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Hightech für einen humanen Krieg

Morgen, am 26. Oktober, jährt sich die blutige Geiselbefreiung im Moskauer Nordost-Theater. Russische Sicherheitskräfte leiteten ein Spezialgas in das Musicaltheater, in dem 36 tschetschenische Kämpfer hunderte Geiseln festhielten. Das Gas betäubte alle Menschen in dem Gebäude in Sekundenschnelle. Dann stürmte ein russisches Sonderkommando das Haus und exekutierte sofort mit Kopfschüssen die in dem Moment wehrlosen Geiselnehmer, von denen einige Sprengstoffpakete umgeschnallt hatten.

Daniel Blum |
    Alles zur Rettung des Lebens der Geiseln, wie gesagt wurde – von denen dann allerdings 128 im Laufe der nächsten Stunden und Tage starben. Das Spezialgas hatte sich für sie als tödlich erwiesen. Die sie behandelnden Ärzte der Moskauer Krankenhäuser hätten vielleicht einige von ihnen noch retten können, hätten sie gewusst, welches Gas ihre Patienten geschädigt hatte. Doch die russische Regierung weigerte sich – und weigert sich bis heute – die Identität der neuen Waffe zu lüften.

    Dieses Spezialgas gehört zu einer neuen Kategorie von Waffen, an denen in den letzten Jahren in vielen Staaten intensiv geforscht wird. "Non lethal weapons" ist ihre Sammelbezeichnung – "nicht-tödliche Waffen". Manche von ihnen wirken mechanisch oder akustisch, andere chemisch oder biologisch. Sie sollen randalierende Demonstranten oder gegnerische Soldaten kampfunfähig machen. Andere sollen feindliche Fahr- oder Flugzeuge lahmlegen.

    Der Physiker und Abrüstungsforscher Jürgen Altmann vom Internationalen Konversionszentrum Bonn beschäftigt sich seit langem schon mit diesen sogenannten nicht-tödlichen Waffen. Er bemängelt, dass die der Öffentlichkeit vorliegenden Informationen fast ausschließlich von den Entwicklern dieser Waffen und den auftraggebenden Militärs stammen:

    Viele dieser Waffentechnologien, insbesondere die etwas hässlicheren, die auch wirklich schlimme Nebenwirkungen haben können, werden eben doch im Geheimen untersucht. Und was in vielen solcher Fälle wirklich dringend nötig wäre, dass von unabhängiger Seite Leute mit naturwissenschaftlich-technischer Expertise sich daran setzen und diese Waffensysteme genauer ansehen und verlässliche Daten darüber in der Öffentlichkeit zur Verfügung stellen.

    Viele dieser Waffenkonzepte sind so raffiniert, dass sie aus einem James-Bond-Film stammen könnten.

    - Kanonen, die klebrige Netze auf Soldaten oder sogar Panzer werfen.

    - Wirbelring-Gewehre, die Tränengas in gezielten Druckstößen verschießen.

    - Mega-Stinkbomben, die feindliche Kämpfer mit infernalischen Gerüchen malträtieren und zum andauernden Erbrechen zwingen.

    - Lärmgewehre, die akustische Impulse, für die Umstehenden harmlos, auf Feinde abschießen und sie durch den Schock dieser Geräuschwellen und sehr starke Ohrenschmerzen außer Gefecht setzen.

    - Säuregranaten, die auf gegnerischen Panzern aufplatzen und die Glasflächen ihrer optischen Zielvisiere aufrauen und zerstören.

    Die Militärs und Forscher versprechen Hightech-Waffen, die das Gesicht des Krieges verändern und die Anwendung von Gewalt minimieren sollen. Minimieren – nicht ausschalten. Die Bezeichnung "nicht-tödliche Waffen" ist irreführend. Das sagt auch das deutsche Verteidigungsministerium, das selber solche Waffen nicht entwickeln lässt, aber von anderen entwickelte Waffen aufmerksam prüft, ob sie sich für den Einsatz in der Bundeswehr eignen. Auf Anfrage spricht das Ministerium von einem ...

    ...Sekundärrisiko, das ... vor dem Einsatz von nicht letalen Wirkmitteln nicht erkennbar ist und stark vom Zufall beeinflusst wird.

    Dieses Risiko sei ...

