"Hallo, ich grüße Sie."
Dresden Gorbitz, Neubauviertel. Wir stehen im Eingangsflur eines dieser typischen DDR-Plattenbauten. Unsaniert, 208 Wohnungen in einem Block, Linoleumfußboden.
"Das ist auch so eine Einzimmerwohnung, aber mit Blick in die Stadt."
-"Ein bisschen Malern müssen Sie hier selber."
Wir sind zu viert. Edris, der afghanische Asylbewerber und Übersetzer, ein zweiter Asylbewerber, der erst seit einem Monat in Deutschland ist und nun eine Wohnung braucht, die Wohnungsvermittlerin des Immobilienkonzerns Gagfah und der Reporter.
"So, ich hätte jetzt für beide Wohnungen das Exposé mit, Sie müssten jetzt, wenn Sie sich für eine entscheiden, zum Jobcenter, dort die Miete beantragen, denn Sie bekommen ja das Geld von dort."
Und das ist erst der Anfang des Bürokratie-Hürdenlaufs, 27 Quadratmeter im 12. Stock wären möglich, für 260 Euro warm. Edris erklärt:
"Jetzt müssen wir erst zum Jobcenter gehen, weil er muss eine Anmeldung haben hier in Dresden. Dann gibt uns das Jobcenter alle Papiere, dann machen wir Kopien, dann schicken wir das Papier per Post zur Gagfah. Dann machen wir einen neuen Termin und unterschreiben den Mietvertrag. Das dauert ungefähr einen Monat, bis wir Termin und Mietvertrag kriegen. Ich habe schon mit ihm gesprochen, was ist deine Meinung. Er will erst noch mal kurz nachdenken, und dann sagt er mir Bescheid."
Praktische Hürden: Aufenthaltsstatus und Arbeitserlaubnis
Edris ist seit zwei Jahren in Deutschland. Er ist 28, hat Betriebswirtschaft studiert und ist wegen des Terrors der Taliban nach Deutschland geflüchtet. Ein Großteil seiner weit verzweigten Familie lebt bereits seit 25 Jahren in Hamburg. Trotzdem würde Edris jederzeit zurückgehen:
"Jetzt kann ich nicht zurückgehen, wegen der Probleme, aber in Zukunft, wenn keine Probleme mehr da sind, möchte ich zurück in mein Land gehen. Weil ich dort aufgewachsen bin, ich verstehe die Kultur besser als hier, das ist meine Sprache."
Mit Sprachen hat er's. Er spricht Paschtu, Persisch, Deutsch, Englisch, von Hindi versteht er was. Edris übersetzt und hilft anderen Flüchtlingen durch den Behördendschungel:
"Da gibt's ein Büro vom Flüchtlingsrat hier in Dresden. Manchmal gehe ich für die Übersetzungen zum Flüchtlingsrat, vielleicht gibt's Papiere, die jemand nicht versteht, oder jemand hat ein Papier in unserer Sprache, und er möchte die Übersetzung ins Englische oder ins Deutsche. Ich mach das."
Wir fahren mit dem Auto in seine Unterkunft, ein Asylbewerberheim in der Dresdner Neustadt, dem alternativen Szene-Viertel. Ein Gründerzeit-Altbau, von außen nicht gleich als Asylheim zu erkennen. Edris will mir sein Zimmer zeigen, aber Aufnahmen mit dem Mikrofon darf ich im Haus nicht machen. Die Sozialbehörde hätte erst zustimmen müssen. Wir reden draußen weiter. Über seine Möglichkeiten zum Beispiel:
"Ich mach jetzt einen Minijob, im Staatsschauspiel. Ich arbeite in der Garderobe. Es ist eine gute Arbeit, aber es ist nur ein Minijob. Ich würde lieber eine Vollzeitarbeit machen, dann hätte ich mehr Möglichkeiten für meinen Aufenthalt."
Es spräche nichts dagegen, ihn als Betriebswirt einzusetzen. Als Industriekaufmann, in einer Bank, oder für Wirtschaftlichkeitsberechnungen. Wenn da nicht die praktischen Hürden wären: Aufenthaltsstatus und Arbeitserlaubnis:
"Das ist nicht das Dresden, das es anfangs war"
"Am Anfang sieht man erst nach einem Deutschen, der frei ist. Dann schicken sie den Deutschen. Als Zweites suchen sie einen Europäer. Wenn es keinen Europäer gibt, ist der Dritte jemand, der einen Aufenthalt hat. Nach dem in vierter Position kommen wir. Wir sitzen am Ende der Liste."
Apropos am Ende der Liste. Es stört ihn, was im Moment auf den Straßen passiert. Dass Pegida ihn plötzlich zum Sündenbock macht. Dadurch habe sich die Stimmung in der Stadt verändert, sagt Edris:
"Im letzten Jahr, wenn ich die Leute sehe, ich finde es ok, ich habe sehr nette Leute getroffen. Aber seit die Pegida angefangen hat, wenn ich in der Straßenbahn bin, denke ich, dass die Zeiten jetzt anders sind. Das ist nicht das Dresden, das es anfangs war."
Misstrauischer, feindseliger - ohne erkennbaren Grund. Wie er denkt, sei unwichtig geworden. Nur noch, dass er Muslim ist:
"Als der Krieg angefangen hat hier in Deutschland, sind viele Leute nach Kanada gegangen, in die USA, nach Australien. Denn hier war Krieg. Also, warum sind die Kanadier nicht auf die Straßen gegangen und haben gesagt: Wir brauchen keine Deutschen? Die haben das nicht gemacht. Also warum macht Pegida das jetzt. So ist das auch bei uns: Es sind nicht alle Muslime falsch und gewalttätig. Es gibt sehr gute Muslime bei uns. Was Menschen jetzt machen in islamischen Ländern, das ist nicht das, was unsere Religion uns sagt."
Dann muss Edris wieder los. Der Mann, der sonst anderen hilft, muss in eigener Sache zum Sozialamt. Er braucht selbst ebenfalls eine Wohnung, für sich und seine gehbehinderte Mutter. Edris ist ein vielbeschäftigter Mann:
"Jeden Tag habe ich ein oder zwei Termine. Für die anderen Leute. Das macht mich glücklich. Heute habe ich in meinem Leben etwas getan ... für mich."