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Himmlische Lichter

Geophysik.- Im Jahr 1885 wurden nach dem Ausbruch des Vulkans Krakatau erstmals leuchtende Nachtwolken gesichtet. Seitdem sind Forscher den rätselhaften Lichterscheinungen auf der Spur. Ein Spezialsatellit soll nun das Geheimnis hinter dem Phänomen lüften.

Von Dagmar Röhrlich | 21.12.2009
    Wenn die Sonne verschwunden ist und den Horizont gerade noch in tiefstes Rot taucht, schweben sie am dunklen Himmel: die silbrig-bläulichen Schleier der "Leuchtenden Nachtwolken":

    "Wir erforschen mit dem Nasa-Satelliten AIM diese Wolken, die sich in rund 80 Kilometern Höhe an der Grenze zum Weltraum bilden, in der Mesosphäre, wo die Luft 100 Millionen Mal trockener ist als in der Sahara und der Luftdruck 100.000 Mal geringer als an der Erdoberfläche. Diese Wolken bestehen aus Eiskristallen, und sie leuchten, weil die untergegangene Sonne sie noch anstrahlt. Sie bilden sich über den Polarregionen, wenn die Temperatur in der Mesosphäre unter minus 143 Grad Celsius sinkt."
    Es muss nicht nur kalt genug sein, damit diese Eiswolken entstehen, sondern es muss auch Wassermoleküle geben, die an winzigen Staubteilchen kondensieren und zu Eiskristallen gefrieren, erklärt James Russel vom Center for Atmospheric Sciences an der Hampton University in Virginia. Die Staubteilchen sind vor allem Kosmischer Rauch - also das, was bleibt, wenn Mikrometeorite beim ersten Kontakt mit der Atmosphäre verglühen:

    "Mehr als 25 Jahre lang haben wir über die Rolle des Kosmischen Rauchs bei der Entstehung der Leuchtenden Wolken nachgedacht. Nun zeigen die AIM-Daten, dass sie sich immer dann bilden, wenn besonders wenig Kosmischer Rauch da ist."

    Überhaupt schweben Leuchtende Nachtwolken nur während der Sommermonate am Himmel, wenn es - gegen die Intuition - in der Mesosphäre am kältesten ist:

    "Den AIM-Daten zufolge bestimmen kleine Temperaturveränderungen das Verhalten der Wolken und legen auch Beginn und Ende der Saison fest. Das geht alles sehr abrupt. Es ist, als ob man eine geophysikalische Glühlampe an- oder abschaltet: Von keiner Wolke bis zur vollen Ausbildung dauert es nur fünf bis zehn Tage."

    Während der Saison ist die Dynamik der Eiswolken verblüffend. Scott M. Bailey vom Virginia Polytechnic Institute:

    "Struktur und Veränderlichkeit sind unglaublich. Sie verändern sich nicht nur andauernd, sie bilden keine einheitliche Wolkendecke, sondern es gibt alle Formen, die wir auch von den Wetterwolken her kennen. Auf den Bildern sehen wir Rippeln oder Ringe, in denen sich Wolken um wolkenfreie Zonen drehen."

    Dass sie so empfindlich auf die Temperatur reagieren, macht sie zu idealen Indikatoren für den Klimawandel. Denn der spielt anscheinend eine Rolle dabei, dass die Wolken immer heller leuchten, erklärt James Russel:

    "In den vergangenen 27 Jahren sind die Wolken immer häufiger geworden und selbst in Gebieten zu sehen, in denen sie früher nicht beobachtet werden konnten. Eine gute Erklärung dafür bietet der wachsende Methangehalt in der Atmosphäre, denn aus Methan und Sauerstoff entsteht in der Mesosphäre Wasser. Wegen der niedrigen Temperaturen gefrieren die Wassermoleküle an den Staubpartikeln sofort zu Eiskristallen - den Bausteinen der Wolken."

    Auch die Kohlendioxidemissionen der Menschheit sorgen dafür, dass die Wolken in den vergangenen Jahren immer schöner glitzern. Der Grund: Je höher die CO2-Konzentration, umso mehr Sonneneinstrahlung wird in unteren Atmosphärenschichten absorbiert. Das heizt in Bodennähe das Treibhaus Erde auf, während die oberen Schichten auskühlen:

    "Unsere Modellrechnungen zeigen, dass der Trend bei den Eiswolken durch Temperaturveränderungen von nur einem Grad Celsius pro Jahrzehnt verursacht wird. Anscheinend liegt ein wesentlicher Teil der Temperaturveränderungen in der Wolkenzone in 83 Kilometern Höhe daran, dass sich Stratosphäre klimabedingt abkühlt. Eben weil die Troposphäre sich aufheizt. Der Klimawandel beeinflusst also das gesamte System Erde - bis an den Rand zum Weltraum."