    ... in vielen Fällen von … den persönlichen Verhältnissen der betroffenen Personen abhängig. In der Gesundheit einer Person begründete besondere Risiken (zum Beispiel Blutgerinnungsstörungen) können sich beim Einsatz von nicht letalen Wirkmitteln ... realisieren. ... Die Bezeichnung "non-lethal weapons" kann also durchaus irreführend verstanden werden.

    Mustergültig hat sich dies beim Einsatz des sogenannten nicht-tödlichen Gases in Moskau gezeigt. Dazu Jan van Aken vom Sunshine Project, einer deutsch-amerikanischen Nicht-Regierungs-Organisation, die kritisch die internationale Forschung an B- und C-Waffen dokumentiert:

    Gerade wenn Sie mit Chemikalien arbeiten, können Sie nicht sicher sein, dass es bei allen Menschen, die sie einatmen, auch tatsächlich nicht-tödlich ist. Wir haben es bei der Geiselbefreiung in Moskau gesehen. Da sind 17 Prozent der gefangen gewesenen Geiseln gestorben an diesem sogenannten nicht-tödlichen Gas. So ein Theater oder irgend so eine Kriegssituation, das ist kein Operationssaal, wo man jeden einzelnen Menschen unter genauer medizinischer Kontrolle hat und dann die Dosis genau festlegen kann. Dort werden einige Menschen immer eine Dosis abbekommen, die für sie viel zu hoch und dann auch tödlich ist. Sobald die Chemikalien einsetzen, werden sie immer auf eine Todesrate von zehn, fünfzehn Prozent mindestens kommen.

    Bei den tschetschenischen Geiselnehmern, die von dem russischen Sonderkommando mit dem nicht-tödlichen Gas betäubt wurden, lag die Todesrate bei einhundert Prozent. Sie wurden durch Schüsse liquidiert.

    "Nicht-tödlich" ist bestenfalls die direkte Wirkung einer nicht-tödlichen Waffe. Was die siegreiche Seite mit den narkotisierten, festgeklebten oder anderswie wehrlos gemachten Gegnern macht, steht auf einem anderen Blatt. Bereits im Vietnamkrieg setzten die US-Amerikaner nicht-tödliches Tränengas ein, um die Vietcong aus ihren Erdlöchern zu treiben und anschließend zu erschießen.

    Insbesondere die nicht-tödlichen biologischen und chemischen Waffen, wie sie derzeit vor allem in den USA entwickelt werden, sind völkerrechtlich stark umstritten. So verbietet das internationale C-Waffen-Abkommen grundsätzlich und ausnahmslos, Chemikalien einzusetzen – das Verbot gilt allerdings nur für militärische Auseinandersetzungen.

    Das heißt: Setzen Polizisten in einer amerikanischen Stadt Tränengas ein, um eine Demonstration von Globalisierungsgegnern zu zerstreuen, so dürfen sie das prinzipiell, solange es ihnen nicht ein US-Richter verbietet. Setzen amerikanische Soldaten dagegen Tränengas im besetzten Irak ein, wäre das ein Bruch des C-Waffen-Abkommens und völkerrechtswidrig. Aus dem selben Grund führen Bundeswehrsoldaten bei ihren Auslandseinsätzen, auch wenn sie polizeiliche Aufgaben erfüllen, kein Tränengas mit sich.

    Nun ist publik geworden, dass in den USA Granatensysteme konstruiert werden, die Gas über eine Entfernung von zweieinhalb Kilometern verschießen können. Bei diesem Gas könnte es sich um neu entwickelte Tränengase handeln oder um hallizogene Substanzen, wie sie in den USA gerade für den militärischen Einsatz entwickelt werden. Noch einmal Jan van Aken vom Sunshine Project:

    Es gibt keinen einzigen polizeilichen Einsatz, wo ich mir vorstellen kann, dass Sie aus einer Entfernung von zweieinhalb Kilometern so etwas einsetzen. Normalerweise haben sie solche Handgranaten, wo Tränengas rauskommt, die haben eine Reichweite von zehn Metern, vielleicht 50 Metern. Das reicht ja vollkommen für den Polizeigebrauch. Das heißt: Alles, was, sagen wir mal, über 100 Meter hinausgeht, ist ausschließlich für den militärischen Gebrauch. Die Russen entwickeln gerade etwas mit einer Reichweite von zehn Kilometern. Da geht es um Krieg und nichts anderes.

