoben, aber vor allem im letzten Jahr 30 Anhebung des Kinderregelsatzes für 6- bis 13-jährige Kinder. Und das Schulstarterpaket, was Frau von der Leyen jetzt übernimmt, die 100 Euro im Jahr, die sind von uns, also von Olaf Scholz, dem damaligen Arbeitsminister der SPD. Allerdings hat Frau von der Leyen dieses Schulstarterpaket jetzt gestrichen für Familien, die Kinderzuschlag bekommen oder Wohngeld bekommen.
Barenberg: Da soll aber nachgebessert werden, oder?
Nahles: Das ist ein Punkt, der unbedingt im Bundesrat geklärt werden muss. Wenn es vorher gelänge, wenn da Einsicht da wäre auf der Seite der Regierung, dann wäre es noch besser. Also das finde ich schon ziemlich skandalös, ja.
Barenberg: Also auf einen Euro-Betrag, habe ich jetzt gemerkt, wollen Sie sich nicht festlegen in unserem Gespräch. Wollen wir uns auf ein Prinzip verständigen, nämlich für einen Abstand zwischen Lohn und Lohnersatz, dass der erkennbar bleiben muss?
Nahles: Wissen Sie, wenn die sich weigern, einen Mindestlohn einzuführen, dann ist es kein Wunder, dass irgendwo dieses Lohnabstandsgebot in Probleme reinkommt. Das kann aber doch nicht heißen, dass das Existenzminimum nicht mehr angepasst werden kann an die Preissteigerung. Also das Erste, was wichtig wäre für einen Lohnabstand, ist nun mal Mindestlohn. Und ich nenne Ihnen deswegen keine Zahl, weil das hier nicht nach Pi mal Daumen gehen soll, weder nach Gusto, was Frau von der Leyen und Herr Schäuble meint, noch nach Gusto, was Hannelore Kraft und Sigmar Gabriel meint, sondern was wir etablieren wollen, ist ein unanfechtbares transparentes Verfahren, das das Existenzminimum sichert und die Bildungschancen von Kindern aus ärmeren Familien.
Barenberg: Und da sind Sie noch nicht fertig mit Ihren Berechnungen?
Nahles: Nein! Da geht es auch um prinzipielle Fragen: Wollen wir wirklich hier an dieser Stelle mit Gutscheinen Kleinstbeträge über die ganze Republik verteilen? Das kann man machen, das schlägt ja Frau von der Leyen vor. Oder wollen wir lieber auch ein Stück weit gucken, dass wir genügend Schulkantinen haben und genügend Schulsozialarbeiter? Es geht wirklich auch um eine grundsätzliche Frage.
Barenberg: Sagt die Generalsekretärin der SPD, Andrea Nahles. Vielen Dank, Frau Nahles, für dieses Gespräch.
Nahles: Vielen Dank! Tschö!
Barenberg: Tschüss!
Andrea Nahles: Guten Morgen, Herr Barenberg.
Barenberg: Frau Nahles, fünf Euro mehr hat die Bundesregierung ausgerechnet und auf den Tisch gelegt. Muss der Satz höher ausfallen, damit die SPD im Bundesrat zustimmt?
Nahles: Ja. Wir haben ja Zweifel, dass die Berechnungsgrundlagen wirklich die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichtes widerspiegeln. Transparenz war da ein ganz großes Thema. Und hier wird doch sehr stark der Eindruck erweckt, dass hier teilweise willkürlich auch Ausgabepositionen herausgenommen wurden, nehmen wir zum Beispiel die chemische Reinigung, die ist plötzlich draußen, die war immer drin. Oder wir haben ein erhebliches Problem, welche Referenzgruppe denn bei denen, die arbeiten im Niedriglohnbereich, wirklich genommen wird. Wir hatten bisher immer 20 Prozent der unteren Einkommen, jetzt sind es auf einmal 15. Also hier wurde doch sicherlich an den Zahlen getrickst, um eben nicht mehr Geld auszugeben, als Herr Schäuble das Frau von der Leyen zugebilligt hat.
Barenberg: Sie sagen, mutmaßlich und wahrscheinlich. Sicher wissen Sie es noch nicht, also den Vorwurf der Trickserei?
Nahles: Diese beiden Punkte, die ich Ihnen genannt habe, die sind eindeutig, ja.
Barenberg: Wenn das so ist, Frau Nahles, und wenn sich möglicherweise an Einzelheiten noch was ändert, sehr viel mehr als das, was jetzt auf dem Tisch liegt, wird dann doch aber nicht rauskommen, oder?
