Uaituambo sitzt auf dem staubigen Boden ihrer Hütte. Sie nestelt einen walnussgroßen Roteisenstein aus einer Plastiktüte. Zwischen ihren angewinkelten Beinen zermahlt sie den Stein zu feinem Pulver.
"Das ist der Otjize, ein Naturstein. Wir sammeln sie dort, bei den Bergen. Die besten sind aber in der Erde. Wir müssen nach ihnen buddeln und sie ausgraben."
Das fein gemahlene Pulver vermischt Uaituambo auf ihrer Handfläche mit Butterfett aus Ziegenmilch. Diese ockerfarbene Paste schmiert sie sich von Kopf bis Fuß auf die Haut und in die Haare.
"Ich mache das jeden Tag. Manchmal, wenn wir ein besonderes Fest haben, auch zweimal am Tag. Die Farbe macht uns schön. Und sie schützt uns vor der Hitze und der Trockenheit."
Das rote Ganz-Körper-Make-Up ist das Erkennungszeichen der Himba-Frauen. Man nennt die Himba deshalb auch "das rote Volk".
Wer das letzte Nomadenvolk Namibias besuchen will, muss ganz in den Norden. Von der Hauptstadt Windhoek fährt man mit dem Auto fast neun Stunden bis in das Provinzstädtchen Opuwo. Opwuo bedeutet in der Stammessprache der Himba "Das Ende" – ein ganz passender Begriff für den staubigen 12.000-Einwohner-Ort. Es gibt drei Tankstellen, drei Supermärkte, ein paar Kneipen und eine Lodge für Touristen. Das war's.
Wurzeln in Angola
Das eigentlich interessante an Opuwo ist das Koaokoveld drumherum: ein fast 50.000 Quadratkilometer großes, trockenes Gebiet. Mit felsigen Gebirgen, Sanddünen und dürrer Vegetation. Hier leben die Himba seit mehr als 500 Jahren. Ihre Vorfahren sind im 16. Jahrhundert aus Angola eingewandert. Und haben über die Jahrhunderte zäh allerlei Gefahren und Einflüssen getrotzt: Missionare, räuberische Nama-Völker, deutsche Kolonialherren und stumpfe Trash-TV-Sendungen von RTL und Prosieben – sie alle haben das traditionelle Leben der Himba letztlich kaum beeinflussen können. Heute leben noch gut 20.000 von ihnen in der Region. So ursprünglich wie ihre Ahnen.
Über eine holprige Schotterpiste fahren wir von Opuwo nach Westen. Dann plötzlich rechts ab und querfeldein durch den kargen Busch. Bis wir vor einer Ansammlung von campingzeltgroßen, runden Hütten halten, umgeben von einem kreisförmigen Zaun aus Ästen und Zweigen. Hier wohnt eine Himba-Großfamilie traditionell in ihrem Kraal in Otutati.
Matirepo lässt uns am Auto warten. Der Touristenführer ist selbst Himba und will erst beim Familienoberhaupt fragen, ob wir den Kraal betreten dürfen. Nach einer kurzen Unterhaltung sind wir willkommen.
Feuer bedeutet Leben
"Hier in der Mitte ist der eigentliche Kraal. Das Gehege für das Vieh. Drumherum sind verschiedene Hütten. Das ist die Hütte des Familienoberhauptes. Dort schläft er mit seiner ersten Frau. Daneben sind noch die Hütten von seiner zweiten und seiner dritten Frau. Alle Hütten bestehen aus Ästen und Kuhdung. Wir sammeln den Dung, mischen ihn mit Erde und Wasser und machen daraus die Wände. Das Dach besteht aus Stroh."
Zwischen der Hütte des Familienoberhauptes und dem Kraal ist ein großer Holzhaufen: Das heilige Feuer. Maakaapo ist der Sohn des Chiefs und wird ihm eines Tages nachfolgen. Er erklärt mir, wie wichtig das heilige Feuer für den Kraal ist.
"Hier am Feuer finden alle unsere traditionellen Zeremonien statt. Zum Beispiel Hochzeiten, oder wenn ein Mädchen zur Frau wird. Die erste Frau des Chiefs ist für das Feuer verantwortlich. Sie muss es früh am Morgen entzünden, und bevor die Sonne untergeht. Für uns ist das eine heilige Stelle. Besucher dürfen nicht zwischen der Hütte, dem Kraal und dem Feuer umhergehen. Sie müssen außen rum laufen."