    Eine Einschätzung, die der Grünen-Politiker Winfried Nachtwei teilt, der sicherheitspolitische Sprecher seiner Bundestagsfraktion:

    Weitreichende Reizstoffe, Tränengasgranaten und so weiter sprengen den Rahmen der jetzigen Zulässigkeit im Rahmen polizeilicher und innerstaatlicher Einsätze. Und sie erzeugen den Verdacht, dass hier eine Form der Kombination von nicht-tödlichen und tödlichen Waffen eingeführt werden soll.

    Anders formuliert: erst betäuben, dann erschießen.

    Auch in der CDU macht man sich keine Illusionen darüber, dass sich die USA mit der Entwicklung solcher Granatensysteme ins völkerrechtliche Abseits bewegen. Die Bundestagsabgeordnete und CDU-Verteidigungspolitikerin Ursula Lietz plädiert dafür, mit den USA bald über dieses Thema zu verhandeln:

    Ich bin durchaus der Meinung, dass wir zusammen mit den USA zu einem Ergebnis kommen müssen. Es kann auch gar nicht anders sein – dass wir die USA draußen vorlassen beziehungsweise die USA ohne das Einverständnis der restlichen Welt möglicherweise in die Gefahr kommt, solche Gase oder andere chemische Waffen zu benutzen. Das wäre nicht wünschenswert.

    Internationale Verhandlungen, meint die CDU-Politikerin, könnten allerdings durchaus zu dem Ergebnis kommen, dass die Völkergemeinschaft erlauben wird, einzelne nicht-tödliche C-Waffen militärisch einzusetzen. Sie wünscht sich aber, dass man erst verhandelt und dann die Waffen einsatzfähig macht – und nicht umgekehrt.

    Der Grünen-Politiker Nachtwei will diesen Schritt nicht mitgehen. Er lehnt jede "Aufweichung", wie er es nennt, der C-Waffen-Konvention ab und verlangt, dass die USA die Entwicklung der Granatensysteme stoppen. Jan van Aken schließt sich dem an, nicht zuletzt auch deswegen, weil solche Granatensysteme, wie sie die Amerikaner entwickeln, möglicherweise auch mit anderen, tödlichen Chemiegasen befüllt werden könnten. Auch wenn man den Amerikanern eine solche Absicht nicht unterstellt, könnte bereits die bloße Option darauf verheerend sein für die internationalen Bemühungen, Massenvernichtungswaffen wie C-Waffen zu bannen:

    Sie gewinnen plötzlich einen Deckmantel, auch für tödliche Chemiewaffenprogramme, den Sie eigentlich gar nicht mehr entlarven können, weil jeder Staat sagen wird: "Na ja, das machen wir nur für Tränengas." Da sehe ich das ganz große Problem, und deswegen müssen auch eigentlich alle Programme für nicht-tödliche Chemikalien – und wenn es Tränengas ist – im militärischen Bereich sofort gestoppt werden.

    Auch im Bereich der biologischen Waffen entwickeln die USA nicht-tödliche Wirkmittel. Hier sind es Mikroorganismen, die nicht Soldaten, sondern ihr Material angreifen sollen.

    Am weitesten ist die Entwicklung von genmanipulierten Pilzen, die in die Atmosphäre verbracht werden, um bei feindlichen Militärflugzeugen deren radarabweisende Tarnanstriche zu beschädigen. Auch diese Waffen sind nur mit viel Wohlwollen als "nicht-tödlich" zu bezeichnen. Die Mikroorganismen sollen die Flugzeuge zwar nicht selber zum Absturz bringen, aber es möglich machen, dass man sie entdecken und abschießen kann. Die Pilze sind in den USA bereits patentiert.

    Dabei ist das Internationale B-Waffen-Abkommen rigide und eindeutig formuliert: Jeglicher feindliche Einsatz von biologischen Organismen ist verboten, egal ob vom Militär oder der Polizei eingesetzt. Dass sich die USA darüber hinwegsetzen, sendet nach Ansicht des grünen Verteidigungspolitikers Winfried Nachtwei ein fatales politisches Signal an die internationale Staatengemeinschaft:

    Solche unilateralen Entwicklungen von weiteren B-Kampfstoffen haben auf die Staaten insgesamt zersetzende Wirkung, zersetzend in Bezug auf allgemeines Rechtsbewusstsein, auf Rüstungskontrolle. Eine solche Vorgehensweise ermutigt regelrecht andere Staaten und andere Gruppen auf dem Gebiet der B-Waffen ebenfalls zu forschen und zu entwickeln. Was der Größte und Stärkste vormacht, wie will man dann anderen noch glaubwürdig vermitteln können, dass dann diese Regeln, die Verbote noch gelten sollen.

