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Himmlische Zeugen

Astronomie. - In unserer Reihe "Schatzkammern der Wissenschaft" möchten wir Ihnen besondere Sammlungen an Exponaten vorstellen, die im alltäglichen Museumsbetrieb oft eher wenig beachtet werden, die aber bei näherer Betrachtung besonders spannend sind.

Von Michael Stang | 09.12.2008
    "1889 ist die Sternwarte in Betrieb gegangen und das ist eben noch das Originalteleskop aus der Erstausstattung."
    Will man das Observatorium in Bamberg besuchen, muss man sich von der Innenstadt durch eng verwinkelte Gassen vorarbeiten, bis man oben angekommen die ganze Stadt überblicken kann. Ulrich Heber führt durch einen Verbindungsgang zwischen dem Bürogebäude und dem Beobachtungsgebäude der Dr. Remeis-Sternwarte.
    "Wir haben 33.000 Fotoplatten, die also alle registriert sind, über die es alle nötigen Informationen gibt."

    Obschon sich die Sammlung in Bamberg befindet, gehört sie zum Astronomischen Institut der Universität Erlangen-Nürnberg. In zwei Räumen sind die Fotoplatten in wuchtigen Schränken untergebracht. Heber:


    "Die sind also hier in so Stahlschränke drin und teilweise dann wieder noch in solchen Holzkästen geordnet nach den Himmelsbereichen. Also das ist dann einer der Nordhimmelsbereiche und dann noch nach Epochen, wann es beobachtet wurde, also hier zum Beispiel 1932 bis 1938."

    1946 wurde die Ostkuppel durch ein Spiegelteleskops mit 60 Zentimetern Durchmesser technisch aufgestockt. Bis 1962 wurden damit die Sterne beobachtet und auf Glasplatten photographisch festgehalten. Dann war Schluss, weil die Sicht durch den Lichtsmog der Stadt immer schlechter wurde. In den darauf folgenden zwölf Jahren unterhielt das Institut noch eine Außenstelle in Südafrika. 1974 folgte der Zusammenschluss mit vielen Ländern zur europäischen Südsternwarte Eso in Chile. Ulrich Heber zieht eine kleine Holzkiste aus einem der Archivschränke, um eine der typischen Fotoplatten zu zeigen. Das ist nicht so einfach.

    "Die sind schwerer also man denkt. Zehn Kilo würde ich schon sagen."

    Aus einem Tütchen aus Seidenpapier holt er vorsichtig eine gläserne Platte hervor, ungefähr zehn Mal zehn Zentimeter groß. Man sieht winzige schwarze Punkte, alles Sterne. In diesem Umschlag liegt auch das Logbuch. Darauf sind penibel sämtliche Informationen festgehalten, welches Stück Himmel wann, wo und wie aufgenommen wurde.

    "Das ist also eine Platte, die dann in Südafrika gemacht worden ist, die die große Magellansche Wolke enthält, das ist unsere Nachbargalaxie."

    Im Raum nebenan arbeitet René Hudec von der tschechischen Akademie der Wissenschaften. Seit fast 30 Jahren kommt der Astronom regelmäßig nach Bamberg, um an den alten Fotoplatten zu forschen. Hudec:

    "Also, die typische Platte hat ungefähr 100.000 Sterne und da kann man sich leicht vorstellen, wie mühsam es ist, zum Beispiel die ganze Platte zu bearbeiten."

    Was sich heute einfach am Computer analysieren lässt, war bis vor wenigen Jahren noch Handarbeit. In der Ecke steht ein riesiges gusseisernes Gerät ein so genannter Blinkkomparator, ein übergroßes Binokular. Damit suchten Astronomen veränderliche Objekte, deren Helligkeit schwankt. Heber:

    "Und wenn man jetzt Fotoplatten ein und desselben Himmelsbereiches aus zwei verschiedenen Epochen hat, dann kann man Objekte am besten natürlich finden, wenn man die Platten miteinander vergleicht."

    René Hudec und Ulrich Heber merkt man an, dass sie ein Faible für die Maschine aus den 50er Jahren haben, die noch bestens funktioniert. Die beiden bringen sie in Gang. Heber:

    "Dann schaut man hier durch das Okular und hier ist ein Klappspiegel eingebaut, so dass der Sehstrahl einmal auf die eine Fotoplatte schaut und wenn der Spiegel rüberklappt, guckt man auf die andere."

    In immer schnellerem Rhythmus klappt der Sehstrahl hin und her und das Auge erkennt schnell, welcher Stern blinkt. Rund 1600 veränderliche Sterne wurden so hier in Bamberg entdeckt.

    Obwohl seit Jahrzehnten in Bamberg keine Sterne mehr beobachtet und fotografiert werden, verfolgen Ulrich Heber, René Hudec und ihre Kollegen ein ehrgeiziges Ziel. Sie digitalisieren alle Platten für ein weltweites Projekts, initiiert von der Akademie der Wissenschaften in Bulgarien. In einem riesigen Datenarchiv sollen später alle weltweit existierenden zwei Millionen Fotoplatten digital online zugänglich sein. René Hudec ist aber nicht nur aus Tschechien gekommen, um mühsam Platte für Platte zu scannen.

    "Was wir jetzt machen, das hat Anschluss an moderne Satellitenprojekte. Also, die Satelliten beobachten Röntgenquellen und Gammaquellen und die kann man auch auf den Platten beobachten und das ist wichtig, ja?"

    Wenn Forscher mit modernen Geräten astronomische Phänomene, etwa Doppelsterne, beobachten, können die Astronomen in Bamberg einfach im Archiv prüfen, wann und wie oft sich dieses Spektakel schon wiederholt hat. Hudec:

    "Ich sage dazu, das ist eine Zeitmaschine, ja? Weil, da kann man 100 Jahre zurückreisen in einem Tag, das ist gut, oder?"
    Die Sternwarte Bamberg. Bis 1962 wurden hier Sterne beobachtet und auf über 33.000 Fotoplatten dokumentiert.
    Die Sternwarte Bamberg. Bis 1962 wurden hier Sterne beobachtet und auf über 33.000 Fotoplatten dokumentiert. (Michael Stang)
    Der tschechische Astronom René Hudec schaut durch einen alten Blinkkoperator.
    Der tschechische Astronom René Hudec schaut durch einen alten Blinkkoperator. (Michael Stang)