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Energieversorgung in Deutschland
Warum vier Unternehmen den Markt beherrschen

Im deutschen Energiesektor liegen große Marktanteile immer noch in den Händen von vier Konzernen: E.ON, EnBW, RWE und Vattenfall. Die verschliefen lange die Energiewende - und schafften es trotzdem, ihr Oligopol weitgehend aufrecht zu erhalten.

Von Mischa Ehrhardt |
Erdgasbetriebenes Heizkraftwerk in Berlin-Lichterfelde Anfang August 2022. Das Kraftwerk des Konzerns Vattenfall versorgt rund 100.000 Haushalte mit Strom und Fernwärme.
Die Stromversorgung hängt in Deutschland mehrheitlich an wenigen Konzernen (picture alliance / dpa / Nietfeld)
Zum Jahresende gehen die Lichter aus. Das ist nicht der Beginn einer dystopischen Erzählung inmitten der schwersten Energiekrise, die dieses Land gerade erlebt. Sondern bezogen auf die Tatsache, dass die letzten drei Atomkraftwerke zum Jahresende vom Netz gehen sollen. Wenn es mit dem geplanten Atomausstieg weitergeht. Wenn. Denn auch diese Pläne stehen auf dem Prüfstand. Mit dem Krieg Russlands in der Ukraine geraten Gewissheiten ins Wanken. Themen wie der Atomausstieg, das Hochfahren ausrangierter Kohlekraftwerke und die fragil gewordene Gasversorgung werfen die Frage auf, wie es um die Energieversorgung in diesem Land bestellt ist – und in Zukunft bestellt sein wird.
„Wir sind schon in einer ernsten Energiekrise, die Lage ist auch gravierend. Wir sollten aber jetzt nicht in Angst und Panik und Schrecken verfallen, sondern Wege da raus finden", sagt Claudia Kemfert, Professorin und Energiefachfrau am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung. „Es wurden sehr, sehr viele energiepolitische Fehlentscheidungen in den letzten 15 Jahren gemacht. Insbesondere auch die hohe Abhängigkeit von Russland. Wir hatten davor immer gewarnt. Jetzt ist der schlimmste Fall eingetreten. Es ist bitter, wir sind in einer ernsten Lage, aber wir müssen da jetzt raus“.

Über Jahrzehnte gewachsene Oligopolstrukturen

Wer die Lage und Probleme der Energiebranche verstehen will, muss noch weiter zurückgehen als 15 Jahre – mindestens 30. Da war die Energiebranche eher als bodenständig, fast langweilig anzusehen. An der Börse galten die Unternehmen mit stabilen Einnahmen und Gewinnen als „konservative“ Anlagemöglichkeit. Franz-Josef Leven, stellvertretender Geschäftsführer des Deutschen Aktieninstitutes in Frankfurt:
„Die Versorger-Aktien galten damals, neben einigen anderen Papieren, als die sogenannten ‚Witwen-und-Waisen-Papiere‘, ohne große Risiken. Die haben sich dadurch ausgezeichnet, dass sie keine großen Kurssprünge vollführten, weder in positive noch in negative Richtung, dass sie aber eine relativ stabile Dividendenrendite erbrachten – und dadurch eine Beteiligung am Produktivkapital mit begrenztem Risiko ermöglichten.“
Volkswirtschaftlich möglich war dies durch Oligopolstrukturen. Wenige Großkonzerne produzierten die Energie für die gesamte Nation. Es gab festgelegte Lieferregionen, auf die Konkurrenten keinen Zugriff hatten – geschweige denn, Konkurrentinnen aus dem Ausland. Und unter dem Strich der Geschäftsbilanzen der großen Energieerzeuger und Energieimporteure standen für sie erfreulich hohe Gewinne.
Umfrage von 2009: 86 Prozent der Befragten sahen damals nicht ausreichend Transparenz und freien Wettbewerb auf dem Energiemarkt in Deutschland. Das Institut YouGov hatte im November dieses Jahres gut 1000 Personen über 18 Jahren befragt.
Im November 2009 sahen 86 Prozent der Befragten nicht ausreichend Transparenz und freien Wettbewerb auf dem Energiemarkt in Deutschland (Statista/YouGov)