    Auch die CDU-Verteidigungsexpertin Ursula Lietz sieht die Gefahr, dass die US-Forschungen an nicht-tödlichen Biowaffen eine neue internationale Rüstungsspirale in Gang setzen könnten:

    Dass ein nicht überschaubares biologisches Wettrüsten das Ergebnis sein könnte, die Gefahr sehe ich auch. Und deshalb halte ich es für besonders wichtig, dass man in den entsprechenden Gremien sich darüber unterhält und zu einvernehmlichen und vor allem einstimmigen Ergebnissen kommt, damit so etwas nicht passiert.

    Ähnlich wie bei den Chemiewaffen hält es Ursula Lietz auch bei den B-Waffen für geboten, genau hinzuschauen und einzelne Waffen von dem derzeit geltenden Verbot auszunehmen. Sie spricht in diesem Zusammenhang sogar schon von einer "gemeinsamen neuen Biowaffen-Konvention".

    Der Grünen-Politiker Nachtwei ist auch hier anderer Meinung. Er spricht davon, dass das B-Waffen-Abkommen angesichts der Bedrohung durch Terroristen aktueller sei denn je und gestärkt, nicht unterwandert werden müsse.

    Eine erste Auswirkung hat die amerikanische Biowaffen-Forschung indes bereits gehabt. Internationale Konferenzen versuchen seit Jahren, Regelungen dafür zu finden, wie das B-Waffen-Verbot wirksam kontrolliert werden kann. In jüngster Zeit scheiterten die Diplomaten dabei in erster Linie an den USA, die sich strikt weigern, sich von internationalen Waffeninspektoren in die Labore schauen zu lassen. Jan van Akens Sunshine Project, aber auch Greenpeace und andere Nicht-Regierungsorganisationen hatten dies gerade im Vorfeld des Irak-Krieges scharf kritisiert.

    Die Vereinigten Staaten sind bei ihrer konventionellen Rüstung allen anderen Staaten turmhoch überlegen. Dass sie nicht-tödliche biologische und chemische Waffen entwickeln, ist für den Rüstungskritiker Van Aken irrational:

    Aus der Sicht der Amerikaner würde ich ja immer sagen, so rein logisch gedacht, lassen wir die Finger von den biologischen und Chemiewaffen, weil das ist im Endeffekt doch so einfach, dass viel andere Länder uns das nachmachen könnten, und dann haben die wirklich Massenvernichtungswaffen an der Hand. Deshalb müssten die Amerikaner doch eigentlich daran interessiert sein, die Entwicklung jeglicher biologischer und chemischer Waffen weltweit zu verhindern. Das Paradoxe ist nun, dass sie gerade den ersten Schritt in ein solches biologisches und chemisches Wettrüsten jetzt wieder getan haben. Es entbehrt jeglicher Logik, und ich befürchte, dass sie sich damit auf lange Sicht in eine sehr, sehr schwierige Position manövriert haben – und nicht nur sich selbst, sondern eigentlich die ganze Welt.

    Aus Sicht der Militärs machen nicht-tödliche Waffen deshalb Sinn, weil mit ihnen auf die neuen globalen Einsatzszenarien reagiert werden soll. Aus diesem Grund steht auch die CDU-Politikerin Lietz neuen Waffenentwicklungen wie klebrigen Fangnetzen oder Elektroschockpistolen, die Zielpersonen mit kleinen Stromharpunen vorübergehend lähmen, durchaus wohlwollend gegenüber:

    Sie wissen, dass sich die Einsatzszenarien sehr verändert haben. Die große militärische Front, gegen die wir kämpfen müssen, gibt es nicht mehr. Es gibt, wie auf dem Balkan, Differenzen zwischen ethnischen Gruppen, es gibt möglicherweise, damit müssen wir rechnen, kleinere terroristische Gruppen, die in den Städten auftreten können, und da sind herkömmliche Waffen natürlich deswegen gefährlich, weil sie unschuldige Zuschauer gefährden können, und vor dem Hintergrund muss man ganz gezielt mit Waffen arbeiten können, die nicht zum Tode führen können und die möglichst vorübergehend kleinere Gruppen behindern beziehungsweise außer Gefecht setzen.

