Update: Das Festkomitee Kölner Karneval hat am 24.02.2022 wegen des Kriegs in der Ukraine das für Montag geplante Rosenmontagsfest abgesagt. Geplant ist stattdessen eine Friedensdemonstration mit Persiflage-Wagen auf Plätzen in der Kölner Innenstadt. Das Rosenmontagsfest war als coronagerechter Ersatz für den Rosenmontagszug gedacht. Der Kölner Rosenmontagszug sollte dabei durchs Fußballstadion ziehen. Alle aktuellen Entwicklungen: Newsblog von den Nachrichten zum Krieg in der Ukraine
11.11.2021. Auf der Zülpicher Straße in Köln tummeln sich verkleidete Jecken und feiern dicht gedrängt den Beginn der neuen Karnevalssession. Schutzmasken sieht man hier nicht, obwohl in diesen Tagen die vierte Corona-Welle Fahrt aufnimmt, die Inzidenzen steigen und Intensivstationen vielerorts bereits stark belastet sind. Handyvideos von den schunkelnden Menschenmengen in Köln verbreiten sich in Windeseile über das Internet - die Bilder sorgen für reichlich Kritik an dem ausgelassenen Treiben mitten in der Pandemie.
"Alaaf! Heute als 'Sexy Krankenschwester' auf der Zülpicher Straße, an Weihnachten als 'Sexy Intubierte' in der Uniklinik!", schreibt an diesem Tag zum Beispiel der Satiriker Jan Böhmermann bei Twitter.
Auf der Zülpicher Straße, aber auch anderswo in der Stadt gilt die 2G-Regel - nur wer geimpft oder genesen ist, darf mitfeiern. Aber gerade an der Partymeile der Zülpicher Straße scheinen die Kontrollen nicht lückenlos zu funktionieren. Mehrere Medien berichten, dass sich Feiernde auch ohne gültigen Impfnachweis in die Menge schmuggeln können. Maureen Wolf ist Gastronomin, sie betreibt auf der Zülpicher Straße ein Schnitzelrestaurant, sie sagt, dass sie einerseits anerkennt, dass die Stadt sich bemüht hat, aber:
"Ich habe mich auch sehr geärgert, wir werden mit großen Auflagen belegt und wir sind zum Teil in dieser ganzen Corona-Zeit auch sehr streng kontrolliert worden und dann zu sehen, wie jemand, der da sonst sehr gebieterische auftritt völlig versagt, das war schon sehr ärgerlich."
Beim Beginn der Karnevalssession im November haben sich in Köln nachweislich mehr als 500 Menschen mit dem Coronavirus infiziert. Die parteilose Oberbürgermeisterin Henriette Reker sagt, dass der Tag kein Superspreader-Ereignis gewesen sei - auf der Zülpicher Straße hätten sich vergleichsweise wenige Menschen angesteckt, die meisten Infektionen habe es in Innenräumen gegeben, in Kneipen etwa oder bei privaten Partys.
"Also die haben nicht draußen gefeiert, sondern drinnen und das wissen wir ja. Also, alles was draußen stattfindet ist nicht so schlimm. Drinnen ist es einfach schwieriger, weil die Aerosole sich da nicht so leicht verflüchtigen."
Viel Kritik an Party-Massen am 11.11.
Es ist nicht das erste Mal, dass das karnevalistische Treiben im Kwartier Läteng - so heißt das Viertel rund um die Zülpicher Straße - für Schlagzeilen sorgt. Maureen Wolf, die Restaurantbetreiberin, beobachtet seit 20 Jahren mit Sorge, dass es an Karneval immer voller und voller wird. Besonders erinnert sie sich an den 11.11.2017.
"Wenn man dann halt aus dem Fenster guckt und da Leute sieht, die mit schreckverzerrtem und angstverzerrtem Gesicht einen aus der Menge anstarren, weil sie Platzangst haben, weil die Angst haben da nicht rauszukommen, dann ist das halt auch nicht mehr lustig. Und wenn man dann sieht, wie der eine sich, sage ich mal, in den Ausschnitt des anderen übergibt, weil gar kein Platz mehr da ist. Dann sind das so Szenen, die man dann nicht mehr so schnell vergisst."
Anwohner können ihre Häuser nicht verlassen, oder kommen nicht mehr nach Hause. Sie beschweren sich über Wildpinkler, Müllberge und Alokohol-Exzesse. Die Feier war schlicht ausgeartet. Zwischenzeitlich musste die ganze Straße gesperrt werden. 1.000 Polizistinnen und Polizisten waren damals in ganz Köln im Einsatz, 50 Personen wurden festgenommen, es gab zahlreiche Anzeigen wegen Körperverletzungen, Beleidigungen, Taschendiebstählen und auch sexuellen Übergriffen.
Danach richtete die Stadt einen runden Tisch ein, unter anderem mit Vertretern der wichtigsten Karnevals- gesellschaften, der Gastronomie, Bürger- und Interessengemeinschaften aus den betroffenen Vierteln, der Polizei und der Kölner Verkehrsbetriebe. Es sollten Lösungen gefunden werden, um solche Exzesse künftig zu verhindern. Gastronomin Wolf erzählt, dass die Menschenmenge zuletzt etwas kleiner geworden ist:
"Insofern funktionieren die Einlasskontrollen einigermaßen. Man muss aber sagen, dass dafür natürlich vor dem Einlass jetzt unglaubliche Menschenstaus sind, die sich dann ja, rückstauen bis zur Bahn. Die Seitenstraßen sind komplett leer, weil die alle als Entfluchtungszone genutzt werden. Das heißt, da kommt überhaupt keiner hin."