Zu jeder der Hütten gehört noch eine Küche, die aus Baumstämmen und Ästen gebaut ist. Hier kochen die Frauen Maisbrei auf offenem Feuer. Vor einer Art Hundehütte auf Stelzen bleibt Matirepo stehen.
Kein Strom, kein fließend Wasser, kein Telefon
"Das sind unsere Vorratskammern. Darin lagern wir vor allem Maiskörner. Vorher trocknen wir den Mais auf dem Küchendach. Die Körner werden dann mit Steinen gemahlen, um Maisbrei zu machen. Und hier, in dieser Holz-Box im Baum bewahren wir Fett und Fleisch auf. Wir haben ja keinen Kühlschrank, um das Fleisch frisch zu halten. Also schneiden wir es in Streifen, trocknen es und lagern es hier drin. Immer in den Bäumen, wegen des Schattens. Und weil so die Hunde nicht dran kommen."
Im Kraal scheint die Zeit stehen geblieben zu sein. Wir kommen uns vor wie einem Freilichtmuseum, in dem vergangene Kulturen anschaulich dargestellt werden. Aber das ist die Realität der Himba im Jahr 2014: kein Strom, kein fließend Wasser, kein Telefon, kein Fernseher und kein Handy-Empfang. In den Hütten schlafen die Menschen auf Tierhäuten. Auch sonst ist die Einrichtung karg: Eine Feuerstelle, an den Wänden hängen Felle und Schmuck. Einfachstes Leben in der unwirtlichen Natur des Kaokovelds.
"Wir sind hier geboren und aufgewachsen. Haben immer hier gelebt. Unser Leben ist nicht immer leicht, aber wir mögen es so. Es ist unsere Tradition."
Schmuck als Symbol
Uaituambo und Nguaundjajo sitzen mit ihren kleinen Kindern vor einer der Lehmhütten im Sand. Die Sonne brennt, es ist trocken und staubig, überall schwirren Fliegen umher. Neben der rötlichbraun gefärbten Haut erkennt man Himba-Frauen an ihrer traditionellen Kleidung. Sie tragen Schürzen aus Kuh- oder Ziegenleder und Fell. An den Hand- und Fußgelenken eine Reihe von Messingringen. Manche haben selbst gemachte Sandalen aus Leder oder alten Autoreifen. Oben herum tragen Himba-Frauen keine Kleidung - sie sind immer barbusig. Dafür aber üppig mit traditionellem Schmuck aus Leder, Holz und Muscheln behangen. Der dient nicht nur zur Zierde, sondern hat auch symbolische Bedeutung.
"Hier das Halsband ist weiß. Das heißt, dass dieses Mädchen noch keine Kinder hat. Sobald sie Kinder bekommt, wird sie ein braunes Halsband aus Leder tragen. Und die Muschel, die sie hier auf der Brust trägt, wird kleiner sein als die jetzt. Die Muscheln bekommen wir von Händlern, die sie vom Meer in Angola mitbringen. Sie tauschen sie bei uns ein, zum Beispiel gegen Fleisch oder Leder. Manche von diesen Muscheln sind Jahrzehnte alt. Denn sie werden immer von der Mutter an die Tochter vererbt."
Auch bei der aufwendigen Haartracht der Himba geht es nicht nur um Schönheit. Sondern um Tradition und sozialen Status.
"An den eng geflochtenen Zöpfen der Kinder erkennt man das Geschlecht. Die Mädchen tragen die Zöpfe nach vorne. Die Jungen nach hinten. Jede Familie hat ihren eigenen Haar-Stil. Daran kann man die Kinder zuordnen. Bei den kleinen Kindern hier sind die Haare noch zu kurz. Also rasiert man fünf Streifen. Sobald die Haare lang genug sind, werden daraus Zöpfe geflochten. Wenn die Mädchen ihre erste Menstruation hatten, gelten sie bei uns als Frauen. Dann können sie diese Lammhaut auf dem Kopf tragen. Als Zeichen der Reife. Dieses Mädchen hat noch keine Lammhaut, weil es noch zu jung ist."
Ockerfarbene Haut, traditionelle Haarpracht und variantenreicher Schmuck machen das Schönheitsideal der Himba-Frauen aus. Ein Ideal, das für uns westlich geprägten Besucher vielleicht ungewohnt ist. Aber es stimmt: Die Himba-Frauen sind schön - und sie strahlen eine große Würde aus. Einige Himba-Männer sind - was die Kleidung angeht - etwas moderner eingestellt. Viele mischen die traditionelle Schürze mit T-Shirts oder Fußball-Trikots. Wer von den männlichen Himbas in der Stadt arbeitet, wie Matirepo, ist höchstens noch an seiner Zahnlücke zu erkennen. Einem anderen Erkennungszeichen der Himba.
