Archiv


Hilfe für Orientierungslose

Die diesjährigen Abiturienten stehen mitten in den Prüfungen. Einige haben nach dem Klausurenstress die endgültige Wahl ihres Studienfachs noch vor sich. Für Zweifler und völlig Orientierungslose bietet ein Düsseldorfer Team Hilfe an.

Von Beate Kowollik |
    "Entwicklungshelfer" nennt sich das zweiköpfige Team, das eine schnelle Antwort auf die Frage nach der richtigen Berufswahl verspricht. Denn innerhalb eines einziges Tages wollen Tim Prell und Barbara Rörtgen den Ratsuchenden helfen.

    "Das heißt, wir beschäftigen uns ganz intensiv mit den Fähigkeiten und Eigenschaften – ganz zentral mit ihrem Wertesystem. Wir beschäftigen uns mit Lebensträumen, mit Vorbildern, also es ist ein Potpourri an Fragen, die wir haben."

    "Offenheit und Ehrlichkeit ist natürlich die Voraussetzung. "

    "Wir sind sehr aufmerksam, wir fragen an den Stellen nach, wo wir denken, dass es hakt."

    Im Gegensatz zu vielen anderen Berufsberatungen gehen die beiden also nicht vom Marktangebot aus, sondern von der Fähigkeit und der Leidenschaft des Einzelnen, denn

    "man ist nur gut in seinem Studienfach, das einen interessiert."

    Davon sind die Düsseldorfer überzeugt, die selbst mehrere Berufe ausgeübt haben. Sie wollen den Beruf finden, der zum Wesen passt, der die meisten Talente, Fähigkeiten und Eigenschaften vereint.

    "Dann setzen sie ein Maß an Energie frei, dass zwangsläufig dazu führt, dass sie erfolgreich sind, dass ist das A und O."

    Die Quereinsteiger beraten unglückliche Manager, Arbeitnehmer, Studenten und neuerdings auch immer mehr Schüler. Timon beispielsweise hat im Sommer vergangenen Jahres Abi gemacht. Nachdem seine Aufnahmeprüfung für ein Gitarrenstudium an der Uni in Arnheim scheiterte, verbringt er seine Zeit damit, einen geeigneten Beruf zu suchen. Gespräche beim Arbeitsamt und mit vielen Erwachsenen brachten ihn nicht weiter. Seitdem jobbt Timon herum.

    "Mich interessiert relativ viel. Fotografie, Musik, Geisteswissenschaften sind auch interessant. Ich kann gut Musik machen, kann relativ gut zeichnen, künstlerische Sachen, hab auch ein starkes Empathievermögen, deswegen: Psychologische Sachen würden mich also auch interessieren."

    Der Druck wächst von Monat zu Monat. Der 20-Jährige erwägt jetzt einfach BWL oder Jura zu studieren

    "Man hat halt schon im Hinterkopf. Guck, dass du jetzt was machst, weil du schon relativ alt bist."

    Letzte Hilfe erhofft sich Timon nun bei den "Entwicklungshelfern". In einem Vorgespräch hat er den beiden seine Probleme geschildert. Dann – am Beratungstag - mehr als zehn Stunden lang geredet und Fragen beantwortet. Jetzt gibt es ein eindeutiges Ergebnis:
    Seine Zukunft sehen die Experten in der Film- und Musikbranche.

    "Bei beidem ist aber wichtig, keine zuspitzende Ausbildung zu machen."

    "Das heißt, das, was Timon im musikalischen Bereich anzieht, ist Komposition und Produzieren von Musik, also muss das Studium auch solche Inhalte beinhalten."

    "Was den Film angeht , ähnliches Szenario"

    "Ob das Comic-Zeichnen oder Animation, ob das Dokumentation, oder auch wirklich Film oder auch Filmmusik, das sind alles Sachen, die in einem Studium zum Tragen kommen würden.""

    Timon sieht ziemlich geschafft aus, aber zufrieden. Mit diesem Ergebnis hätte er nie gerechnet.

    "Das hat mich schon umgehauen. E war wirklich irre. Dass wirklich dieses Schöpferische, das das doch stark vorhanden ist. Also ich habe das immer unterdrückt mit Selbstzweifel, ja quasi Angst davor."

    In einem mehrseitigen Essay mit dem Namen "Kraftpaket" sind alle Ergebnisse des Tages dokumentiert. Gleichzeitig erhält der Schüler Adressen und Hinweise, wo und wie er seine Pläne umsetzen kann. Das nimmt Timon mit nach Hause und die Gewissheit - auch später - bei den "Entwicklungshelfern" jederzeit wieder einen Ansprechpartner zu finden. Ein solcher Beratungstag mit allen Vor- und Nachgesprächen kostet 1500 Euro. Viel Geld, das aber gut investiert ist, meint nicht nur Timon, sondern auch der Düsseldorfer Asta-Vorstand. Vorsitzender Philip Tacer begeistert vor allem, auf welche Art und Weise der Beruf gesucht wird

    "Dass diese 'Entwicklungshelfer' sich tatsächlich individuell mit den Leuten auseinandersetzen und nicht einfach darauf schauen, was wird jetzt von Seiten potenzieller Arbeitgeber nachgefragt, halte ich für sehr schön, weil das auch dem Humboldtschen Bildungsideal entspricht, dass man auf die Fähigkeiten des Einzelnen gucken soll und ihm raten soll, was er möchte, nicht unbedingt das, was ihm nach jetzigen Statistiken Berufschancen ermöglicht."

    Der Allgemeine Studierenden-Ausschuss in Düsseldorf ist an einer Zusammenarbeit interessiert. Schließlich sei es teurer, ein Studium nach einigen Semestern wieder abzubrechen, sagt Philip Tacer.

    "Ich bedaure nur, dass dieses Angebot auf Grund der finanziellen Barriere für einen eingeschränkten Personenkreis nur zur Verfügung steht – das muss anders werden. Und die Landesregierung redet davon, dass wir die Herausforderung der Wissensgesellschaft annehmen müssen, das kostet auch Geld, ganz klar."

    Service: 1500 Euro kostet eine individuelle Beratung der "Entwicklungshelfer". Dazu gehören ein Vorgespräch, das Exposé sowie anschließende Info-Gespräche per Telefon. Eine kostenlose Beratung bietet der ASTA der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf.