Dirk-Oliver Heckmann: Im Osten Afrikas wird die Lage offenbar immer verzweifelter: Schon jetzt sind Zehntausende gestorben, eine halbe Million Kinder akut vom Hungertod bedroht, etwa zwölf Millionen Menschen auf der Flucht. Die Vereinten Nationen warnten gestern, wenn nichts geschehe, werde sich die akute Hungersnot auf weitere Gebiete der Region ausbreiten. Die EU-Kommission fordert einen entschiedenen Kurswechsel in der Entwicklungspolitik: Statt immer neu auf akute Hungersnöte zu reagieren, müsse mehr Geld in die langfristige Hilfe fließen – und dabei will sich die Bundesregierung in Zukunft stärker an der Menschenrechtslage orientieren. Zu lange hatte man Diktaturen wie die des ägyptischen Expräsidenten Mubarak gestützt. Das soll jetzt anders werden. Entwicklungshilfeminister Dirk Niebel stellt dazu heute ein neues Konzept vor, an dem sich aber bereits Kritik entzündet. Am Telefon begrüße ich dazu Thilo Hoppe von Bündnis 90/Die Grünen, er ist stellvertretender Vorsitzender des Bundestagsausschusses für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung. Schönen guten Morgen, Herr Hoppe!
Thilo Hoppe: Ja, schönen guten Morgen, Herr Heckmann!
Heckmann: Herr Hoppe: Menschenrechte dürfen keine Verhandlungsmasse sein, es solle ganz bewusst Druck ausgeübt werden, damit Länder den Weg zu mehr Demokratie und der Einhaltung der Menschenrechte gingen – das Ganze müsste doch ganz in Ihrem Sinne sein, oder?
Hoppe: Ja, natürlich, also wenn die Menschenrechte einen höheren Stellenwert bekommen in der Entwicklungszusammenarbeit, dann kann man nur dafür sein. Meine Befürchtung ist nur, dass das selektiv angewendet wird.
Heckmann: Wie kommen Sie darauf?
Hoppe: Ja, ich habe ja Minister Niebel bei einigen Reisen begleiten können. Er hat zum Beispiel in Kambodscha die Menschenrechtsfragen sehr deutlich angesprochen, aber da haben wir auch keine wirtschaftlichen Interessen, und in Vietnam ist er sehr leise geblieben, da geht es darum, ein U-Bahn-System zu verkaufen, und da gab es also auch eigene deutsche Interessen, und da wurde die Menschenrechtsfrage sehr heruntergekocht.
Heckmann: Das heißt, Sie würden sagen: Da, wo wirtschaftliche Interessen Deutschlands im Spiel sind, da werden auch in Zukunft die Menschenrechte aus Ihrer Sicht nicht die Rolle spielen, die sie spielen sollten?
Hoppe: Na ja, vielleicht nicht so stark gewichtet, wie sie eigentlich gewichtet werden müssten, also das wird meistens sehr selektiv verfolgt und mit unterschiedlicher Deutlichkeit angesprochen. Aber das kann ja sein, dass in dem neuen Menschenrechtskonzept – ich habe es noch nicht lesen können, es ist vorher geheim gehalten worden – das deutlicher wird und klarer wird. Dann wäre es zu begrüßen.
Heckmann: Was wäre denn Ihr Ansatz? Wären Sie denn dafür, den Geldhahn komplett zuzudrehen, egal, ob die Bevölkerung leidet?
Hoppe: Nein, auf gar keinen Fall, und zwar gibt es da keine Blaupausen, man muss bei jedem Land gesondert gucken, wie man die Menschenrechtslage verbessern kann. Und oft ist es sogar gut, die Entwicklungszusammenarbeit mit der Regierung, aber dann mit verschiedenen, ganz speziellen Akteuren fortzusetzen. Also ich habe Fälle, … Da gibt es einen Umweltminister, der sehr engagiert ist, der aber im Kabinett isoliert ist und unter Druck steht, und wenn man jetzt ein Programm auf ihn zuschneidet, ihn dadurch unterstützt, dass er mehr Geld praktisch im Rucksack hat, dann kann man also auch fortschrittliche Akteure innerhalb einer Regierung fördern. Also und wir haben auch manchmal Zielkonflikte, dass man in einem afrikanischen Land die Hilfe einstellt aufgrund von Diskriminierung von Minderheiten oder Einschränkung der Pressefreiheit, aber dann große Bevölkerungsgruppen keinen Zugang zu Nahrung mehr haben und man das Recht auf Nahrung mit Füßen tritt. Also wenn, muss man die Menschenrechte in ihrer vollen Bandbreite berücksichtigen, also nicht nur die bürgerlichen Menschenrechte, die Pressefreiheit, Meinungsfreiheit, Versammlungsfreiheit, die natürlich auch, aber eben auch die wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen wie Zugang zu Nahrung beispielsweise.