Nahles: Frau von der Leyen hat ja den Mund doch sehr voll genommen, insbesondere was das sogenannte Bildungspaket angeht, und das ist ja auch eigentlich sehr wichtig, um wirklich effektiv die Ursachen von Armut zu bekämpfen. Es ist ein Mogelpäckchen geworden. 12,50 Euro im Monat für mehr Bildungsangebote für Kinder, das dann als Gutschein, oder wie auch immer man das ausstellt, das halten wir für nicht überzeugend. Wir wollen deswegen doch etwas stärker wissen, wie denn das wirklich nachhaltig umgesetzt werden kann, und fordern deswegen, statt jetzt Gutscheine auszugeben, die nur wenig wirksam sind, dass wir auch in den Ausbau von Kindertagesstätten und Ganztagsschulen investieren, oder auch wesentlich mehr Schulsozialarbeiter einstellen. Die kommen dann nicht nur den Hartz-IV-Kindern zugute, sondern auch denen von Geringverdienern oder berufstätigen Müttern und Eltern, die diese Betreuung und die Förderung der Kinder auch brauchen.
Barenberg: Kindergarten, Kindertagesstätten stärker ausbauen, sagen Sie. Das braucht natürlich Zeit. Das kommt den Kindern natürlich nicht unmittelbar zugute.
Nahles: Das ist richtig. Wir haben auch gar nichts dagegen zum Beispiel, dass hier zwei Euro für eine warme Mahlzeit in diesem Bildungspaket drin sind. Das finden wir völlig in Ordnung. Man muss nur dazu wissen, dass davon nur 20 Prozent der Kinder in Deutschland profitieren, und das liegt zum Beispiel daran, dass es gar nicht genügend Schulkantinen gibt. Also könnte man zum Beispiel so was nur für 100 Prozent der Kinder umsetzen, wenn man tatsächlich auch investiert in die Infrastruktur, zum Beispiel in den Ausbau von Schulkantinen. Das wäre etwas, worüber wir im Bundesrat auch mit den Ländern, die ja dafür auch ihre Zuständigkeit haben, verhandeln müssten, weil wir wollen tatsächlich, dass 100 Prozent der Kinder ein warmes Mittagessen bekommen, und nicht nur 20 Prozent. Das darf nicht an Infrastrukturproblemen scheitern.
Barenberg: Noch mal zurück zu dem Berechnungsverfahren. Sie verlangen ja ebenso wie das Verfassungsgericht selbstverständlich ein transparentes Verfahren. Das heißt aber auch, dass Sie da konform gehen mit der Regierung, auf der Grundlage eines Verfahrens werden diese Regelsätze berechnet und das ist es dann auch.
Nahles: Sie müssen wissen, als wir die Bundesregierung 98 übernommen haben, wurden allen Ernstes die Sozialhilfesätze geschätzt. Es gab ein Schätzverfahren. Das haben wir umgestellt in eine richtige Stichprobe dessen, was wirklich verbraucht wird. Daran hat nun das Bundesverfassungsgericht auch noch mal Kritik geübt und hat gesagt, das reicht immer noch nicht, weil es an den Renten orientiert war. Die Steigerung war an den Renten orientiert. Wir sind natürlich selbstverständlich damit einverstanden, dass den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts entsprochen wird. Wir haben eben nur Zweifel, dass das wirklich adäquat umgesetzt wurde.
Barenberg: Jetzt wird es an der Preisentwicklung und an der Lohnentwicklung orientiert. Das ist ein Fortschritt, oder nicht?
Nahles: Das ist ein Fortschritt, wobei das mit der Lohnentwicklung definitiv nicht ganz den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts entspricht, aber sagen wir mal die Grundentscheidung ist nicht unser Hauptproblem. Die Grundlagen, sage ich mal, müssten wir nicht im Bundesrat noch mal aufdröseln, aber sehr wohl die Umsetzung der selbigen.
Barenberg: Wie viel Euro sollen denn am Ende mehr dabei herauskommen für die Betroffenen? Das hat ja Hannelore Kraft, die Ministerpräsidentin in Düsseldorf, angekündigt, dass das das Ziel sei.
Nahles: Ja, das ist ein Ziel. Wie gesagt, die Bildungsförderung für die Kinder ist das zweite Ziel. Wir werden auch im Übrigen die Frage der Mindestlöhne in die Verhandlungen im Bundesrat mit einbringen. Das ist nämlich die Ursache davon, dass viele Familien arm sind, und die Kinder, die arm sind, kommen immer aus Familien, die arm sind.