Liberalisierung 1998

„Grenzüberschreitenden Wettbewerb gab es nicht. Und es war auch im Land selbst nicht so, dass zum Beispiel der Privathaushalt wählen konnte, wer sein Stromlieferant oder Gaslieferant sein soll. Die Liberalisierung ist erst zu einem späteren Zeitpunkt eingetreten und hat dann zu etwas mehr Wettbewerb geführt", so Thomas Deser, Portfoliomanager bei Union Investment. Seit 23 Jahren analysiert er in der genossenschaftlichen Investmentgesellschaft den Energiesektor.
Der Umbruch, von dem er spricht, kam 1998: In die Energielandschaft hielten marktwirtschaftliche Prinzipien Einzug. Reformvorgaben der EU führten zu einer Liberalisierung des deutschen Energiemarkts. Gregor Kungl hat über diese Wendepunkte in der Energiewirtschaft seine Doktorarbeit verfasst. „Da wurden quasi über Nacht 1998 eigentlich alle Regeln abgeschafft und freier Wettbewerb auf dem Strommarkt etabliert Und der hat letztlich dazu geführt, dass die Unternehmen, die davor schon gut situiert waren, die Kontrolle übernehmen konnten über den Stromsektor.“

Nach vielen Fusionen entstanden vier Energieriesen

Zunächst hielt sich – trotz formaler Öffnung des Marktes – neue Konkurrenz in Grenzen. Die Produktion von Strom erfolgte durch riesige Kraftwerke. Solche Rieseninvestitionen konnten mögliche Konkurrenten nicht so schnell stemmen. Aber durch die Liberalisierung wurden Unternehmenszusammenschlüsse einfacher möglich. So entstanden nach vielen Fusionen die vier, heute noch existierenden großen Spieler am Markt: E.ON, EnBW, RWE und Vattenfall. Nach Daten der Bundesnetzagentur produzierten diese vier Giganten im Jahr 2007 rund 90 Prozent des Stroms in Deutschland.
Dieses Jahrzehnt des Oligopols mit wenigen kleineren Konkurrenten nach der Liberalisierung bis zum Jahr 2008 war wirtschaftlich die Blütezeit der vier Energiegiganten: Milliardengewinne sprudelten, ihre Finanzmacht schlug sich im Höhenflug von Aktienkursen und Börsenwerten nieder. Die Milliardengewinne suchten die Konzerne in dieser Zeit gewinnbringend unterzubringen. Analyst Thomas Deser von Union Investment:
„Die Gewinne mussten irgendwo, na ja, nicht nur verteilt – in Form von Dividenden verteilt werden – sondern mussten fast schon versteckt werden oder wieder investiert werden. Es kamen ja auch wenige Jahre später, im Nachhinein ganz abstrus anmutende Wagnisse wie der Versuch von E.ON, die spanische Endesa zu übernehmen, und ähnliche Maßnahmen. Also man hat da schon gemerkt, die Ertragslage ist mehr als üppig. Und das hat entsprechend die Phantasie des Managements auch beflügelt“.
Der Versuch der Übernahme des spanischen Energieversorgungsunternehmens und dortigen Marktführers Endesa durch E.ON zeigt beispielhaft, dass die Grenzen zwischen Phantasie und Größenwahn in den Chefetagen der Konzerne in jener Zeit nicht immer klar zu ziehen waren.
Grafik zeigt Umsatz der größten Energieversorger in Deutschland in den Jahren 2020 und 2021
Umsatz der größten Energieversorger in Deutschland 2020 und 2021 (Deutschlandradio / Andrea Kampmann)

Energiewende gemeinschaftlich verschlafen

Nicht nur dieser kostspielige Übernahmeversuch scheiterte nach langem Hin und Her. Die Kehrseite dieser Abenteuerlust auf der Suche nach neuen Geschäftsfeldern und Expansionsmöglichkeiten waren eigentümlich blinde Flecken in der Wahrnehmung der Veränderung in der eigenen Branche. Und die sollten die Konzerne teuer zu stehen kommen. Das lag vor allem daran, dass die Energiekonzerne die im Jahr 2000 eingeleitete Energiewende über Jahre verschliefen. Damals hatte die rot-grüne Bundesregierung das Erneuerbare-Energien-Gesetz eingeführt, das den staatlich geförderten regenerativen Energien in den Strommarkt Vorfahrt einräumte.
Das zeigte Wirkung: Der Anteil der Erneuerbaren Energien schoss in den darauffolgenden Jahren bis 2015 von nicht einmal zwei auf knapp 30 Prozent in die Höhe. Doch dafür sorgten nicht die Oligopolisten, sondern Privatpersonen mit Solaranlagen, Landwirte mit Biogasanlagen und neue Unternehmen im Bereich der Windkraft - während die großen Energiekonzerne sich weiterhin auf ihr Kohle-, Gas- und Atomkraftgeschäft konzentrierten. Hinzu kam der ab der Jahrtausendwende von der rot-grünen Regierung beschlossene Atomausstieg. Auch hier bereiteten die Konzerne sich weniger darauf vor, das Ende der Kernkraft mitzugestalten, analysiert Gregor Kungl: „Die Unternehmen haben tatsächlich relativ viel Lobbyarbeit geleistet, und auch viel erfolgreiche Lobbyarbeit. Und da gab es durchaus ein paar Geschichten, wo man rückblickend sagen würde: Das ist ihnen dann auf die Füße gefallen.“
So hob das zweite Regierungskabinett unter Angela Merkel im Jahr 2010 den 2002 beschlossenen Atomausstieg wieder auf und entschied – ganz im Sinne der Atomkraftwerksbetreiber – eine Laufzeitverlängerung der meisten noch vorhandenen Meiler. Erst die Kernschmelze in den japanischen Reaktoren in Fukushima 2011 bewog Bundeskanzlerin Angela Merkel dann doch, auf den Pfad des Atomausstieges zurückzuschwenken.