Heckmann: Und Sie würden sagen, dass diese Aspekte in der rot-grünen Zeit die entsprechende Bedeutung gehabt haben und wirtschaftliche Interessen Deutschlands da keine Rolle gespielt haben?
Hoppe: Nein, auf keinen Fall, das sehe ich auch selbstkritisch, also das ist auch nicht immer ideal gelaufen. Das ist ein ständiger Diskussionsprozess. Also auf keinen Fall habe ich jetzt diese Sichtweise: Früher war alles besser, nun wird es schlechter. Nein, nein, also die Menschenrechte müssen immer wieder neu zur Sprache gebracht werden, und die Zielkonflikte müssen immer auch schonungslos angesprochen werden, das ist völlig klar.
Heckmann: Kommen wir mal auf die Lage in Ost-Afrika, also die akute Soforthilfe: Die Bundesregierung hat ja ihre Soforthilfe erhöht auf 60 Millionen Euro, der Entwicklungshilfeminister Dirk Niebel von der FDP betont, dass hier noch weitere Gelder dazukommen, über die Europäische Kommission beispielsweise insgesamt belaufe sich die Hilfe auf 100 Millionen Euro. Wie würden Sie die Hilfsbereitschaft der Bundesregierung einschätzen? Ihnen reicht das nicht?
Hoppe: Nein, mir reicht das nicht, und mich ärgert auch zunehmend, dass es da eine Schönrechnerei gibt. Ich habe extra zwei Mitarbeiter darauf angesetzt, diese Zahlen genau zu kontrollieren und zu überprüfen, mit den Vereinten Nationen zu telefonieren, mit anderen Hilfsorganisationen sich kurzzuschließen, also wir machen eine andere Rechnung auf. Auf die aktuelle Hungerkatastrophe am Horn von Afrika reagiert die Bundesregierung mit 21 Millionen, die anderen Gelder, das sind Altzusagen, die schon vorher gemacht wurden, langfristige Programme, die auch begrüßenswert sind, aber auf den Hilferuf von Ban Ki-moon, dass immer noch 50 Prozent der internationalen Hilfsmaßnahmen jetzt für die aktuelle Hungerkatastrophe unterfinanziert sind, reagiert Deutschland mit 21 Millionen bisher. Wir hoffen, dass es mehr wird. Andere Geber wie Großbritannien, sogar wie Japan, wie skandinavische Länder geben deutlich mehr.
Heckmann: Bevor jetzt noch mal draufgesattelt wird – hat Dirk Niebel gestern im öffentlich-rechtlichen Fernsehen gesagt –, seien die arabischen und die muslimischen Staaten jetzt mal am Zug, die wohlhabenden zumindest. Ist es nicht richtig, an das Verantwortungsbewusstsein dieser Länder zu appellieren?
Hoppe: Ja, das ist natürlich richtig, aber das eine tun und das andere nicht lassen bitte schön. Natürlich müssten die arabischen Länder sich auch viel, viel stärker engagieren, aber davon darf nicht die deutsche Hilfsbereitschaft abhängig gemacht werden. Also die Briten machen das ja auch nicht, die haben sehr schnell sehr große Beträge eingestellt und versuchen, damit andere anzufeuern, auch sich stark zu engagieren. Also wir hatten vor Kurzem eine Sondersitzung des Obleute-Kreises des deutschen Entwicklungsausschusses des Deutschen Bundestages, und da ist noch mal ganz deutlich geworden: Es fehlt momentan Geld. Es gibt ja auch andere Katastrophen, wo genug Geld da ist und wo es einen Stau gibt und die Hilfe nicht zu den Leuten kommt, hier kann man auch gerade in den vielen Flüchtlingslagern sofort mehr Flüchtlinge besser ausstatten mit vollständigen Essensrationen, mit Zelten, mit anderen ganz dringend notwendigen Hilfsgütern, wenn mehr Geld gegeben wird.