Ein paar hundert Meter weiter, auf dem Maisfeld. Kuveri sitzt in der Hocke auf den Wurzeln eines großen Baums. Er mag um die Mitte vierzig sein, aber das harte Leben hat ihm tiefe Furchen ins Gesicht getrieben. Drahtig ist er. Und er wirkt müde.
Das Vieh sichert ihr Überleben
Mühevoll pflanzt seine Familie Samen im trockenen und brüchigen Boden. Eigentlich ist jetzt Regenzeit – aber der Regen kommt nicht. Für Kuveri und alle anderen Himba ist das eine schlechte Nachricht.
"Die Dürre macht uns schwer zu schaffen. Nicht nur, weil wir kaum Mais anbauen können. Vor allem für unser Vieh ist das problematisch. Wir müssen weite Wege gehen, damit es etwas zu fressen und Wasser findet. Viele unserer Tiere sind schon verhungert oder verdurstet. Unser Vieh bedeutet uns alles. Vieh bedeutet Fleisch, Milch, Fell, Horn und Fett. Ohne Vieh können wir nicht leben."
Bei den Himba dreht sich alles um ihre Kühe und Ziegen. Sie sind der einzige Besitz, der wirklich zählt. Ob ein Himba reich ist, erkennt kann an der Größe seiner Herde. Geld oder andere materielle Dinge sind nicht so wichtig. Alles wird dem Wohlergehen der Tiere untergeordnet, das erklärt auch das Nomadendasein der Himba: Wenn es beim Stamm-Kraal nichts mehr zu fressen gibt, ziehen die Himba mit dem Vieh in Regionen, wo es noch Gras und Wasser gibt. Dort lassen sich die Himba für eine Weile nieder und bauen provisorische Hütten aus Baum-Ästen. Wenn die Gegend abgegrast ist, ziehen sie weiter. Vor rund 30 Jahren waren die Himba schon einmal Opfer einer großen Dürre:
Mehr als 130.000 Tiere sind damals verendet, die Himba standen am Abgrund. Zum Teil mussten sie das Leder der toten Tiere essen. Doch sie haben sich aufgerappelt, der Regen kam zurück, heute sind die Viehbestände wieder fast so groß wie vor der großen Dürre. Aber es bleibt ein Kampf.
Große Familie als Überlebensstrategie
Manchmal wendet sich Kuveri am heiligen Feuer an seine Vorfahren. Sie sollen Mukuru, den Gott der Himba davon überzeugen, Regen auf die Erde zu schicken. Und das Sterben des Viehs zu verhindern.
Kuveri hat fünf Kinder. Und einige Enkelkinder. Große Familien zu haben ist eine Überlebensstrategie für die Himba. Ohne die Kinder wäre der Alltag kaum zu schaffen. Sobald sie körperlich dazu in der Lage sind helfen sie bei der Maisernte. Hüten das Vieh. Und kümmern sich um die jüngeren Kinder. Zur Schule gehen die wenigsten. Auch wenn es mittlerweile mobile Schulen gibt, die zu den Himba kommen. Kuveri schickt nur einen Sohn zum Unterricht.
"Es ist mir wichtig, dass er zur Schule geht. Das Leben ändert sich, die Welt ändert sich. Mit dem was er lernt, kann er uns sicher auch helfen. Aber die anderen Kinder brauchen wir hier. Sie sollen unsere Kultur weiterführen."
Zurück im Kraal in Otutati: Uaituambo und Nguaundjajo sind nie zur Schule gegangen. Sie füllen die klassische Himba-Frauenrolle aus: Vieh hüten, Kochen, Feldarbeit, heiraten, Kinder bekommen – und so den Lebenskreislauf der Himba aufrechterhalten. Schreiben und lesen können sie nicht. Auch zählen, so wie wir es kennen, ist für sie unbekannt. Ich frage mich: Wie wissen sie dann, ob zum Beispiel alle ihre Tiere vollzählig sind?
"Wir wissen genau, wie unser Vieh aussieht. Wenn es in den Kraal zurückkehrt, merken wir, wenn zum Beispiel die Kuh mit dem braunen Kopf und dem weißen Körper fehlt. So funktioniert das bei uns."
