Archiv


Hinrichtung auf der Straße

In den 70er Jahren wurde eine Reihe politischer Anschläge zu einer schweren Belastungsprobe für die Bundesrepublik Deutschland. Die linksterroristische Rote Armee Fraktion sah es als legitim an, führende Repräsentanten des verhassten Systems zu ermorden. Eines der ersten prominenten Opfer war Generalbundesanwalt Siegfried Buback.

Von Otto Langels |
    "Als die Ampel von Rot auf Gelb und Grün schaltete und der Fahrer anrollte, gab der Soziusfahrer eines Motorrades, das in der rechten Abbiegespur stand, aus der Maschinenpistole sein ganzes Arsenal in den Wagen. Der Wagen rollte eine kurze Strecke noch und kam an der Bordsteinkante zum Stehen."

    Ein Reporter des Südwestfunks schilderte den Hergang des Attentats, bei dem am 7. April 1977, einem Gründonnerstag, Generalbundesanwalt Siegfried Buback und sein Fahrer Wolfgang Göbel im Kugelhagel starben. Der ebenfalls im Wagen sitzende Justizwachtmeister Georg Wurster erlag wenige Tage später seinen Verletzungen.

    Siegfried Buback war 1974 zum Generalbundesanwalt ernannt worden. Seine Amtszeit stand vor allem im Zeichen des Terrorismus. Eine linksradikale Gruppe um Andreas Baader, Gudrun Ensslin und Ulrike Meinhof hatte als Rote Armee Fraktion dem westdeutschen Staat den Krieg erklärt. In einer Schrift der RAF über den bewaffneten Kampf in Westeuropa heißt es:

    "Noch schneller wird die Auflösung der Moral in den Institutionen der vorgeschalteten Repression vor sich gehen, wenn allenthalben die anonymen, feigen, blutleeren und einfallslosen Routiniers der administrativen Repression für ihre volksfeindlichen Handlungen zur Verantwortung gezogen werden. Die Guerilla wird dabei nach dem Grundsatz verfahren: Bestraft einen und erzieht Hunderte."

    Nach mehreren Anschlägen wurden die RAF-Anführer verhaftet und vor Gericht gestellt. Mit weiteren Attentaten und Racheakten sei zu rechnen, warnte der Generalbundesanwalt.

    "Wir müssen weiterhin mit dem Terrorismus leben und entsprechend einrichten. Die Sicherheitsbehörden insbesondere im Bereich des Bundeskriminalamtes, aber auch der Landespolizeien haben erhebliche Anstrengungen unternommen, personelle, technische Verstärkungen. Man hat mit viel Fantasie Methoden erarbeitet, deren Wirkung sich zeigen werden. Man darf hier nicht mit ganz raschen Ergebnissen rechnen."

    Im Mai 1976 beging Ulrike Meinhof in ihrer Gefängniszelle Selbstmord. Die Mitangeklagten Baader, Ensslin und Raspe sprachen von einer "kalt konzipierten Hinrichtung", für die Buback verantwortlich sei. Obwohl der Generalbundesanwalt gewarnt war, verzichtete er auf erhöhten Begleitschutz, wie sich der damalige Bundeskanzler Helmut Schmidt erinnerte.

    "Er hatte kürzlich in einem privaten Gespräch gesagt: Ich kann mein Leben nicht so einrichten, dass ein Attentat auf meine Person von vornherein zur Unmöglichkeit wird. Dann ist es nicht mehr lebenswert."

    Wenige Tage nach der Ermordung Siegfried Bubacks ging bei einer Presseagentur ein Bekennerschreiben ein.

    "Buback hat die Auseinandersetzung mit uns als Krieg begriffen und geführt. Wir werden verhindern, dass unsere Fighter in westdeutschen Gefängnissen ermordet werden. Für Akteure des Systems wie Buback findet die Geschichte immer einen Weg. Am 7.4.77 hat das Kommando Ulrike Meinhof Generalbundesanwalt Siegfried Buback hingerichtet."

    Eine Woche später fand in der Evangelischen Stadtkirche Karlsruhe ein Staatsakt für die Ermordeten statt. Bundeskanzler Helmut Schmidt würdigte Siegfried Bubacks Engagement.

    "Er war ein harter Kämpfer für das Recht, für die demokratische Grundordnung, für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland. Die Schüsse hier in Karlsruhe zielten aber nicht nur gegen den Generalbundesanwalt, der die zusammengeschmolzene Truppe der Terroristen nicht zur Ruhe kommen ließ, sondern sie sollten dem Rechtsstaat überhaupt gelten."

    Der Mord an Siegfried Buback war der Auftakt zu einer Serie von Attentaten, die als Deutscher Herbst in die Geschichte eingingen. Daran beteiligt waren unter anderen. die RAF-Mitglieder Christian Klar und Brigitte Mohnhaupt. 1982 wurden sie verhaftet, bis April 1985 standen sie vor Gericht.

    "Die Urteile gegen die beiden Terroristen Christian Klar und Brigitte Mohnhaupt, die heute morgen der 5. Senat des Stuttgarter Oberlandesgerichts nach 14-monatiger Verhandlung gesprochen hat: Beide Terroristen wurden jeweils zu fünfmal lebenslänglich und zusätzlich 15 Jahren Haft verurteilt."

    Die kürzlich erfolgte Freilassung Mohnhaupts sowie das Gesuch Klars, vorzeitig aus der Haft freizukommen, haben drei Jahrzehnte nach der Ermordung Siegfried Bubacks eine kontroverse Debatte über Reue, Gnade und Recht ausgelöst. Die RAF, obwohl längst Geschichte, provoziert immer noch heftige Emotionen.