Heckmann: Aber es liegt ja vor allem an den radikal-islamischen Milizen im Süden Somalias, dass die Hilfe dort bei den Menschen nicht ankommt. Sie haben gefordert, die Bundesregierung solle dieses Thema auf die Tagesordnung des Weltsicherheitsrats setzen. Glauben Sie denn im Ernst, dass die Al-Shabab-Milizen das beeindruckt?
Hoppe: Also man muss das differenziert betrachten: In vielen Regionen sind die Flüchtlinge erreichbar. Es gibt zwei Regionen im Süden Somalias, wo in der Tat die Al-Shabab-Milizen die Hilfe behindern, so, und auf diese Herausforderung muss die Internationale Gemeinschaft reagieren.
Heckmann: Mit einer Resolution?
Hoppe: Ja, was heißt, mit einer Resolution – möglicherweise müssen die Truppen der Afrikanischen Union verstärkt, besser ausgerüstet, aufgestockt werden. Es kann nicht hingenommen werden, dass eine kleine, aber sehr aggressive militante Miliz den Zugang zu Hunderttausenden von Hungernden blockiert.
Heckmann: Bis hin zu einem Militäreinsatz, wie ihn Klaus Töpfer, der Vizepräsident der Welthungerhilfe und Ex-Umweltminister, gefordert hat?
Hoppe: Die Situation ist sehr, sehr kompliziert, und ich kann jetzt auch nicht sofort den Stein des Weisen hier darlegen und sagen, so und so muss vorgegangen werden. Vielleicht reicht es, die Truppen der Afrikanischen Union besser auszustatten, dort auch mehr Unterstützung zu geben, mehr Transportkapazitäten, mehr Ausrüstungshilfe zu geben, damit sie ihrem Auftrag gerecht werden können, zum Beispiel den Hafen vollständig abzusichern. Ob man wirklich in die schwer zugänglichen Gebiete kommt, auch mit militärischer Unterstützung – das ist mit hohen Risiken verbunden. Also ich plädiere nicht dafür, den Weg freizuschießen, was möglicherweise die Lage noch viel komplizierter und schlimmer macht, aber zumindest den Hafen, den Flughafen besser abzusichern, dass mehr Hilfe über den Korridor Mogadischu auch ins Land kann.
Heckmann: Die Einschätzung von Thilo Hoppe von Bündnis 90/Die Grünen, er ist stellvertretender Chef des Bundestagsausschusses für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung. Herr Hoppe, ich danke Ihnen für das Gespräch!
Hoppe: Ja, danke schön auch, Herr Heckmann!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
Thilo Hoppe: Ja, schönen guten Morgen, Herr Heckmann!
Heckmann: Herr Hoppe: Menschenrechte dürfen keine Verhandlungsmasse sein, es solle ganz bewusst Druck ausgeübt werden, damit Länder den Weg zu mehr Demokratie und der Einhaltung der Menschenrechte gingen – das Ganze müsste doch ganz in Ihrem Sinne sein, oder?
Hoppe: Ja, natürlich, also wenn die Menschenrechte einen höheren Stellenwert bekommen in der Entwicklungszusammenarbeit, dann kann man nur dafür sein. Meine Befürchtung ist nur, dass das selektiv angewendet wird.
Heckmann: Wie kommen Sie darauf?
Hoppe: Ja, ich habe ja Minister Niebel bei einigen Reisen begleiten können. Er hat zum Beispiel in Kambodscha die Menschenrechtsfragen sehr deutlich angesprochen, aber da haben wir auch keine wirtschaftlichen Interessen, und in Vietnam ist er sehr leise geblieben, da geht es darum, ein U-Bahn-System zu verkaufen, und da gab es also auch eigene deutsche Interessen, und da wurde die Menschenrechtsfrage sehr heruntergekocht.
Heckmann: Das heißt, Sie würden sagen: Da, wo wirtschaftliche Interessen Deutschlands im Spiel sind, da werden auch in Zukunft die Menschenrechte aus Ihrer Sicht nicht die Rolle spielen, die sie spielen sollten?