Für mich mag das seltsam klingen, für Uaituambo und Nguaundjajo ist das völlig logisch. Himba-Logik eben, die sich über hunderte von Jahren bewährt hat.
Bevor wir weiterfahren, wollen Uaituambo und Nguaundjajo auch ein paar Dinge von mir wissen.
Bevor wir weiterfahren, wollen Uaituambo und Nguaundjajo auch ein paar Dinge von mir wissen.
Bin ich verheiratet? Mit wie vielen Frauen? Habe ich Kinder? Warum nicht? All diese Fragen kann ich leicht beantworten. Etwas schwieriger wird es, als sie wissen wollen, wie weit mein Land weg ist. Wie erklärt man das jemandem, für den Stunden und Minuten keine Rolle spielen und der noch nie eine Uhr besessen hat? Für den Kilometer eine völlig abstrakte Größe sind? Der das Prinzip des Flugzeugs nicht kennt?
"500 Tagesmärsche" versuche ich es. "Und Ihr müsst auch durch große Wasser schwimmen." Ich bin mir nicht sicher, ob ich das wirklich gut erklärt habe. Aber Uaituambo und Nguaundjajo scheinen beeindruckt. Zum Abschied bedanken sie sich für den Besuch und meinen, dass ich beim nächsten Besuch Kinder haben muss.
Kampferbaum und Mopane
Auf dem Weg zu den Epupa-Wasserfällen im Norden bleiben wir am Rand der Schotterpiste stehen. Matirepo will mir zwei Bäume zeigen, die für die Himba im Alltag unverzichtbar sind: Kampferbaum und Mopane sind Nahrung, Baumaterial, Medizin und technisches Hilfsmittel in einem - sozusagen die Multifunktionsbäume der Himba.
"Aus dem braunen Kampferbaum machen wir Holzbehältnisse, Löffel und unsere traditionellen Holzkopfkissen. In der Regensaison ist der Baum vollgesogen mit Wasser. Die jungen Leute, die das Vieh hüten, kauen das Mark des Baums. Der Saft ist süßlich und hilft bei Hunger und Durst. Der schwarze und der braune Kampfer schmecken unterschiedlich. Ich würde sagen: der eine wie Fanta, der andere wie Cola."
Der Mopane-Baum wird von den Himba vor allem als Baumaterial genutzt – für Hütten, Zäune, Vorratskammern. Aus den langen, biegsamen Ästen machen sie Seile, mit denen sie zum Beispiel erlegte Gazellen auf ihre Lasttiere binden. Einfach in dem sie die kleinen Zweige abbrechen, die harte Rinde abziehen und den zusammengerollten Ast in Wasser einlegen, damit er noch elastischer wird.
Je mehr Matirepo mir zeigt, desto klarer wird mir, warum die Himba seit hunderten von Jahren ihr Leben leben, ohne sich zu sehr auf Einflüsse von außen einzulassen. Sie haben sich so gut an die Umgebung angepasst, dass sie hier in der Natur fast alles finden, was sie brauchen. Ab und zu Touristen durch den Kraal führen, macht ihnen nichts aus. Ansonsten wollen sie einfach nur ihr traditionelles Leben leben, ohne ständig um ihren Lebensraum fürchten zu müssen.
Drei holprige Autostunden nördlich von Otutati. Der Kunene-Fluß markiert die Grenze zwischen Namibia und Angola. Hier im äußersten Nordwesten Namibias rauscht der Kunene tosend 40 Meter in den Fels herab. "Epupa" heißen die Wasserfälle – das ist Herero-Sprache und heißt "fallendes Wasser". Hier wollte die namibische Regierung vor einigen Jahren einen Staudamm bauen, um Strom zu erzeugen. Namibia leidet seit Jahren unter Strommangel.
Dammprojekt auf Himba-Land
Aber die Himba haben sich gegen den Damm auf ihrem Land gewehrt – und Unterstützung aus aller Welt bekommen. Jahrelang hat Streit gedauert. Schließlich hat die Regierung klein beigegeben – ohne aber grundsätzlich auf einen Staudamm verzichten zu wollen. Jetzt soll er 60 Kilometer weiter westlich gebaut werden, in den Baynes-Bergen. Der 21-jährige Vevavceramo wohnt hier. Er trägt die traditionelle Schürze aus Tierhaut – und dazu ein Fußballtrikot vom französischen Club Olympique Marseille. Das typische Mischoutfit der jungen Himba-Männer. Wie fast alle Himba ist er auch gegen den Baynes-Damm - denn auch dort ist ihr Land.
