Rund 70 Personen haben sich in einer provisorischen Kirche am Ortsrand von Raikja im indischen Bundesstaat Odisha versammelt. Was sie vereint, sind traumatische Erlebnisse als Angehörige einer religiösen Minderheit. Denn sie sind Opfer gewalttätiger Hindu-Fundamentalisten, sagt Pfarrer Nalin Kantenaik, der die Gemeinde betreut:
"Hier wohnen ausschließlich Christen und zwar Christen, die ihre ursprünglichen Dörfer verlassen haben, deren Familienmitglieder und Verwandte attackiert und umgebracht wurden. Sie haben ihr Eigentum verloren und sind daher sehr verängstigt."
"Hier wohnen ausschließlich Christen und zwar Christen, die ihre ursprünglichen Dörfer verlassen haben, deren Familienmitglieder und Verwandte attackiert und umgebracht wurden. Sie haben ihr Eigentum verloren und sind daher sehr verängstigt."
Indien galt bislang als Land der religiösen Toleranz
Galt Indien bislang als Land der religiösen Toleranz, so hat sich die Lage seit Mai 2014 deutlich verändert. Seitdem nämlich Ministerpräsident Narendra Modi und seine hindunationalistische BJP an der Macht sind, haben Übergriffe von Hindus auf Mitglieder anderer Religionen deutlich zugenommen. Immer wieder würden Kirchen und Moscheen in Brand gesetzt sowie Christen und Muslime gewalttätig angegriffen, berichtet Dibakar Parichha von der Menschenrechtsgruppe Citizen For Human Dignity And Development, der auch als Rechtanwalt am höchsten Gericht im Bundesstaat Odisha zugelassen ist.
"Seit die hindunationalistische BJP an der Regierung ist, haben wir mehr als 500 gewalttätige Attacken gegenüber Minderheiten verzeichnet. Diese Tendenz hält in unterschiedlichen Formen an. Über manche Fälle ist berichtet worden - über manche aber auch nicht."
Neben gewalttätigen Attacken kommt es auch regelmäßig zu Zwangskonversionen von Christen, Muslimen und Mitgliedern anderer Minderheiten. Denn für die Anhänger der radikalen Hindutva-Ideologie müssen Staat und Religion eine Einheit bilden, die sie notfalls auch mit Gewalt herstellen, sagt Bettina Leibfritz, die Indien-Referentin des katholischen Hilfswerkes "Missio".
Neben gewalttätigen Attacken kommt es auch regelmäßig zu Zwangskonversionen von Christen, Muslimen und Mitgliedern anderer Minderheiten. Denn für die Anhänger der radikalen Hindutva-Ideologie müssen Staat und Religion eine Einheit bilden, die sie notfalls auch mit Gewalt herstellen, sagt Bettina Leibfritz, die Indien-Referentin des katholischen Hilfswerkes "Missio".
Nach der Hindutva-Ideologie hat ein Inder Hindu zu sein
"Das sind die sogenannten Ghar-Wapsi-Programme. Ghar-Wapsi heißt: Heimkehr, Zurückkommen ins Zuhause. Es geht darum, gemäß der Hindutva-Ideologie, dass eigentlich jeder Inder ein Hindu ist. Und so werden Hunderte von Menschen versammelt, mit falschen Versprechungen gelockt oder bedroht und in einer Reinigungszeremonie werden sie zum Hinduismus zurückgeführt."
Nach Ansicht der bekannten Journalistin und Menschenrechtsaktivistin Teesta Setalvat fühlen sich radikale Hindus durch die Politik von Regierungschef Modi gestärkt. Zwar verhielten sich der Ministerpräsident und seine hindunationalistische BJP offiziell neutral, ja, sie sprächen sich sogar für Pluralismus aus. Inoffiziell aber würden sie der fanatischen Hindu-Bewegung RSS, zu deren Freiwilligen-Corps der Premier selber jahrelang gehörte, freie Hand bei ihren rassistischen Attacken lassen.
