Ann-Kathrin Büüsker: Der Entwurf für das Wahlprogramm, er wird wahrscheinlich noch heute beschlossen, zumindest aber beraten. Am Nachmittag werden wir dann mehr wissen. Über das schwierige Werden dieses Papiers möchte ich mit Hilde Mattheis sprechen, stellvertretende Sprecherin der Parlamentarischen Linken in der SPD-Bundestagsfraktion. Schönen guten Tag, Frau Mattheis.
Hilde Mattheis: Guten Tag.
Büüsker: Diese Debatte, die wirkt von außen für uns ja sehr unübersichtlich. Vielleicht können Sie uns deshalb helfen, das Ganze zu verstehen. Wer ist das, der hier in der Partei gerade den programmatischen Druck macht? Ist das die Linke?
Mattheis: Wir als Linke haben die Position immer vertreten, dass es wirklich in den nächsten Wochen und Monaten verstärkt um Inhalte gehen muss und dass wir dafür eine gute Grundlage brauchen, die vom Parteivorstand in die Partei hineinkommuniziert werden sollte. Daher auch letzte Woche schon ein Entwurf, der eine Arbeitsgrundlage war, wo wir zwei Punkte noch als Platzhalter hatten, Rente und Steuergerechtigkeit. Und dass viele Anträge kommen, zeigt ja, dass die Partei diskutieren möchte und dass die Partei bis zum Juni-Parteitag sich beteiligen möchte, und dann ist es nur gut und richtig und ich bin froh, dass diese Meldung von gestern Abend eine Falschmeldung ist.
Ordentliche Positonierung zur Rente
Büüsker: Wo sehen Sie denn ganz konkret erhöhten Gesprächsbedarf?
Mattheis: Wir wollen natürlich eine ordentliche Positionierung zum Thema Rente haben. Da gibt es aus vielen Landesverbänden, aus vielen Gliederungen eine klare Positionierung, die sagt, wir wollen ganz klar Rentenniveau mindestens 50 Prozent kommunizieren. Das ist unser Ziel. Wir wollen, was die Steuergerechtigkeit anbelangt, klar sagen, die stärksten in dieser Gesellschaft (und wir wissen ja die Reichtums- und Armutsverteilung) müssen sich verstärkt beteiligen. Da brauchen wir eine klare Positionierung. Aber auch im Bereich der Arbeitsmarktpolitik oder auch beim Thema Waffenexporte. Alles das sind Punkte in unseren Augen, wo wir eine Klarheit brauchen. In vielen Punkten hat Martin Schulz sich ja schon positioniert. Das unterstützen wir auch sehr.
Büüsker: Frau Mattheis, aber stellt sich die Partei da nicht gerade selbst ein Bein, wenn sie diese Diskussion in der Öffentlichkeit führt?
Mattheis: Nein! – Warum? – Wir müssen als Partei das in der Öffentlichkeit diskutieren. Die Öffentlichkeit will ja wissen, wie wir uns positionieren. Und dieser Positionierungsprozess, da habe ich überhaupt kein Problem damit, dass der transparent und offen ist. Wir müssen nur dafür sorgen, dass die Partei auch hinreichend Beteiligungsmöglichkeit hat. Darunter verstehe ich, dass wir Zeit brauchen auf dem Parteitag, um diese womöglich, wovon ich jetzt auch nicht unbedingt ausgehen möchte, unterschiedlichen Positionierungen zu diskutieren. Ich halte das für eine Notwendigkeit, dass sich eine Partei auch transparent mit diesem Entscheidungsprozess in der Öffentlichkeit zeigt.
Martin Schulz signalisiert Offenheit
Büüsker: Nun ist es ja so, dass für den Sonderparteitag Ende Juni in Dortmund gerade mal fünf Stunden angesetzt sind. Das wird kaum reichen, um ein umfangreiches Parteiprogramm zu diskutieren. Wäre es dann aus Ihrer Sicht schlauer gewesen, einen richtigen Programmparteitag anzusetzen mit mehreren Tagen?
Mattheis: Das kann man jetzt immer sagen. Aber ich finde, dieser Prozess bis dorthin ist ja einer, wo ja auch die Bundestagsfraktion beteiligt ist, wo die Gliederungen die Möglichkeit haben, und jetzt müssen wir Martin Schulz auffordern – und das finde ich gut, dass er gesagt hat, bitte keine Verschiebung mehr -, jetzt müssen wir wirklich auch in der Öffentlichkeit mit Punkten uns präsentieren. Diese Offenheit hat Martin Schulz bisher für mich signalisiert und ich bin überzeugt, das macht er auch weiterhin.