"Wir wollen hier keinen Damm. Das ist unser Land! Wir leben hier. Unser Vieh grast hier. Und unsere Vorfahren sind hier begraben. Ein Damm würde das alles zerstören. Wir müssten wegziehen und hätten keinen Platz mehr zum Leben."
Zurück in der Kreisstadt Opuwo: Auf den Straßen mischen sich halb nackte Himba-Frauen mit westlich gekleideten Namibiern anderer Völker. Die Straßen sind sehr belebt – aus der gesamten Region kommen die Menschen zum Einkaufen hier her. Manche brauchen mit dem Auto vier bis fünf Stunden hier her.
Der 78-jährige Gouverneur Joshua Hoebeb sitzt hinter seinem Schreibtisch in einem flachen gelben Bungalow. Ein freundlicher älterer Mann, der noch zwei Jahre im Amt ist. So lange muss er sich mit dem Damm-Projekt herumärgern. Aber er gibt sich überzeugt, dass der Damm kommt.
"Sie müssen verstehen: Jedes Land, das wachsen will, braucht Strom. Ich frage mich immer: Bauen die Menschen in den Ländern, die uns kritisieren, keine Dämme? Die Amerikaner? Die Deutschen? Die Schweizer? Natürlich bauen sie! Und zwar wie wir: im Interesse der gesamten Nation. Nicht für ein paar einzelne Menschen."
Immer wieder kämen Menschen aus der Region zum ihm, weil sie Strom in ihrem Dorf wollten. Dafür bräuchten sie aber den Damm mit einem Elektrizitätswerk. Gouverneur Hoebeb glaubt sowieso, dass hinter den Protesten der Himba ganz andere Interessen stecken.
"Die Himba werden von anderen vorgeschoben. Von Leuten, die hier zum Beispiel mit Tourismus Geld verdienen. Die Frage ist doch: Wie viele Himba sind wirklich betroffen? Wir haben das untersucht: Wir reden hier von höchsten 100 Menschen in sechs Dörfern."
Der Gouverneur lässt keinen Zweifel: Der Damm wird kommen. Und die Überlebenskünstler der Himba werden auch diese Herausforderung meistern müssen.
Tradition und Moderne vereint
Der Streit um den Damm zeigt: In einem aufstrebenden Land wie Namibia wird es für die Himba nicht leichter. Namibia ist zwar bekannt für scheinbar unendliche Weiten und dünn besiedelte Landstriche. Aber wenn die Moderne Einzug hält, kann es für traditionell gesinnte, nomadische Völker eng werden – im wahrsten Sinne des Wortes. Und immer wieder stoße ich hier auf die Frage: Was ist wichtiger? Dass die Himba ihre Jahrhunderte alte Kultur ungestört fortführen können? Oder dass sich das Land entwickelt und auch die Himba-Menschen Anschluss an das moderne Leben finden?
Matirepo ist für mich das ideale Beispiel, wie die Himba auch künftig ihren Platz finden können. Er bezeichnet sich selbst als einen modernen Himba. Er ist ein paar Jahre zur Schule gegangen, arbeitet in der Stadt als Touristenführer, kleidet sich westlich modern, schickt zwei seiner fünf Kinder zum Schulunterricht. Aber außerhalb seines Jobs dreht sich alles um die Familie und das Vieh. Dann lebt Matirepo in seinem Kraal und schläft in seiner einfachen Hütte aus Dung und Holz – allerdings nicht auf einer dünnen Lederhaut, sondern in einem normalen Bett.
"Ich lebe zwei Leben. Mein Äußeres ist modern. Aber innen drin bin ich Himba. Für mich ist diese Mischung kein Problem, weil ich die Tradition sehr schätze. Das ist mir sehr wichtig. Denn wenn Du Deine Kultur verlierst – dann ist das wie ein Baum ohne Wurzeln."
Matirepo ist sich sicher: Die Himba haben seit hunderten von Jahren Gefahren aus den verschiedensten Ecken getrotzt. Sie werden das auch weiterhin tun.
"Die Himba-Tradition ist in uns drin. Es ist ein Lebensstil, den wir lieben. Das wird auch so bleiben. Viele junge Himba leben so, obwohl sie nicht gezwungen werden. Sie mögen es. Sie halten es nicht für notwendig, zum modernen Leben zu wechseln. Kleine Dinge werden sich vielleicht ändern. Aber unsere grundlegende Kultur wird sich nicht ändern."