Archiv

50 Jahre Numerus clausus
Aus der Not geboren, aber immer noch entscheidend

Der Numerus clausus wurde 1972 geschaffen, um den Mangel an Studienplätzen zu verwalten. Das System der Studienplatzvergabe nach Abiturnote stand von Anfang an in der Kritik. Warum hat es sich bis heute gehalten, und welche Alternativen gäbe es?

Von Britta Mersch und Armin Himmelrath |
Medizinstudierende im schweizerische St. Gallen beim Üben an einem Phantom, wie man eine Magensonde legt, fotografiert durch eine reflektierende Glasscheibe
Medizinstudierende im schweizerischen St. Gallen üben an einem Phantom, wie man eine Magensonde legt (picture alliance / Keystone / Gian Ehrenzeller)
Universität Würzburg, Wintersemester 2022. Die aktuellen Numerus-clausus-Werte für ausgewählte Bachelorstudiengänge, erforderliche
Abiturnote für:
  • Biomedizin – 0,8, im Nachrückverfahren 1,3
  • Medienkommunikation – 1,4, im Nachrückverfahren 2,5
  • Psychologie – 0,8, im Nachrückverfahren 1,3.
„NC heißt ja erst einmal, wenn man das lateinische Wort nimmt und übersetzt: begrenzte Zahl, also begrenzte Zahl der Studienplätze.“ Bernhard Scheer, langjähriger Sprecher der ehemaligen Zentralstelle für die Vergabe von Studienplätzen, ZVS, in Dortmund.
„Im allgemeinen Sprachgebrauch hat sich das so ein bisschen umgewandelt. Man spricht auf dem Schulhof: Wie hoch ist dein NC? Und damit meint man eigentlich: Was hast du für eine Durchschnittsnote auf dem Zeugnis? Und diese Durchschnittsnote ist das Auswahlinstrument gewesen für die meisten Studienplätze. Und zwar deshalb, weil es viele Untersuchungen gibt, die belegen, dass die Abitur-Durchschnittsnote den besten Vorhersagewert liefert, was den künftigen Studienerfolg angeht. Das Instrument (…) soll also dazu dienen, die bestmöglichen Studierenden auszuwählen, nicht die bestmöglichen Berufstätigen hinterher.“
Denn, wenn es mehr Interessierte als Studienplätze für ein bestimmtes Fach gibt, muss eine Entscheidung getroffen werden, wer studieren darf – und wer nicht.

Der Numerus clausus: eingeführt 1972

Schon in der Zeit zwischen 1952 und 1967 hatte sich in der Bundesrepublik Deutschland die Zahl der Studierenden an den wissenschaftlichen Hochschulen verdoppelt, die Zahl der Studienplätze jedoch war kaum gewachsen. Deshalb wiesen die Universitäten jedes Jahr Zehntausende Abiturientinnen und Abiturienten ab – und damals blieb in aller Regel unklar, aus welchen Gründen sie nicht zugelassen wurden.
Dagegen klagten Betroffene – und das Bundesverfassungsgericht fällte 1972, vor 50 Jahren, sein erstes Numerus-clausus-Urteil. Ernst Benda, der damalige Präsident des Bundesverfassungsgerichts, sagte damals bei der Urteilsverkündung:
„Im Einzelnen ist ein absoluter Numerus clausus für Studienanfänger nach dem Stand der bisherigen Erfahrungen nur verfassungsmäßig, wenn er erstens in den Grenzen des unbedingt Erforderlichen unter erschöpfender Nutzung der vorhandenen, mit öffentlichen Mitteln geschaffenen Ausbildungskapazitäten angeordnet wird. Und wenn zweitens Auswahl und Verteilung der Bewerber nach sachgerechten Kriterien mit einer Chance für jeden an sich hochschulreifen Bewerber und unter möglichster Berücksichtigung der individuellen Wahl des Ausbildungsorts erfolgen.“
Die Basis für das Urteil war Artikel 12, Absatz 1, Satz 1, des Grundgesetzes:

Alle Deutschen haben das Recht, Beruf, Arbeitsplatz und Ausbildungsstätte frei zu wählen.

