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Hindu-Freiwilligen-Korps RSS
Indiens unheimliche Macht im Hintergrund

Indiens neuem Ministerpräsidenten Narendra Modi haftet das Etikett eines "Hindu-Nationalisten" an. Was diese Geisteshaltung jedoch politisch bedeutet, darüber wird auch in Indien viel spekuliert. Ein Schlüssel zum Verständnis des neuen starken Mannes in Delhi könnte sein langjähriges Wirken im "RSS" sein, dem nationalistischen Hindu-Freiwilligen-Korps. Angeblich verdankt Modi dem "RSS" sogar seinen Wahlsieg.

Von Sebastian Hesse |
    Narendra Modi feiert seinen Wahlsieg in Indien.
    Narendra Modi feiert seinen Wahlsieg in Indien. (picture alliance / dpa / Money Sharma)
    Es ist kurz vor Sonnenuntergang im Bagumpuva Park im Süden von Neu-Delhi. Zwei Mal am Tag, - im Morgengrauen und während der Abenddämmerung -, exerziert hier der "Rashtriya Swayamsevak Sangh". Die Inder, die Abkürzungen lieben, sprechen vom 'RSS'.
    Uniformen erinnern an britische Kolonialsoldaten
    Die Zusammenkunft im Park beginnt mit einem Fahnenappell: Vor der orangefarbenen Hindu-Flagge deuten die Teilnehmer mit angewinkeltem Arm auf ihr Herz. Wer es sich finanziell leisten kann, der trägt stolz die Kaki-Shorts des RSS, die an die Uniformen britischer Kolonialsoldaten erinnern. Eine Stunde lang steht nun eine Mischung aus Sport, Spiel und militärischem Drill auf dem Programm.
    "Der RSS hält uns fit, lehrt uns Disziplin und Wissen über die alten hinduistischen Schriften", sagt Saurabh Nandy, "über die Religion und was gut ist am Hinduismus!" Wobei der Begriff für den RSS weniger von spiritueller Bedeutung ist:
    "Hinduismus ist ein Lebensstil für alle Inder", betont Saurabh, "der Hinduismus vereint unser Land." Auch Pawan Kumar Pandey fühlt sich von der Idee angezogen, nationale Identität über einen bestimmten Lebensstil zu pflegen. "Man lernt, wie man überlebt, wie man sich richtig benimmt. Hinduismus ist so etwas wie eine wissenschaftliche Religion: Es geht darum, den Indern und der ganzen Welt unsere kulturellen Errungenschaften nahe zu bringen."
    Überleben lernen
    So wie Saurabh und Pawan muss man sich auch den jungen Narendra Modi vorstellen: Angezogen von der eisernen Disziplin und dem klar strukturierten Weltbild des pfadfinder-ähnlichen RSS. Zunächst waren die RSS-Exerzitien reine Freizeitbeschäftigung. Als junger Mann, nach seinem Politikstudium, heuerte Modi dann Vollzeit bei dem Korps an, erzählt sein Biograf Nilanjan Mukhopadhyay:
    "Er ist mit 21, 22 Jahren zum RSS gestoßen. Anfänglich hat er einfache Aufgaben für die Anführer erledigt: Ihre Kleider gewaschen, ihnen Tee gekocht. Das war für ihn nicht erniedrigend, denn hier konnte er Beziehungen knüpfen", sagt Mukhopadhyay. Was folgte, war der kometenhafte Aufstieg des Narendra Modi: Erst in dem Freiwilligen-Korps, dann in der Partei, die der RSS als Schwesterorganisation sieht: Der 'BJP', 'Bharatiya Janata Party'.
    Zwei Mal am Tag, im Morgengrauen und während der Abenddämmerung, exerziert im Süden von Neu-Delhi der "Rashtriya Swayamsevak Sangh". Die Inder, die Abkürzungen lieben, sprechen vom "RSS".
