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Hilfestellung aus dem Hörsaal

Hochschullehrer müssen keinen Nachweis darüber erbringen, dass sie eine Vorlesung halten können. Viele Universitäten haben daher Fortbildungsabteilungen, in denen sich die Professoren Ratschläge für ihre Lehrveranstaltungen holen könne. Doch auch Studierende machen sich Gedanken: An der Ruhr-Universität in Bochum lassen sich gerade zwölf von ihnen zu Lernexperten weiterbilden - um ihren Professoren zu helfen.

Von Andrea Groß |
    "Ich habe mein Studienfach gewechselt. Und zwar habe ich im ersten Semester noch Orientalistik studiert. Aber die Fakultät war so klein und unstrukturiert, dass mir das Fach, das eigentlich ziemlich interessant ist, dass mir diese Vermittlung keinen Spaß gemacht hat und ich deswegen zur Germanistik gewechselt habe."

    Zu so drastischen Maßnahmen, wie Tina Jelveh haben die elf anderen Lernexperten an der Uni Bochum zwar nicht gegriffen. Doch fast jeder kann von Erfahrungen mit unmotivierten, schlecht organisierten, überheblichen, aber auch unsicheren Lehrpersonen erzählen. Didaktik an der Hochschule sei zwar Teil des hausinternen Fortbildungsprogramms, bisher sei allerdings die studentische Sicht auf das Thema nicht berücksichtigt worden, sagt Anja Tillmann von der Stabsstelle Interne Fortbildung und Beratung der Uni Bochum. 112 Bewerbungen auf den Aufruf, Lernexperte zu werden, zeigen, dass die Studierenden dies als Lücke empfinden, die geschlossen werden muss. Anja Tillmann, Interne Fortbildung:
    "Uns war wichtig, diese Vielfalt auch in den Kriterien gelungenen Lernens wiederzufinden. Und deshalb haben wir eben möglichst aus der Medizin, aus den Ingenieurwissenschaften, aus den Geisteswissenschaften und auch aus den Naturwissenschaften Studierende für die Lernexpertinnengruppe engagiert."

    An zwei Wochenenden haben sich die zwölf ausgewählten Lernexperten nun schließlich getroffen und diskutiert, welche Rahmenbedingungen eine gute Lehre benötigt. Dabei haben sie festgestellt, dass nicht jeder Hochschullehrer gleich ein Gegner studentischer Anregungen ist. Eine Teilnehmerin erzählt, dass ihr Prof Sie überhaupt erst auf den Workshop aufmerksam gemacht hat. Gerade die jüngeren Hochschullehrer seien sehr interessiert gewesen, als ihnen von dem Projekt berichtet wurde. Diese hätten auch weniger Probleme damit, pädagogische oder didaktische Schwierigkeiten einzugestehen. Ann-Christin Neumann, Studentin der Umwelttechnik, hatte beispielsweise ein prägendes Erlebnis in ihrem ersten Semester, als ein Professor lärmende Studierende, die mit Gegenständen warfen, nicht in den Griff bekam:

    "Darauf könnte man die Professoren ja auch speziell schulen, dass sie sich da Autorität verschaffen und sich durchsetzen können. Und dann halt auch durch Drohungen, wie mit der Klausur, dass die schwieriger gemacht wird oder dass die Übungen nicht mehr richtig besprochen werden - dass er da einfach ein bisschen Druck und auch einen Appell an die Studenten loswird."
    Dass die Lehrexperten fachlich auf der Höhe der Zeit sind, setzen die Studierenden voraus. So haben sie es auch in einem Positionspapier festgehalten, dass sie Ende des Monats den Gremien der Fortbildungsabteilung und der Hochschulleitung vorstellen wollen. Die Revolution wollen sie damit nicht ausrufen, erklären sie. Es sei ihnen aber wichtig, auch die eigentlich selbstverständlichen Dinge noch einmal zu benennen. Während der Workshops haben sie aber noch eine weitere Erkenntnis gewonnen: Dass nicht die Dozenten allein, sondern auch sie selbst für eine gute Lehre Verantwortung tragen. Stephan Rüttgers, selbst Tutor bei den Wirtschaftswissenschaftler, schlägt vor, gleich bei diesen möglichen Hochschullehrern von morgen anzufangen:

    "Ich hab - muss ich auch sagen - keinerlei pädagogische Vorkenntnisse vorher gehabt. Ich habe vieles mir selbst erarbeitet, im Laufe der letzten drei Semester halt rausgefunden, was funktioniert, was funktioniert nicht. Aber wenn man diesen Tutoren von vornherein, vielleicht Anfang des Semesters, vielleicht auf Basis unserer Ergebnisse anbieten würde, könnte man gerade in diesen Grundlagenkursen eine Menge an positiver Arbeit erzielen."

    Im Juni ist eine Tagung geplant, bei der solche Anregungen noch einmal diskutiert und auf ihre Durchführbarkeit hin abgeklopft werden sollen. Natürlich sollen möglichst viele Kommilitonen möglichst schnell von den Überlegungen und Anregungen profitieren. Dass mancher altgediente Professor möglicherweise davon nicht so begeistert ist, bremst das Engagement der Studierenden nicht. Viele kleine Schritte, so die Überlegung von Tina Jelveh, führen schließlich auch zum Ziel:

    "Es reicht ja auch, wenn sich das nur zehn Dozenten zu Herzen nehmen. Diese zehn Dozenten unterrichten aber jeweils hundert andere Leute und dann bekommen 1000 Studenten die Möglichkeit, eine gute Vorlesung mitzubekommen. Und das ist doch auch schon mal eine Perspektive. Dass das alle Dozenten umsetzen, davon gehe ich nicht aus, aber ein Teil reicht auch."

    Tipp für Hörer: Hier kann man sich die Lernexperten ansehen.