Hausgemachte Branchenkrise: Unrentable Geschäfte, Konkurrenz unterschätzt

So oder so jedenfalls kommt der Wissenschaftler Gregor Kungl zu dem Schluss, das weder das Erneuerbare-Energien-Gesetz, noch der Atomausstieg die Energiekonzerne in ihre Krise geführt hat. Es waren vor allem die Unternehmen selbst.
„Die Branche war im Prinzip davor bereits in der Krise. Und die beiden wesentlichen Gründe, weswegen sie das war, war zum einen der gestiegene Konkurrenzdruck durch erneuerbare Energien, wo die Unternehmen zu spät erkannt haben, was da für ein Drive dahinter ist, und was für Auswirkungen das haben wird. Und das hat dazu geführt, dass die Großhandelspreise sinken und einfach Kohle- und Gaskraftwerke weniger rentabel waren. Das ist das eine. Und dann haben die Unternehmen, viele Geschäfte gemacht, die rückblickend sich nicht rentiert haben und wo es wirklich milliardenschwere Abschreibungen gab.“
Energiewende und Atomausstieg, so resümiert Gregor Kungl in seiner Doktorarbeit über die Energiekonzerne und die Energiewende, hätten zwar große Vermögenswerte der Konzerne minimiert. Allerdings nur Vermögenswerte, die ohnehin keine sichere Zukunft mehr versprachen. Das analysiert Wissenschaftlerin Claudia Kemfert ähnlich – und schlägt die Brücke zur heutigen Energiekrise:
„Der Lobby-Einfluss war wirklich sehr stark. Er wurde lange vorbereitet, er wurde auch orchestriert gemacht – mit der klaren Intention, die Energiewende auszubremsen. Und die Konsequenz erleben wir heute: Der Ausbau erneuerbarer Energien ist zu sehr zum Erliegen gekommen, die Unternehmen sind abgewandert und pleitegegangen; und heute leben wir mit horrenden Preisen für fossile Energien. Also es ist insgesamt tatsächlich selbstverschuldet“.
Grafik zeigt Anteil erneuerbarer Energien am Bruttostromverbrauch in Deutschland. 1990 lag er noch bei 3,4 Prozent, 2021 bereits bei 41,1 Prozent.
Anteil erneuerbarer Energien am Bruttostromverbrauch in Deutschland (Deutschlandradio / Andrea Kampmann)