Das Recht auf freie Berufswahl, entschieden die Verfassungsrichter damals, dürfe nur unter ganz bestimmten Voraussetzungen eingeschränkt werden. Das war schon eine Revolution – denn die Unis wurden damit verpflichtet, die Kriterien offenzulegen, nach denen sie Studierende zum Studium zuließen. Und: Sie mussten fortan ihre Studienkapazitäten komplett ausschöpfen, um möglichst vielen Interessierten einen Platz anzubieten. Die Bundesländer behalfen sich mit der Gründung der Zentralstelle für die Vergabe von Studienplätzen und mit der Einführung des Numerus clausus, abgekürzt: NC. Einen Bonus konnte man durch die Wartezeit bis zum Studienbeginn erhalten.

Kritik am NC seit 50 Jahren

„Wir sehen, dass der NC damals eingeführt wurde als Ausnahmefall und mittlerweile in einigen Studiengängen die Regel ist oder man gar nicht mehr um den NC herumkommt. Wir betrachten den NC als kritisch und nicht als gerecht“, sagt Rahel Schüssler, Jura-Studentin in Bonn. Die 23-Jährige ist Vorstandsmitglied im studentischen Dachverband „fzs“, dem Freien Zusammenschluss von StudentInnenschaften.
„Natürlich steht im Grundgesetz drin im Artikel 12, dass es ein Recht auf freie Wahl der Ausbildungsstätte gibt und mit dem Punkt NC, also der Begrenzung der Zulassung wird man direkt schon eingeschränkt und kann sich gar nicht frei sein Studium auswählen. Das ist, glaube ich, so der Hauptkritikpunkt.“
Ein Kritikpunkt, der auch 50 Jahre danach noch gilt. Denn auch heute gibt es noch zu wenige Studienplätze für alle Interessierten. Lag die Zahl der Studierenden 1972 in der Bundesrepublik und der DDR zusammen noch bei unter einer Million, so gibt es heute deutschlandweit fast drei Millionen Studierende. Und weil der Ausbau der Hochschulen mit diesem Anstieg nicht mitgehalten hat, sind im aktuellen Wintersemester rund 40 Prozent aller Studiengänge mit einer Zulassungsbeschränkung versehen – von Medizin bis zu etlichen Lehramtsstudiengängen, von Wirtschaft bis Architektur, von Jura bis Sozialpädagogik.
Bei den meisten dieser Studiengänge gibt es einen lokalen NC der jeweiligen Hochschule; bei besonders begehrten Fächern wie Human-, Tier-, Zahnmedizin und Pharmazie wird die Zulassung bundesweit über die Stiftung für Hochschulzulassung abgewickelt, die Nachfolgerin der ZVS. Das sind auch Studienplätze, die schon damals, ganz in den Anfängen, von der ZVS vergeben wurden, erklärt Bernhard Scheer:
„Also 1975, 1976 hatten wir, glaube ich, fast 50 Studiengänge, die zentral vergeben wurden. Aber das Hauptproblem waren eigentlich immer die medizinischen Studiengänge, und daran hat sich auch immer die Diskussion über das richtige Auswahlverfahren entzündet.“
Im Nachbarland Österreich gibt es fürs Medizinstudium große Aufnahmetests, hier im Juli 2022 in der Messe Wien. Im Bild zu sehen: Testteilnehmerinnen und -teilnehmer an Einzeltischen unscharf im Hintergrund, im Vordergrund Rücken von zwei Aufsichtspersonen
Im Nachbarland Österreich gibt es fürs Medizinstudium große Aufnahmetests, hier im Juli 2022 in der Messe Wien (picture alliance / APA / Eva Manhart)

Anwalt: "50 Jahre am verfassungsrechtlichen Abgrund"

Wilhelm Achelpöhler ist Rechtsanwalt in Münster. Immer wieder klagt er gegen die Zulassungsbeschränkungen an Hochschulen durch den NC. Den 50. Geburtstag des Numerus clausus kommentiert er spöttisch:
„Das Bundesverfassungsgericht hat vor 50 Jahren gesagt: Der Numerus clausus bewegt sich an der Grenze des verfassungsrechtlich Hinnehmbaren. 50 Jahre am verfassungsrechtlichen Abgrund und trotzdem heute in voller Blüte – das muss man erst mal hinbekommen. Da bleibt von der Berufsfreiheit der jungen Menschen nicht mehr viel übrig, erst recht nichts von der freien Wahl der Ausbildungsstätte.“
Allerdings haben die Hochschulen immer wieder versucht, zusätzliche Kriterien für die Auswahl der Studierenden zu berücksichtigen. Das bekannteste Instrument ist der sogenannte Medizinertest, der Ende der 1970er-Jahre entwickelt wurde, um herauszufinden, ob ein Bewerber oder eine Bewerberin ein Medizinstudium erfolgreich zu Ende führen kann. Bernhard Scheer:
“Das haben wir ein paar Jahre lang probeweise auf freiwilliger Basis durchgeführt, mit den Bewerberinnen und Bewerbern. Und später wurde es dann verpflichtend, dass die Abiturnote ergänzt wurde durch das Testergebnis in diesem Medizinertest.”