Hoppe: Na ja, vielleicht nicht so stark gewichtet, wie sie eigentlich gewichtet werden müssten, also das wird meistens sehr selektiv verfolgt und mit unterschiedlicher Deutlichkeit angesprochen. Aber das kann ja sein, dass in dem neuen Menschenrechtskonzept – ich habe es noch nicht lesen können, es ist vorher geheim gehalten worden – das deutlicher wird und klarer wird. Dann wäre es zu begrüßen.
Heckmann: Was wäre denn Ihr Ansatz? Wären Sie denn dafür, den Geldhahn komplett zuzudrehen, egal, ob die Bevölkerung leidet?
Hoppe: Nein, auf gar keinen Fall, und zwar gibt es da keine Blaupausen, man muss bei jedem Land gesondert gucken, wie man die Menschenrechtslage verbessern kann. Und oft ist es sogar gut, die Entwicklungszusammenarbeit mit der Regierung, aber dann mit verschiedenen, ganz speziellen Akteuren fortzusetzen. Also ich habe Fälle, … Da gibt es einen Umweltminister, der sehr engagiert ist, der aber im Kabinett isoliert ist und unter Druck steht, und wenn man jetzt ein Programm auf ihn zuschneidet, ihn dadurch unterstützt, dass er mehr Geld praktisch im Rucksack hat, dann kann man also auch fortschrittliche Akteure innerhalb einer Regierung fördern. Also und wir haben auch manchmal Zielkonflikte, dass man in einem afrikanischen Land die Hilfe einstellt aufgrund von Diskriminierung von Minderheiten oder Einschränkung der Pressefreiheit, aber dann große Bevölkerungsgruppen keinen Zugang zu Nahrung mehr haben und man das Recht auf Nahrung mit Füßen tritt. Also wenn, muss man die Menschenrechte in ihrer vollen Bandbreite berücksichtigen, also nicht nur die bürgerlichen Menschenrechte, die Pressefreiheit, Meinungsfreiheit, Versammlungsfreiheit, die natürlich auch, aber eben auch die wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen wie Zugang zu Nahrung beispielsweise.
Heckmann: Und Sie würden sagen, dass diese Aspekte in der rot-grünen Zeit die entsprechende Bedeutung gehabt haben und wirtschaftliche Interessen Deutschlands da keine Rolle gespielt haben?
Hoppe: Nein, auf keinen Fall, das sehe ich auch selbstkritisch, also das ist auch nicht immer ideal gelaufen. Das ist ein ständiger Diskussionsprozess. Also auf keinen Fall habe ich jetzt diese Sichtweise: Früher war alles besser, nun wird es schlechter. Nein, nein, also die Menschenrechte müssen immer wieder neu zur Sprache gebracht werden, und die Zielkonflikte müssen immer auch schonungslos angesprochen werden, das ist völlig klar.
Heckmann: Kommen wir mal auf die Lage in Ost-Afrika, also die akute Soforthilfe: Die Bundesregierung hat ja ihre Soforthilfe erhöht auf 60 Millionen Euro, der Entwicklungshilfeminister Dirk Niebel von der FDP betont, dass hier noch weitere Gelder dazukommen, über die Europäische Kommission beispielsweise insgesamt belaufe sich die Hilfe auf 100 Millionen Euro. Wie würden Sie die Hilfsbereitschaft der Bundesregierung einschätzen? Ihnen reicht das nicht?
Hoppe: Nein, mir reicht das nicht, und mich ärgert auch zunehmend, dass es da eine Schönrechnerei gibt. Ich habe extra zwei Mitarbeiter darauf angesetzt, diese Zahlen genau zu kontrollieren und zu überprüfen, mit den Vereinten Nationen zu telefonieren, mit anderen Hilfsorganisationen sich kurzzuschließen, also wir machen eine andere Rechnung auf. Auf die aktuelle Hungerkatastrophe am Horn von Afrika reagiert die Bundesregierung mit 21 Millionen, die anderen Gelder, das sind Altzusagen, die schon vorher gemacht wurden, langfristige Programme, die auch begrüßenswert sind, aber auf den Hilferuf von Ban Ki-moon, dass immer noch 50 Prozent der internationalen Hilfsmaßnahmen jetzt für die aktuelle Hungerkatastrophe unterfinanziert sind, reagiert Deutschland mit 21 Millionen bisher. Wir hoffen, dass es mehr wird. Andere Geber wie Großbritannien, sogar wie Japan, wie skandinavische Länder geben deutlich mehr.