Wechselbereitschaft stark erhöht, Strompreis trotzdem gestiegen

Zwar investierten auch die Großunternehmen in den Jahren nach 2008 vergleichsweise große Summen in erneuerbare Energien. Allerdings flossen die überwiegend ins Ausland, wo sie wiederum lukrativere Gewinne versprachen, während hierzulande andere, meist kleinere Spieler für den Ausbau an erneuerbaren Energien sorgten. Einerseits sanken so die Großhandelspreise für Strom und verringerten die Profite der Konzerne. Andererseits etablierten sich aber auch neue, kleinere Stromerzeuger und -versorger. Denn in Folge der Liberalisierung konnten Verbraucherinnen und andere Kunden die Anbieter frei wählen. Diese Entwicklung war prinzipiell positiv für Verbraucher, meint Thomas Engelke, Energieexperte beim Verbraucherzentrale Bundesverband:
„Grundsätzlich hat die Liberalisierung auch tatsächlich viel für die Verbraucherinnen und Verbraucher gebracht, weil nämlich seit damals die privaten Haushalte relativ einfach zu einem günstigeren Strom- und Gasanbieter wechseln können. Und es ist auch tatsächlich so, dass sich die Wechselbereitschaft der privaten Verbraucherinnen und Verbraucher stark erhöht hat. Trotzdem hat sich der Strompreis nicht nachhaltig verringert, sondern im Gegenteil. Zwischen dem Jahr 2000 und 2020 hat er sich mehr als verdoppelt – und das war ja vor der jetzigen Energiekrise schon.“
Um die heutige Situation zu verstehen, sind insbesondere zwei Entscheidungen aus dem Jahr 2016 hervorzuheben: RWE gliederte seine Tochter für erneuerbare Energien aus dem Konzern aus und brachte Innogy an die Börse. E.ON wiederum spaltete Uniper ab und wagte ebenfalls im gleichen Jahr den Börsengang. In Uniper steckt die konventionelle Stromerzeugung von E.ON, vor allem die Geschäfte mit Kohle-, Gas- und Wasserkraft und der internationale Energiehandel des Konzerns. Nicht wenige Beobachter an der Börse sprachen damals von der – wenig zukunftsträchtigen – fossilen Resterampe des Konzerns.
„Das entpuppt sich ja leider auch als wahr. Denn in der Tat muss man jetzt einen Konzern retten, der mit Energiewende nicht viel am Hut hat. Und das ist das bittere an dieser ganzen Geschichte. Also insofern hoffe ich einfach mal, das geht jetzt in die richtige Richtung, man schafft die Rahmenbedingungen für die Energiewende und wickelt die Unternehmen ab, die da nicht mehr zugehören“, analysiert Claudia Kemfert vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung die aktuelle Rettung des Energiekonzerns Uniper durch die Bundesregierung heute.
Einmal mehr ist ein Unternehmen nach Ansicht der Regierung „too big to fail“, systemisch also zu groß und zu wichtig, als dass es scheitern dürfte. Der deutsche Staat steigt mit 30 Prozent in das Unternehmen ein und rettet es mit zusätzlichen Milliardenkrediten seitens der staatlichen Förderbank KfW vor dem Konkurs.

Energiekrise infolge des Ukrainekriegs

In der durch den Ukraine-Krieg ausgelösten Energiekrise werden die Unternehmen mit dem Geschäftsmodell fossiler Energien erneut länger am Leben gehalten. So hat die Bundesregierung beschlossen, fehlendes Gas aus Russland mit bereits deaktivierten Kohlekraftwerken zu kompensieren. Zudem ist die Diskussion neu entbrannt, Atomkraftwerke doch noch länger am Netz zu lassen. Bislang sehen die Ausstiegspläne vor, die Lichter in drei Kernkraftwerken Ende des Jahres auszuschalten: im Emsland im Nordwesten der Republik, im Süden bei Isar 2 und in Neckarwestheim bei Heilbronn. Der Fraktionschef der FDP, Christian Dürr, hält das im Interview mit dem Deutschlandfunk für keine gute Idee:
„Ich habe die große Sorge, dass wir am Ende des Tages, vor allem im Winter und nach dem 31. Dezember, also dann, wenn diese Kraftwerke vom Netz gehen sollen, dass wir dann Gas benutzen müssen, um Strom zu produzieren in Deutschland, und das wäre sicherlich gänzlich falsch.“
Selbst bei den Grünen gibt es inzwischen eine Debatte darüber, unter welchen Umständen sie einer Laufzeitverlängerung zustimmen könnten. Allerdings führen Kritikerinnen wie Claudia Kemfert mehrere Argumente dagegen an: Betriebsgenehmigungen würden erlöschen und seien auf die Schnelle nicht reaktivierbar; Brennstäbe müssten beschafft und sicherheitstechnisch überprüft werden, was Zeit erfordere. Zudem zeigten Studien, dass eine Verlängerung der Laufzeiten insgesamt nur ein Prozent des Gasausfalls kompensieren kann. Denn Gaskraftwerke produzieren auch Wärme, das ist bei Atomkraftwerken im Gegensatz zu anderen Energieerzeugungsarten nicht der Fall. Claudia Kemfert:
„Das heißt: Riesenlärm um nichts und viel Aufwand für wenig Ertrag. Daher würde ich mir wünschen, wir führen die Debatten endlich darüber, wo wir hinwollen“.
Währenddessen geht das Drama der Energiekrise weiter. Uniper – größter Gasimporteur des Landes – muss nun anstatt aus Russland fehlendes Gas zu hohen Preisen aus anderen Ländern zukaufen. So türmen sich Verluste in Milliardenhöhe auf. Zusätzlich kommen auf Verbraucher und Energieabnehmerinnen höhere Kosten zu, weil Unternehmen wie Uniper Preiserhöhungen spätestens ab Oktober weitergeben können.
Ohne die staatlichen Stützungsmaßnahmen aber, so eines der Hauptargumente für die Rettung, drohten auch Stadtwerke in Not zu geraten. Denn auch auf sie werden höhere Beschaffungspreise für Energie zukommen. Bei steigenden Preisen drohen Zahlungsausfälle durch Kunden, die ihre Rechnungen nicht mehr begleichen können. Michael Liebing, Hauptgeschäftsführer des Verbandes Kommunaler Unternehmen:
„Deshalb war es angesichts der russischen Liefereinschränkungen richtig und leider notwendig, dass die Bundesregierung Uniper mit einem 15-Milliarden-Euro-Paket stützt. Das hält die Lieferketten aufrecht, das hilft den Stadtwerken, ihre Lieferverpflichtung zu erfüllen, und so dient dies der Aufrechterhaltung von Versorgungssicherheit.“
Da das aber – je nach Verlauf der aktuellen Energiekrise – möglicherweise nicht ausreichen wird, fordern die kommunalen Unternehmen auch einen Schutzschirm für Stadtwerke, die in Schieflage geraten könnten.
Umfrage von 2019: Ein großer Teil der Bevölkerung findet, Europa mache sich bei Gaslieferungen zu abhängig von Russland. Die Forschungsgruppe Wahlen befragte rund 1.200 Personen ab 18 Jahren. Insgesamt 45 Prozent sahen Europa in zu starker Abhängigkeit von Russland. Differenziert nach politischer Einstellung: ein Viertel der Linkspartei-Anhänger; 65 Prozent der FDP-Anhänger; 42 bis 46 Prozent der SPD-, Unions-, AfD- und Grünen-Anhänger.
Umfrage von 2019: Ein großer Teil der Bevölkerung fand schon damals, Europa mache sich bei Gaslieferungen zu abhängig von Russland. (ZDF Politbarometer / Forschungsgruppe Wahlen)