Hochschuleigene Auswahltests kamen hinzu

Später konnten die Hochschulen auch eine Berufsausbildung der Bewerberinnen und Bewerber oder eigene Auswahltests mit in die Beurteilung einfließen lassen. Das galt für alle Fächer, und viele wurden sehr kreativ, erinnert sich Bernhard Scheer:
“Da sind wir dabei, dass bestimmte Berufsausbildungen, Berufstätigkeiten berücksichtigt werden können, dass ein Dienst bewertet werden kann, also freiwillige soziale Jahre, freiwillige ökologische Jahre, ähnliche Sachen. Das kann also, auch wenn die Hochschule das will, in dieses Auswahlverfahren einbezogen werden.”
Zahl der Studierenden im Fach Humanmedizin in Deutschland: gut 82.000 im Wintersemester 1998/99, Tiefpunkt mit circa 78.500 im Wintersemester 2007/08, danach kontinuierlicher Anstieg bis gut 105.000 zum Wintersemester 2021/22
Zahl der Studierenden im Fach Humanmedizin in Deutschland in den Wintersemestern von 1998/1999 bis 2021/2022 (Statista / Statistisches Bundesamt)
Doch auch diese Praxis führte zu Unmut und wurde 2017 vor dem Bundesverfassungsgericht verhandelt. Zwei Studieninteressierte für das Fach Medizin hatten dagegen geklagt, dass die eigenen Auswahlkriterien der Hochschulen, die für immerhin 60 Prozent der zu vergebenen Plätze galten, intransparent und nicht nachvollziehbar waren. Das habe das Verfahren insgesamt noch mal komplizierter gemacht, sagt Anwalt Wilhelm Achelpöhler:
„Die Hochschulen haben immer geltend gemacht, sie wollen sich die Studierenden selbst aussuchen - bis sie dann merken, welch erheblicher Aufwand da entsteht. Das Oberverwaltungsgericht NRW hat beispielsweise aufgedeckt, dass die Auswahl der Studierenden dann nicht mehr von den dazu berufenen Hochschullehrern erfolgt, sondern die diese Arbeit lieber an Mitarbeiter delegieren.“
Und das, so hat es auch das Gericht festgestellt, sei rechtswidrig.

"Gutes Abitur ist häufig für NC-Studiengänge nicht gut genug"

Was also kann man tun, um hohe Zahlen von Bewerberinnen und Bewerbern möglichst rasch, aber auch effektiv und gerecht auf Studienplätze zu verteilen? Studierendenvertreterin Rahel Schüssler:
„Es gibt halt viele Wege. Der NC ist wahrscheinlich der deutlich schlechteste, weil es keine Vergleichbarkeit gibt. Es wird immer angeführt, dass es keine Vergleichbarkeit zwischen den Bundesländern gibt. Aber wenn man sich schon ein Gymnasium alleine anschaut, dann je nachdem, bei welchen Lehrerinnen oder Lehrern man ein Fach belegt hat, kann das zu ganz unterschiedlichen Noten führen.“
Außerdem, sagt Rahel Schüssler, werde durch einen strengen Numerus clausus der Wert des Abiturs gemindert.
„Ein gutes Abitur ist häufig für NC-Studiengänge nicht gut genug. Also ein Zweier-Abitur, also mit Zwei vor dem Komma, ist eigentlich ein supergutes Abitur, und trotzdem lässt es einen bei vielen Studiengängen nicht im ersten Semester direkt rein.“