Heckmann: Bevor jetzt noch mal draufgesattelt wird – hat Dirk Niebel gestern im öffentlich-rechtlichen Fernsehen gesagt –, seien die arabischen und die muslimischen Staaten jetzt mal am Zug, die wohlhabenden zumindest. Ist es nicht richtig, an das Verantwortungsbewusstsein dieser Länder zu appellieren?
Hoppe: Ja, das ist natürlich richtig, aber das eine tun und das andere nicht lassen bitte schön. Natürlich müssten die arabischen Länder sich auch viel, viel stärker engagieren, aber davon darf nicht die deutsche Hilfsbereitschaft abhängig gemacht werden. Also die Briten machen das ja auch nicht, die haben sehr schnell sehr große Beträge eingestellt und versuchen, damit andere anzufeuern, auch sich stark zu engagieren. Also wir hatten vor Kurzem eine Sondersitzung des Obleute-Kreises des deutschen Entwicklungsausschusses des Deutschen Bundestages, und da ist noch mal ganz deutlich geworden: Es fehlt momentan Geld. Es gibt ja auch andere Katastrophen, wo genug Geld da ist und wo es einen Stau gibt und die Hilfe nicht zu den Leuten kommt, hier kann man auch gerade in den vielen Flüchtlingslagern sofort mehr Flüchtlinge besser ausstatten mit vollständigen Essensrationen, mit Zelten, mit anderen ganz dringend notwendigen Hilfsgütern, wenn mehr Geld gegeben wird.
Heckmann: Aber es liegt ja vor allem an den radikal-islamischen Milizen im Süden Somalias, dass die Hilfe dort bei den Menschen nicht ankommt. Sie haben gefordert, die Bundesregierung solle dieses Thema auf die Tagesordnung des Weltsicherheitsrats setzen. Glauben Sie denn im Ernst, dass die Al-Shabab-Milizen das beeindruckt?
Hoppe: Also man muss das differenziert betrachten: In vielen Regionen sind die Flüchtlinge erreichbar. Es gibt zwei Regionen im Süden Somalias, wo in der Tat die Al-Shabab-Milizen die Hilfe behindern, so, und auf diese Herausforderung muss die Internationale Gemeinschaft reagieren.
Heckmann: Mit einer Resolution?
Hoppe: Ja, was heißt, mit einer Resolution – möglicherweise müssen die Truppen der Afrikanischen Union verstärkt, besser ausgerüstet, aufgestockt werden. Es kann nicht hingenommen werden, dass eine kleine, aber sehr aggressive militante Miliz den Zugang zu Hunderttausenden von Hungernden blockiert.
Heckmann: Bis hin zu einem Militäreinsatz, wie ihn Klaus Töpfer, der Vizepräsident der Welthungerhilfe und Ex-Umweltminister, gefordert hat?
Hoppe: Die Situation ist sehr, sehr kompliziert, und ich kann jetzt auch nicht sofort den Stein des Weisen hier darlegen und sagen, so und so muss vorgegangen werden. Vielleicht reicht es, die Truppen der Afrikanischen Union besser auszustatten, dort auch mehr Unterstützung zu geben, mehr Transportkapazitäten, mehr Ausrüstungshilfe zu geben, damit sie ihrem Auftrag gerecht werden können, zum Beispiel den Hafen vollständig abzusichern. Ob man wirklich in die schwer zugänglichen Gebiete kommt, auch mit militärischer Unterstützung – das ist mit hohen Risiken verbunden. Also ich plädiere nicht dafür, den Weg freizuschießen, was möglicherweise die Lage noch viel komplizierter und schlimmer macht, aber zumindest den Hafen, den Flughafen besser abzusichern, dass mehr Hilfe über den Korridor Mogadischu auch ins Land kann.
Heckmann: Die Einschätzung von Thilo Hoppe von Bündnis 90/Die Grünen, er ist stellvertretender Chef des Bundestagsausschusses für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung. Herr Hoppe, ich danke Ihnen für das Gespräch!
Hoppe: Ja, danke schön auch, Herr Heckmann!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.