Barenberg: Eine Zustimmung zu den Mindestlöhnen, das ist für Sie eine Bedingung für die Zustimmung der SPD?
Nahles: Das werden wir einbringen und wir wollen dort Fortschritte erreichen. Wir sind insbesondere unzufrieden über die läppischen Aussagen von Frau von der Leyen zum Thema Mindestlohn in der Leiharbeit, aber generell brauchen wir einen flächendeckenden Mindestlohn in Deutschland.
Barenberg: Joachim Gauck, Ihr Kandidat für das Amt des Bundespräsidenten und der Kandidat der Grünen, hat am Wochenende ja auch eine Rede gehalten und er hat unter anderem gesagt, wir müssen stärkere Forderungen auch an Langzeitarbeitslose stellen. Stimmen Sie zu?
Nahles: Also wir müssen die Forderungen stellen, dass sie sich beteiligen und dass sie wirklich mittun, um aus ihrer Situation rauszukommen. Das haben wir übrigens mit dem viel gescholtenen Reformprozess, im Volksmund Hartz IV, mit dem Prinzip Fordern und Fördern umgesetzt. Das wiederum halte ich prinzipiell für richtig, aber wenn wir uns angucken, dass in den nächsten vier Jahren zehn Milliarden bei der aktiven Arbeitsmarktpolitik gestrichen werden aufgrund des Sparpaketes der Bundesregierung, dann muss nicht nur das Fordern eingefordert werden, sondern das Fördern muss dann auch möglich sein.
Barenberg: Wieso haben Sie eigentlich in Ihrer Zeit als Regierungspartei keine Erhöhung der Hartz-IV-Regelsätze auf den Weg gebracht?
Nahles: Nun, das haben wir. Wir haben mehrfach auch die Regelsätze angehoben, aber vor allem im letzten Jahr 30 Anhebung des Kinderregelsatzes für 6- bis 13-jährige Kinder. Und das Schulstarterpaket, was Frau von der Leyen jetzt übernimmt, die 100 Euro im Jahr, die sind von uns, also von Olaf Scholz, dem damaligen Arbeitsminister der SPD. Allerdings hat Frau von der Leyen dieses Schulstarterpaket jetzt gestrichen für Familien, die Kinderzuschlag bekommen oder Wohngeld bekommen.
Barenberg: Da soll aber nachgebessert werden, oder?
Nahles: Das ist ein Punkt, der unbedingt im Bundesrat geklärt werden muss. Wenn es vorher gelänge, wenn da Einsicht da wäre auf der Seite der Regierung, dann wäre es noch besser. Also das finde ich schon ziemlich skandalös, ja.
Barenberg: Also auf einen Euro-Betrag, habe ich jetzt gemerkt, wollen Sie sich nicht festlegen in unserem Gespräch. Wollen wir uns auf ein Prinzip verständigen, nämlich für einen Abstand zwischen Lohn und Lohnersatz, dass der erkennbar bleiben muss?
Nahles: Wissen Sie, wenn die sich weigern, einen Mindestlohn einzuführen, dann ist es kein Wunder, dass irgendwo dieses Lohnabstandsgebot in Probleme reinkommt. Das kann aber doch nicht heißen, dass das Existenzminimum nicht mehr angepasst werden kann an die Preissteigerung. Also das Erste, was wichtig wäre für einen Lohnabstand, ist nun mal Mindestlohn. Und ich nenne Ihnen deswegen keine Zahl, weil das hier nicht nach Pi mal Daumen gehen soll, weder nach Gusto, was Frau von der Leyen und Herr Schäuble meint, noch nach Gusto, was Hannelore Kraft und Sigmar Gabriel meint, sondern was wir etablieren wollen, ist ein unanfechtbares transparentes Verfahren, das das Existenzminimum sichert und die Bildungschancen von Kindern aus ärmeren Familien.
Barenberg: Und da sind Sie noch nicht fertig mit Ihren Berechnungen?
Nahles: Nein! Da geht es auch um prinzipielle Fragen: Wollen wir wirklich hier an dieser Stelle mit Gutscheinen Kleinstbeträge über die ganze Republik verteilen? Das kann man machen, das schlägt ja Frau von der Leyen vor. Oder wollen wir lieber auch ein Stück weit gucken, dass wir genügend Schulkantinen haben und genügend Schulsozialarbeiter? Es geht wirklich auch um eine grundsätzliche Frage.
Barenberg: Sagt die Generalsekretärin der SPD, Andrea Nahles. Vielen Dank, Frau Nahles, für dieses Gespräch.
Nahles: Vielen Dank! Tschö!
Barenberg: Tschüss!