Eine Alternative: aufwendige Eignungsprüfung

In Alfter bei Bonn, an der privaten „Alanus Hochschule für Kunst und Gesellschaft“, versuchen die Verantwortlichen, einen anderen Weg bei der Auswahl ihrer Studierenden zu gehen – und die Bedeutung der Abiturnote möglichst zu reduzieren, berichtet die Kanzlerin der Alanus-Hochschule, Myrle Dziak-Mahler. Die Auswahl über die Begutachtung einer Mappe mit Arbeiten ist dabei für bestimmte Fächer auch an anderen Hochschulen Standard.
„In den künstlerischen Fächern, die bei uns einen Großteil ausmachen, sind die Eignungsprüfung durchaus aufwändiger und die Interessentinnen und Interessenten kommen ein, zwei Mal und müssen wirklich was zeigen, müssen eine Mappe mitbringen in der bildenden Kunst oder vorspielen in der darstellenden Kunst. Aber es gehört auch immer dazu, ein Gespräch zu führen (...), und das ist uns auch zentral und wichtig, weil wir möchten nicht die Leute haben, mit den, sage ich mal, besten Noten, sondern die, die wirklich dieses Fach und diese Hochschule tatsächlich studieren wollen.“
Um bis zu zehn Prozentpunkte sinke die Zahl der Abbrecherinnen und Abbrecher, wenn zuvor Auswahlgespräche geführt wurden, sagt Myrle Dziak-Mahler. Was aber ist mit den Untersuchungen, die einen Zusammenhang zwischen guter Abiturnote und dem späteren Studienerfolg zeigen?
„Ich will gar nicht in Abrede stellen, dass so, wie unsere Hochschulen ticken, vielfach es von Vorteil ist, auch schon an der Schule gut gewesen zu sein. Aber es ist eben nicht das Einzige. Und ich finde den zweiten Aspekt besonders wichtig: Ziehen wir die richtigen Leute für die richtigen Fächer an? Wir haben zum Beispiel im Bereich des Lehramtes, wo wir einen großen Mangel haben, in vielen Bereichen tatsächlich an den großen Hochschulen dann so interne NC, also Grenznoten, dass man einfach nicht mehr reinkommt. Und dann ist es doch fatal, wenn wir Menschen, die ein Drei-Komma-Abi haben, nicht zum Grundschullehramt zulassen, wo uns aber doch händeringend Menschen fehlen, die vielleicht mit Hingabe dieses Studium bestreiten würden!“
Und selbst wenn an Universitäten manchmal Tausende Studienanfänger pro Semester ausgewählt werden müssten, sei ein solches individuelles Verfahren jenseits der Abiturnote möglich, sagt Myrle Dziak-Mahler.

Umdenken auch an öffentlichen Unis

Tatsächlich machen sich auch große Universitäten längst auf diesen Weg. Beatrix Busse ist Anglistikprofessorin an der Universität zu Köln, außerdem ist sie Prorektorin für Lehre und Studium. Das Auswahlverfahren der Universität mit mehr als 50.000 Studierenden werde zurzeit grundlegend überarbeitet:
„Also wir uns haben uns jetzt (…) in einen großen Qualitätsprozess begeben, um jetzt insgesamt zu schauen, bevor jemand sich schon für einen Studiengang zum Beispiel entscheidet, dass die Studiengänge selbst oder die Fächer sich ganz anders vorstellen und dazu zum Beispiel Self-Assessment-Dinge bereitstellen, damit die Auswahl an sich, die ja manchmal auch zu hohen, ja, manche nennen es Bildungsweichen, dann heißt es: Drop-Out-Quoten führen. Also, dass das schon sehr viel informierter erfolgt, das sehe ich als Teil dieses ganzen Prozesses.“
Diese Eignungstests helfen nicht nur den Hochschulen, die passenden Bewerberinnen und Bewerber zu finden. Sie geben auch Studieninteressierten die Möglichkeit, das Fach zu finden, das am besten zu den eigenen Interessen passt:
“Das heißt, zum Beispiel gibt es Universitäten, die ein Self Assessment für das Lehramt verwenden, also jeder muss durch dieses Self Assessment gegangen sein und das auch nachweisen, ohne dass man die Ergebnisse kennt. Aber damit da noch mal eine informierte Entscheidung wirklich für einen Studiengang erfolgt, und das finde ich im ganzen großen Bereich von Eignung und Neigung. Also möchte das jemand wirklich, kann das ein wichtiges Instrument sein.”
Die Universität betreibe einen großen Aufwand, um diese Tests zu entwickeln. Sie habe zum Beispiel Psychologinnen und Psychologen beauftragt, die bei der Entwicklung der Fragen helfen. Das stelle auch die eigenen Vorstellungen immer wieder auf den Prüfstand.