"Wenn Sie die Bewegung verstehen wollen, müssen Sie auf ihre Internetseite gehen. Dort finden Sie das Buch 'A Bunch of Thoughts', das ihr oberster Ideologe Golwalkar geschrieben hat. Und es gibt noch ein zweites Buch 'We or Our Nationhood Defined', das Gedankengut von Hitler und Mussolini übernimmt. In diesen beiden Büchern kommt unmissverständlich ihre Weltsicht zum Ausdruck. Die setzen definitiv auf Diskriminierung. Die Hindus sind für sie Bürger erster Klasse. Muslime, Christen und Kommunisten hingegen werden zu Feinden erklärt und es heißt: Wenn sie hier bleiben wollen, sind sie Bürger zweiter Klasse."
"Wenn Sie die Bewegung verstehen wollen, müssen Sie auf ihre Internetseite gehen. Dort finden Sie das Buch 'A Bunch of Thoughts', das ihr oberster Ideologe Golwalkar geschrieben hat. Und es gibt noch ein zweites Buch 'We or Our Nationhood Defined', das Gedankengut von Hitler und Mussolini übernimmt. In diesen beiden Büchern kommt unmissverständlich ihre Weltsicht zum Ausdruck. Die setzen definitiv auf Diskriminierung. Die Hindus sind für sie Bürger erster Klasse. Muslime, Christen und Kommunisten hingegen werden zu Feinden erklärt und es heißt: Wenn sie hier bleiben wollen, sind sie Bürger zweiter Klasse."
Für säkular gesinnte Inder ist die aktuelle Entwicklung schwer zu ertragen
Besonders gefährlich ist für die Menschenrechtlerin Setalvat, dass der RSS zu einem Glauben aufruft, den es in der von ihm propagierten Reinform gar nicht gebe. Anders nämlich als die Hindu-Fundamentalisten glauben machen wollten, zeichne sich der Hinduismus durch eine Vielfalt von spirituellen Wegen aus und verfüge keineswegs über feste Glaubenssätze:
"Nicht nur die Muslime, die Christen und die sogenannten Unberührbaren - die Dalits - sind unter Druck. Es sind die Hindus selbst. Denn es wird gesagt, es gebe nur die eine richtige Form von Hindu-Glauben. Das stimmt aber nicht. Es existieren zahleiche Wege, um das Göttliche zu erreichen. Es gibt kein definitives 'richtig' oder 'falsch'. Mit dieser hindunationalistischen Politik, die die Regierung letztlich vertritt, gerät alles unter Druck: die Meinungsfreiheit, die Religionsfreiheit, die Freiheit der Kultur und so weiter. Alles gerät unter Druck."
Für säkular gesinnte Inder, die in einem weltoffenen und pluralistischen Staat leben möchten, ist die augenblickliche Entwicklung nur schwer zu ertragen. Denn für sie sei die derzeitige Politik Modis ein Angriff auf die Seele ihres Landes, bedauert der katholische Erzbischof von Vasaj, Felix Machado:
"Als wir unsere Verfassung geschrieben haben, wollten wir nicht, dass die Sprache für Indien das Entscheidende ist. Wir wollten nicht, dass die Religion das Entscheidende ist. Wir wollten auch nicht, dass die Volkszugehörigkeit das Entscheidende ist. Wir wollten wirkliche Demokratie. Und nun müssen wir mit ansehen, wie Indien zu einem Land wird, das mit einer speziellen Religion identifiziert werden soll. Das ist schon sehr traurig."
Für säkular gesinnte Inder, die in einem weltoffenen und pluralistischen Staat leben möchten, ist die augenblickliche Entwicklung nur schwer zu ertragen. Denn für sie sei die derzeitige Politik Modis ein Angriff auf die Seele ihres Landes, bedauert der katholische Erzbischof von Vasaj, Felix Machado:
"Als wir unsere Verfassung geschrieben haben, wollten wir nicht, dass die Sprache für Indien das Entscheidende ist. Wir wollten nicht, dass die Religion das Entscheidende ist. Wir wollten auch nicht, dass die Volkszugehörigkeit das Entscheidende ist. Wir wollten wirkliche Demokratie. Und nun müssen wir mit ansehen, wie Indien zu einem Land wird, das mit einer speziellen Religion identifiziert werden soll. Das ist schon sehr traurig."