    Zwei Mal am Tag, im Morgengrauen und während der Abenddämmerung, exerziert im Süden von Neu-Delhi der "Rashtriya Swayamsevak Sangh". Die Inder, die Abkürzungen lieben, sprechen vom "RSS". (Sebastian Hesse)
    Der RSS half Modi, der aus einfachen Verhältnissen stammt, sich dem Einfluss seiner Familie und einer arrangierten Ehe zu entziehen - er lebt bis heute zölibatär. Man sagt, dass er seinen bis heute asketischen Lebensstil in den Kadern des RSS eingeübt hat. Und auf dem Ticket der BJP machte Modi dann politische Karriere: Als Regierungschef im Bundesstaat Gujarat und jetzt in Neu-Delhi. Und nun, auf dem Zenith seiner Macht, stellen sich viele in Indien die bange Frage: Was bedeuten seine RSS-Vergangenheit und Prägungen für seine Politik? Offiziell gibt sich der RSS unpolitisch:
    "Der RSS ist eine soziale Einrichtung, die sich für eine bessere, friedfertige und fortschrittliche Gesellschaft einsetzt", sagt RSS-Generalsekretär Ram Lal, "man darf uns nicht in die Nähe von Politik rücken!"
    RSS gibt sich unpolitisch
    Doch die besteht nicht nur durch die Bande mit Modis BJP-Partei, sondern auch den RSS-nahen Think Tank "India Policy Foundation". Deren Direktor ist Rakesh Sinha: "Der RSS wurde 1925 in Najpur gegründet", erzählt Professor Sinha, "als nationalistische Organisation. Er will die Leute motivieren, sich für ihr Heimatland zu engagieren."
    "Wir träumen davon, das Kastensystem, die Provinzialität und Loyalitäten zu anderen Ländern und Kulturen zu überwinden", so der RSS-Vordenker, "wir sollten als mächtige Nation zusammenfinden." Mit Loyalitäten zu anderen Ländern meint Sinha etwa die Unterstellung, die 12 bis 15 % Muslime in Indien, - die Schätzungen schwanken -, würden Pakistan als ihre eigentliche Heimat begreifen. Der RSS definiert auch Bangladesch und Teile Afghanistans als kulturell indisch:
    Politisch repräsentiert sei diese Kultur ausschließlich durch Neu-Delhi, durch den indischen Staat. Was aber heißt das in Regierungshandeln übersetzt, wenn man die indische Nation geografisch größer als den eigenen Staat und als im Kern hinduistisch definiert? Und inwieweit bestimmt die RSS-Haltung die politische Agenda von Narendra Modi? Darüber wird in Indien gerade viel spekuliert. Und so mancher, wie hier die kommunistische Abgeordnete Brinda Karat, hat auch Antworten parat:
    "RSS - das steht für Nationale Zerstörungs-Organisation! Diese Leute haben immer nur gespalten! Patriotismus entsteht durch Zusammenrücken; und nicht, indem man Hass sät!" Das Fallbeispiel, das immer für Modis Hindu-Nationalismus genannt wird, ist, dass er sich als Premier von Gujarath nie entschuldigt hat für die Pogrome 2002 an Muslimen in seinem Staat. Professor Sinha lässt diesen Vorwurf nicht gelten:
    "Hat es seit 2002, bis heute, irgendwelche Beschwerden gegeben, etwa bei der Kommission für Minderheitenschutz in Neu-Delhi?", fragt der RSS-Ideologe rhetorisch, wohl wissend, dass dem nicht so war.
    Der Vorwurf der Islam-Feindlichkeit wird vehement zurückgewiesen
    Auch am Rande der RSS-Exerzitien im Bagumpuva-Park wird der Vorwurf, das Hindu-Korps sei Islam-feindlich, vehement zurückgewiesen.
    "Wenn sich die Muslime als Inder sehen, gibt's doch kein Problem", meint Pawan Kumar Pandey, "es geht darum, dass wir uns als zusammen gehörig, als eine Nation verstehen!" Das ist der Appeal des RSS: Sein Patriotismus ist der einer rechts-nationalen Gruppierung. Gleichzeitig will er wie eine linke Partei die Gesellschaft durchlässiger machen, Chancengleichheit für alle schaffen. Der Hoffnungsträger, der diese Agenda umsetzen soll, heißt Narandra Modi.
    "Modi ist das Beste, was die BJP und der RSS je hervor gebracht haben. Und der RSS verkörpert die indische Kultur", so Pawan.
    "Denn Hinduismus ist keine Religion: Hindu ist eine Lebensart!"