    Die CDU-Politikerin denkt dabei keineswegs daran, Bundeswehrsoldaten ihre derzeitigen Schusswaffen abzunehmen und durch Lärmgewehre oder andere nicht-tödliche Distanzwaffen zu ersetzen. Die Soldaten würden sie zusätzlich erhalten. Damit ist Ursula Lietz im Einklang mit dem Verteidigungsministerium, das ständig den internationalen Markt für nicht-tödliche Waffen sondiert, um gegebenenfalls das Waffenrepertoire zu ergänzen. Auf Anfrage erklärt das Ministerium:

    Der Einsatz herkömmlicher Waffen muss als Abschreckungsoption immer aufrecht erhalten bleiben, um einem Gegner die Ernsthaftigkeit des Einsatzes der eigenen Streitkräfte vor Augen zu halten.

    Dazu Lietz:

    Man weiß nicht, ob die Situation eskaliert, ob möglicherweise von dem gegnerischen Feind befürchtet wird, dass seine Mannschaft, seine Truppen, die außer Gefecht gesetzt worden sind, möglicherweise tot sind, weil sie vorübergehend betäubt sind. So dass also man damit rechnen muss, dass die Situation eskaliert und sich die Bundeswehr dann natürlich durch konventionelle Waffen schützen muss. Aber die Hoffnung ist, dass man konventionelle Waffen nicht einsetzen muss, wenn man solche Waffen hat.

    Diese Hoffnung hält der Physiker und Abrüstungsforscher Jürgen Altmann für eine Illusion. Er geht davon aus, dass jeder militärische Einsatz von nicht-tödlichen Waffen den Feind zu einer automatischen Eskalation provoziert:

    Der hat eben nicht diese neueren Waffen zur Verfügung, sondern vielleicht die klassischen AK-47, Kalaschnikow oder was auch immer. Und eben würde von vornherein auf nicht-tödliche Waffen mit Schusswaffen, mit "normalen" Schusswaffen antworten. Und spätestens dann wird eine westliche, auch übermächtige Militärstreitkraft den Freigabebefehl für die eigenen Schießsysteme geben.

    Eine entscheidende Frage ist, ob der militärische Einsatz von nicht-tödlichen Waffen einen Konflikt eher anheizt oder ausbremst. Das Verteidigungsministerium zeigt sich hier auf Anfrage optimistisch:

    Herkömmlicher Waffeneinsatz mit Todesopfern und Schwerverletzten birgt stets die Gefahr einer Radikalisierung der Konfliktparteien in sich und kann damit eine eskalierende Wirkung auf den Konflikt ausüben. Der Einsatz von nicht letalen Wirkstoffen erreicht eher das Gegenteil, indem er dämpfend auf den Konflikt wirkt.

    Bislang verfügt die Bundeswehr über ein sehr begrenztes Arsenal an nicht-tödlichen Waffen. Um Angreifer, zum Beispiel aufgebrachte Demonstranten, auf Distanz zu halten, können speziell geschulte Bundeswehrsoldaten sogenannte Impulsmunition verschießen: Schaumstoffgeschosse, die beim Aufprall auf eine Person etwa die Wirkung eines kräftigen Faustschlags haben. Eine solche Waffe ist natürlich nicht für den Kampf gegen Soldaten gedacht, sondern zum Schutz der eigenen Militärangehörigen, wenn sie bei Auslandseinsätzen als Polizisten auftreten.

    Der grüne Verteidigungspolitiker Nachtwei setzt dagegen gerade bei polizeiähnlichen Auslandseinsätzen der Bundeswehr auf die Ausstattung mit ganz normalen Schusswaffen:

    Dort ist es ja so, dass die sogenannte robuste Ausstattung mit Schusswaffen eine bisher abschreckende und abhaltende Wirkung hat. Und unterhalb dessen ist das Einsatzkonzept immer, Gewalt möglichst zu vermeiden. Den Einsatz von Zwangsmitteln möglichst zu vermeiden. Bei sogenannten – ich betone ausdrücklich: sogenannten – nicht-tödlichen Waffen sinkt aber die Einsatzschwelle, dort ist die abschreckende Wirkung zumindest sehr zweifelhaft.

    Ein Wundermittel sind die nicht-tödlichen Waffen gewiss nicht. Ihrer überstürzten Einführung steht aber neben einigen guten Argumenten auch ein selbst konstruiertes Hindernis entgegen: Viele der bislang in Militärzeitschriften vorgeschlagenen und gepriesenen Konstruktionspläne für Wunderwaffen erwiesen sich im Nachhinein als technische Fehlschläge.