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Hightech-Prothesen
Exoskelett - die schlaue Gehhilfe

Man kennt das aus Science-Fiction-Filmen: Der Held schnallt sich ein Gestell um, gespickt mit Hydraulik-Aggregaten, das ihm Riesenkräfte verleiht. Solche Exoskelette gibt es wirklich - für Gehbehinderte und Reha-Patienten. US-Forscher haben nun ein Exemplar entwickelt, das sich seinem Träger anpasst.

Von Frank Grotelüschen |
    Exoskelette sind noch lange nicht perfekt - auch das zeigt der Cybathlon. Kann der Wettbewerb den Fortschritt beschleunigen und Exoskelette ins Stadtbild katapultieren?
    Exoskelette sollen Gehbehinderten und Reha-Patienten das Laufen erleichtern. (Piotr Heller)
    Ein Labor an der Carnegie Mellon University in Pittsburgh, USA. Professor Steve Collins steht auf einem Laufband und befestigt per Klettverschluss ein seltsames Gerät am Unterschenkel – ein Gestänge, das den gesamten Fuß umschließt. Dann startet das Laufband und Collins marschiert los. Auch das Gestänge setzt sich in Bewegung, angetrieben durch eine Art Seilzug. Bei jedem Schritt zieht es die Ferse nach oben - und unterstützt Collins beim Laufen.
    Exoskelett, so heißt die Vorrichtung im Fachjargon. "Ein Exoskelett ist eine Art Roboter, den man sich um die Beine schnallt. Es soll Gehbehinderten helfen, schneller und sicherer laufen zu können." Solche robotischen Gehhilfen gibt es bereits zu kaufen.
    Doch in der Praxis halten sie oft nicht das, was sie versprechen, sagt Collins, denn: "Jeder Mensch ist anders, jeder hat einen anderen Gang. Ein Exoskelett, das bei Ihnen gut funktioniert, kann mich beim Laufen stören. Deshalb wollten wir das Gerät dazu bringen, jeden Träger individuell zu unterstützen."
    Roboter passt sich den Menschen an - und andersherum
    Der Versuchsaufbau: das Laufband mitsamt Exoskelett, dazu eine Art Sauerstoffmaske, die sich der Proband aufsetzen muss. Sie misst Sauerstoff und CO2 in der Atemluft - wodurch sich ausrechnen lässt, wie viel Energie die Muskeln beim Laufen verbrauchen. Währenddessen spielt das computergesteuerte Exoskelett verschiedene Betriebsarten durch, verändert systematisch Zugkraft und Timing des Systems.
    Nach einer Stunde auf dem Laufband hat die Software genug: Sie hat analysiert, bei welcher Geräteeinstellung der Proband am wenigsten Energie fürs Laufen aufbringen muss. "Für verschiedene Probanden waren ganz unterschiedliche Einstellungen gut. Unterm Strich konnte unser Algorithmus die aufgewendete Energie um bis zu 24 Prozent verringern. Eine deutliche Verbesserung also."
    Eine weitere Erkenntnis: Bei den Laufband-Versuchen passte sich nicht nur der Roboter an den Menschen an, sondern auch der Mensch an die Maschine. "Man muss den Umgang mit so einem Exoskelett erst mal lernen, muss trainieren und seine Bewegungen anpassen. Und da unser Algorithmus verschiedene Einstellungen durchprobiert, zwingt er den Träger regelrecht dazu, unterschiedliche Bewegungsmuster auszuprobieren. Das scheint ihm das Lernen zu erleichtern, und er kann das Exoskelett effizienter nutzen."
    Marathon ohne trainieren möglich
    Derzeit testen die Forscher ihren Algorithmus an anderen Exoskelett-Varianten - Geräten, die das Knie unterstützen oder die Hüfte. Und wann könnten Patienten davon profitieren? Vielleicht schon bald, meint Collins. "Die Patienten könnten eine Klinik oder ein Geschäft aufsuchen und mit ihrem Exoskelett auf dem Laufband trainieren. Dabei würde es unser Algorithmus dann präzise an den individuellen Gang anpassen."
    Gehbehinderte und Reha-Patienten nach einem Schlaganfall - sie sollen die ersten Nutznießer sein. Doch Steve Collins denkt schon weiter. "So ein Gerät könnte es ermöglichen, dass man einen Marathon bewältigt, ohne groß dafür trainieren zu müssen. Das wäre doch nett."