Büüsker: Nun gibt es sehr viele Änderungsanträge aus ganz vielen unterschiedlichen Verbänden. Das haben wir jetzt mehrfach von SPD-Seite gehört.
Mattheis: Ja.
Büüsker: Wie wollen Sie das organisatorisch denn alles bis Juni hinbekommen, das zu einem gemeinsamen Programm zu formen?
Mattheis: Das ist natürlich eine Herausforderung auch fürs Willy-Brandt-Haus und auch für die Antragskommission. Aber diese Herausforderung muss eine Antragskommission und das Willy-Brandt-Haus immer annehmen, egal um welche inhaltliche Positionierung es geht. Da werden die Änderungsanträge gebündelt. Da sieht man sehr schnell, ob sich da Änderungsanträge in unterschiedliche Richtung bewegen, und das ist dann eine Kommunikation in die Partei hinein, dass klar ist – und da bietet sich natürlich die Kommunikation über moderne Medien an; das haben wir bisher immer hingekriegt -, dass die Öffentlichkeit beziehungsweise auch die Parteimitglieder darüber informiert sind. Das halte ich für kein großes Problem.
Irritationen über Terminabsage
Büüsker: Wollen Sie auch weiterhin die Diskussion über Details in der Öffentlichkeit führen?
Mattheis: Was heißt in der Öffentlichkeit? Ich meine, dass die Bestimmung oder die Entscheidung die Parteimitglieder fällen, ist klar. Aber die Transparenz über unseren Entscheidungsprozess ist doch etwas, wo die Öffentlichkeit auch ein Interesse dran hat. Das finde ich völlig in Ordnung.
Büüsker: Aber so, wie es zum Beispiel heute gelaufen ist, dass es gestern Abend hieß, der Termin wird abgesagt, heute Morgen musste man ihn doch wieder ansetzen, das ist für die Partei ja nicht unbedingt glücklich.
Mattheis: Das ist nicht lustig, finde ich auch nicht. Ich weiß nicht, wie das zustande kam, kann ich nicht nachvollziehen. Ich glaube, dass man da einfach auch, was die Organisationspolitik anbelangt, da eine gewisse Sorgfalt in Zukunft haben muss. Da will ich jetzt nicht drüber spekulieren. Mir geht es um die Inhalte und da begeben wir uns heute auf den Weg.
Finanzierbares Steuerkonzept
Büüsker: Frau Mattheis, wenn Sie sagen, es geht um die Inhalte, dann lassen Sie uns ganz kurz zum Schluss darauf schauen. Es gibt zum Beispiel jetzt schon ein Steuerkonzept aus Niedersachsen von Ministerpräsident Stephan Weil. Nun heißt es aber auch, dass Thorsten Schäfer-Gümbel sich auch noch mal an ein neues Steuerkonzept setzen soll. Geht es da tatsächlich um Inhalte, oder geht es dann am Ende doch um Köpfe?
Mattheis: Es geht um Inhalte. Für mich geht es um Inhalte. Und ich glaube, wir sind alle gut beraten, das nicht mit einer Debatte über verschiedene andere Köpfe zu verbinden. Ich glaube, es ist wichtig, dass wir, wenn wir sagen, wir wollen dieses Land gerechter machen, wir wollen mehr in Schulen investieren, in Krankenhäuser, in Straßen-Infrastruktur, in Breitband-Ausbau, dann bedeutet das, wir brauchen da ein Steuerkonzept, mit dem wir auch klar machen, es ist zu finanzieren, und wir sagen, wie es zu finanzieren ist. Daran sollten wir uns orientieren.
Büüsker: Das bedeutet Steuererleichterungen in Deutschland?
Mattheis: Das bedeutet womöglich Steuererleichterungen für untere und untere mittlere Einkommen, wobei wir natürlich immer genau hingucken müssen, wo die Belastungspunkte sind. Aber es bedeutet auch, eine ganzheitliche Diskussion zu führen, wie man zum Beispiel auch über eine Bürgerversicherung beim Thema Sozialabgaben Entlastungen der unteren Einkommen hinbekommt, und vor allen Dingen, wie man auch über Steuergerechtigkeit höhere und Höchsteinkommen, nicht höhere, sondern Höchsteinkommen bittet, mehr für diese Gesellschaft zu leisten. Das, finde ich, ist eine Debatte, die uns gut zu Gesicht steht.
Büüsker: … sagt Hilde Mattheis, stellvertretende Sprecherin der Parlamentarischen Linken in der SPD-Bundestagsfraktion. Vielen Dank für das Gespräch heute hier im Deutschlandfunk.
Mattheis: Sehr gerne! – Schönen Tag Ihnen.
Büüsker: Ihnen auch.
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