Zu viel Marktmacht in zu wenigen Händen

Das Grundproblem des Energiemarkts – zu viel Konzentration und damit auch zu viel Macht und Abhängigkeit von zu wenigen großen Konzernen – hält an. So haben vor vier Jahren RWE und E.ON einen weiteren Deal beschlossen: Der Tausch und Verkauf von Geschäften untereinander führte zu einer Aufteilung von Marktbereichen unter ihnen. Damit konnte jeder Konzern die Marktmacht im jeweils eigenen Bereich vergrößern. E.ON kümmert sich seither vor allem um den Netzbetrieb, während RWE sich vorwiegend in der Energieerzeugung engagiert. Damit wird Wettbewerb geschwächt. Zwar haben Bundeskartellamt und die Wettbewerbshüter auf EU-Ebene dem Deal zugestimmt. Allerdings klagen einige Stadtwerke dagegen – darunter die Frankfurter Mainova.
Zu dem laufenden Verfahren wollte man sich auf Anfrage nicht mündlich äußern. In einer schriftlichen Stellungnahme aber heißt es: „Aus unserer Sicht entsteht durch den RWE-EON-Deal ein Oligopol aus nationalen Champions mit marktbeherrschender Stellung. Damit verbunden sind klare Vorteile für RWE und E.ON. Aufgrund dieser Marktmacht können diese letztlich auch die Preise bestimmen. So konterkariert der Deal insgesamt die Erfolge der Liberalisierung – zu Lasten der lokalen und regionalen Energieversorger und vor allem der Verbraucherinnen und Verbraucher.“
Die beiden Konzerne sehen das anders. E.ON sieht sich durch die Entscheidung der EU-Kommission bestätigt: Der Wettbewerb in Deutschland sei völlig intakt, auch weil Verbraucherinnen und Verbraucher die Möglichkeit hätten zwischen über hundert Stromanbietern zu wechseln. Auch im Bereich der Netze sei ein funktionsfähiger Wettbewerb gesichert, das überwache schließlich die Bundesnetzagentur. Auch RWE zeigt sich auf Anfrage überzeugt, dass die Freigaben der EU-Kommission Bestand haben werden. Mainova führt dagegen an, bei E.ON habe sich die Zahl der Kunden im Zuge des Deals auf 14 Millionen verdoppelt. In rund 60 Prozent der deutschen Kommunen sei E.ON nach dem Deal Strom- und in rund einem Viertel der Städte und Gemeinden Gas-Grundversorger.
Solche Entwicklungen sehen mittlerweile viele Beobachter, wie auch der Bundesverband der Verbraucherzentralen, kritisch. Für den Wettbewerb sei die Aufteilung kontraproduktiv – sie stärke die Marktmacht der Konzerne.