Fächer erarbeiten hochschulübergreifende Auswahlkriterien

Alleine nach den Abiturnoten zu gehen, ist aus Sicht von Beatrix Busse nicht mehr zeitgemäß. Individuelle Interessen und Lernmethoden stünden zunehmend im Vordergrund. Darauf müssten die Hochschulen reagieren. Die Anglistikprofessorin sieht auch, dass die Diskussion in vielen Fachbereichen hochschulübergreifend geführt wird:
“Also, Psychologie ist ein Bereich. Im Bereich der Wirtschaftswissenschaften weiß ich es auch, dass da man da sich gemeinsam mal zusammengesetzt hat, um zu überlegen, was ist einem jetzt eigentlich wichtig, wie kann man das machen? Ist auch zum Teil von verschiedenen Ländern gefördert worden, aus den jeweiligen Ministerien heraus, um da Eignung und Neigung, also das besser in den Griff zu bekommen.”
Und so eine Auswahl könne auch die Bedeutung der Abiturnote schmälern:
“Es gibt ja Talente, die bestimmte Fähigkeiten in einem Bereich haben. Und ich finde, das muss gewährleistet sein, dass trotz einer was immer eine durchschnittliche Abiturnote jetzt meint, (…) je nach Standard, den man setzt, dass es trotzdem möglich ist, also ein Fach studieren zu können. Und ich glaube, das ist unglaublich wichtig und das ist etwas, wo wir einfach dran arbeiten müssen.”

Mit Test vom Privatanbieter an die öffentliche Hochschule?

Klar ist aber: Ein solcher Bewerbungsprozess ist wesentlich aufwendiger als der reine Abgleich der Abitur-Durchschnittsnoten. Doch selbst wenn die Universitäten zu diesem Mehraufwand bereit sind, sehe er Schwierigkeiten, sagt Anwalt Wilhelm Achelpöhler aus Münster. Er halte die zunehmende Bedeutung von Studierfähigkeitstests für problematisch, da auch private Unternehmen Studierfähigkeitstests durchführten:
„Wenn eine Hochschule in ganz wesentlichem Umfang das Ergebnis eines solchen Tests einer privaten Firma für die Auswahlentscheidung heranzieht, dann sind es plötzlich private Unternehmen, die völlig unkontrolliert, undurchsichtig und ohne Akteneinsichtsrechte für die betroffenen Studienbewerber über die Zukunftschancen junger Menschen entscheiden.“
Das aber, sagt Achelpöhler, könne nicht richtig sein.
„Wenn wir öffentliche Hochschulen haben, wenn es um den Zugang zu öffentlichen Hochschulen geht, wenn es um die Verwirklichung des Grundrechts auf Bildung und den Berufszugang geht, dann muss das auch in einem transparenten, staatlich verantworteten Verfahren erfolgen. Und da können die Hochschulen diese Qualifikationsfeststellung nicht auf private Unternehmen delegieren. Das erleben wir leider schon seit einiger Zeit in den medizinischen Studiengängen, aber vermehrt auch jetzt in anderen wirtschaftswissenschaftlichen Studiengängen. Das ist eine bedenkliche Entwicklung, die dem Ganzen quasi pünktlich zum 50. Geburtstag der Numerus clausus-Rechtsprechung die Krone aufsetzt.”

Eine Lösung wären mehr Studienplätze

Absolut gerecht, sagt Studierendenvertreterin Rahel Schüssler, könne ohnehin kein Auswahlverfahren sein.
„Ich glaube, wir müssen halt davon wegkommen zu denken, dass diese ganzen Zulassungsverfahren, die sich dann natürlich zu einem Großteil auch irgendwie auf eine Note und auf Bewerbungsgespräche oder irgendwelche Tests beziehen, wirklich objektiv sind. Also, ich glaube, das ist auch wirklich noch mal wichtig zu betonen, dass viele Sachen, wo Menschen bewertet werden, zumindest eine subjektive Färbung haben und dementsprechend auch nicht ganz fair sind.“
Für sie kann es – wie für viele andere auch - nur eine Lösung geben: einen deutlichen Ausbau der Studienplätze:
“Wenn man einen Mangel an Ärzten hat und es dann aber einen entsprechend hohen NC im Medizinstudium gibt, das passt an beiden Enden nicht zusammen. Also das ist einfach eine falsche Rechnung, die da gemacht wird. Und einen Fachkräftemangel gibt es an so vielen Stellen. Und gerade auch die Studiengänge, die einen NC haben, sind nicht die Studiengänge, die im Berufsleben dann die sind, die auch stark überlaufen sind.”
Es liegen also noch ganz andere Herausforderungen vor den Hochschulen, um die Studienplatzvergabe gerecht zu gestalten.