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Hightech-Behausung aus Lehm

Technik. - Stahlbeton und Ziegel sind die Materialien, aus denen Städte gezimmert werden. Doch das könnte sich ändern, wenn sich die Ideen von Christof Ziegert durchsetzen. Der Ingenieur entwickelt Verfahren, mit denen Lehm als Baumaterial einen zweiten Frühling erleben könnte.

Von Michael Fuhs |
    Die Bewohner eines Einfamilienhauses östlich von Berlin wollen nicht, dass es an die große Glocke gehängt wird. Denn dann könnten sie sich vermutlich nicht mehr gegen die vielen Besucher wehren, die sehr neugierig wären, sagt der Bauingenieur Christof Ziegert. Er experimentierte hier mit neuen Techniken, um den so genannten Stampflehmbau attraktiver zu machen, und zwar für ganze Häuser.

    "Hier sind alle Wände aus massivem Stampflehm errichtet. Das sind sehr offene Grundrisse, das widerspricht so ein bisschen dem Bild, was man vom Lehmbau bisher so hatte, dass das kleine, geduckte Häuser sind, sondern hier haben wir sehr große Öffnungsbreiten, sehr lichte Grundrisse und natürlich durch die massiven Lehmwände ein sehr gutes Raumklima. Die Nutzer fühlen sich sehr wohl in dem Gebäude."

    Das liegt daran, dass der Lehm, eine Mischung aus Sand und Ton, Feuchtigkeit sehr gut puffern kann. Wenn der Dampf nach einer heißen Dusche durch das Bad wabert, dann saugen sich die Wände quasi voll. Die nächsten Stunden, Tage oder Wochen gibt die Wand die Feuchtigkeit wieder ab. Dadurch schimmelt es weniger und es wird eine für den Menschen konstante und angenehme Luftfeuchtigkeit erreicht. Um dafür den besten Lehm zu finden, hat Christof Ziegert acht verschiedene Sorten genauer untersucht.

    "Es gibt eben Tonminerale, die sehr aktiv sind für den Luftfeuchteausgleich, das sind zum Beispiel diese so genannten quellfähigen Dreischicht-Tonminerale, die so eine feine Struktur haben, so große sensible Oberflächen, dass sich da an diesen Oberflächen und zwischen die einzelnen Schichten dieser Tonminerale sehr, sehr viel Luftfeuchte anlagern kann."

    Der Bauingenieur beschränkt sich dabei auf die Stampflehmbauweise, bei der nicht Lehmsteine gemauert werden, sondern ähnlich wie mit Beton gearbeitet wird. In eine Verschalung aus Holz wird der matschige Lehm in etwa 15 Zentimeter dicken Lagen eingefüllt und dann auf acht Zentimeter zusammengepresst. Das ist an der fertigen Wand noch gut zu erkennen.

    "Man sieht da die einzelnen Streifen, das sind die einzelnen Stampflagen. Diese Struktur, diese Bänderung erinnert ein wenig an den Hanganschnitt von einem Gelände, wo man ja auch oft die gewachsene Bodenstruktur erkennen kann mit unterschiedlichen Schichtungen, und diese Wände erinnern daran, es ist wie eine gebaute Geologie."

    Bauherren, die sich für Stampflehm entscheiden, mögen vor allem das. Doch wenn der Lehm nach dem Stampfen trocknet, schrumpft er und es entstehen Risse. Das ist dann zuviel Natur. Die Risse sind unerwünscht und, wenn sie an bestimmten Stellen auftreten, können sie auch die Haltbarkeit beeinträchtigen. Deshalb hat Christof Ziegert so genannte Geogitter, das sind Netze aus Glasfasern mit etwa zwei Zentimeter Maschenbreite, in den Lehm eingesetzt, ähnlich der Bewehrung im Stahlbetonbau. Damit werden nicht nur die Risse vermieden. Die Wand trägt auch mehr.

    "Man muss sich einfach vorstellen, dass man auf eine weiche Torte draufdrückt, dann quillt die an der Seite heraus. Und dieses Herausquellen kann durch eine Zugbewehrung verhindert werden. So eine Analogie gibt es auch in dem Baustoff. So eine Stampflehmwand, die mit Geogittern bewehrt ist, kann durchaus 50 Prozent mehr Last aufnehmen als eine Wand ohne Geogitter-Armierung."

    So kann damit auch leichter zweigeschossig gebaut werden wie jetzt bei einer Schule in Luxemburg. Auch für Niedrigenergiehäuser eignet sich der Stampflehm, allerdings nur zusammen mit einer guten Wärmedämmung. Damit sie die Optik nicht zerstört, experimentiert Christof Ziegert mit einer Art Brei aus Holzfasern, die er in die Wand einbettet. Trotz aller Bemühungen wird es trotzdem die Ausnahme bleiben, dass ganze Häuser so gebaut werden. Wer Lehm will, beschränkt sich meist darauf, konventionelle Wände innen damit zu verputzen. Das hat auch schon einen positiven Effekt auf das Raumklima.