"Ballermannisierung" und Übergriffe
Und den Gastronomen dort fehlt die Kundschaft. Wolf wünscht sich ein umfassenderes Konzept und hätte nach über vier Jahren mit größeren Fortschritten gerechnet. Kölns Oberbürgermeisterin Henriette Reker bewertet es anders: In den Jahren vor der Pandemie habe sich die Situation verbessert:
"Wir haben als Stadt auch mehr Verantwortung übernommen, indem wir die Toilettenanlagen, die Dixieklos, wie sie heißen, verzehnfacht haben. Und wir haben ja auch gute Unterstützung von der Beratungsstelle Edelgard, die sich dann immer um die Frauen kümmern, die Rat suchen, oder auch ein belastendes Erlebnis sofort besprechen und loswerden wollen, die sich auch engagieren und sich in der Stadt aufhalten."
Zusätzlich werden die Feierzonen seit 2019 so organisiert, dass Rettungskräfte jederzeit guten Zugang haben, falls Anwohner oder Karnevalisten medizinische Hilfe brauchen. Aus Sicht der Oberbürgermeisterin haben diese Konzepte funktioniert. Mit Blick auf die Entwicklung im Kwartier Latäng sprechen manche Kölner allerdings von einer Ballermannisierung des Karnevals. Was da passiere, habe nichts oder nur wenig mit dem traditionellen Karneval zu tun.
Das sagt auch Gereon Glasemacher, als Bauer Mitglied im aktuellen Kölner Dreigestirn, das in der Karnevalssession die närrische Regentschaft übernimmt. Bauer Gereon jedenfalls nutzte kürzlich seinen Auftritt vor dem Kölner Stadtrat, um den traditionellen Karneval abzugrenzen vom Betrinken bis zur Besinnungslosigkeit.
"Der Fasteleer, den wir meinen, ist nicht is die Zülpicher Straße. Nicht feiern oder besaufen bis zur Besinnungslosigkeit, bis man nicht mehr stehen kann und in der Pfütze liegt. Wo Frauen als Freiwild gesehen werden - damit haben wir mit der kölschen Tradition nix, aber auch gar nix am Hut."
Drehen an der Kommerzschraube
Die Exzesse an Karneval beobachtet auch Wolfgang Oelsner. Der Psychologe hat viel zur Kultur des Karnevals geforscht und wird auch schon mal als Karnevalsphilosoph bezeichnet. Der Kölner Karneval habe sich auch verändert, weil damit immer mehr Geld verdient werde:
"Der Kommerz, der auch einen Markt sieht. Hunderttausende Studierende in einer Stadt. Die greift man ab, die jetzt gar nicht traditionell gebunden sind, die nur einfach sagen: Ich bin im Rheinland dieser lebenslustigen Metropole. Und hier ist doch immer was los."
So habe sich die Stadt in den vergangenen Jahren den Ruf erworben, eine Partystadt zu sein, anziehend für zahlende Karnevalstouristen, die aber mit Brauchtum und kölscher Mundart gar nichts zu tun haben.
"Da hat Köln jetzt auch etwas zu erleben, wo man die Geister, die man rief, auch in einer Art und Weise jetzt nun da hat, wie es nicht gemeint war. Da hat sich was verabsolutiert. Köln als Partystadt. Da ist man vielleicht auch sehr spät erst auf die Bremse getreten. Ja, da läuft etwas, das ist ein Automatismus."
Die fünfte Jahreszeit als Wirtschaftsfaktor
Der ambivalente Zusammenhang von Karneval und Kommerz ist allerdings nichts Neues und schon oft beschrieben worden. Die sogenannte fünfte Jahreszeit ist für Köln und viele hier ansässige Unternehmen und Gastronomen ein erheblicher Wirtschaftsfaktor. Die Unternehmensberatung Boston Consulting hat vor einigen Jahren gemeinsam mit der Fachhochschule Köln ausgerechnet, dass allein um den 11.11. und zwischen Weiberfastnacht und Aschermittwoch mehr als 600 Millionen Euro umgesetzt werden. Rund 6500 Arbeitsplätze sind direkt vom Karneval abhängig: etwa in der Gastronomie und Veranstaltungstechnik, aber auch Taxifahrer, Kostümhersteller, Künstlerinnen und Künstler. Die Liste ließe sich fortsetzen.
Allerdings sind die Berechnungen umstritten, so heißt es zum Beispiel aus dem Institut der Deutschen Wirtschaft, dass man den Faktor Karneval nicht so ohne weiteres beziffern könne. Und wie viel muss die Stadt ausgeben für den Karneval? Die jüngsten Zahlen dazu stammen aus dem Jahr 2014, damals waren es rund 1,7 Millionen Euro – etwa für zusätzliche Müllabfuhr, Sicherheitskräfte und die Verstärkung bei Bus und Bahn.
Umsatzkiller Pandemie
Herbert Geiss gehört zu denjenigen, die mit dem Karneval ihr Geld verdienen. Er führt in vierter Generation den Kostümhandel Deiters mit über 30 Filialen und rund 700 Mitarbeiten. Dass der Karneval im vergangenen Jahr wegen der Corona-Pandemie ausgefallen ist, hat sein Unternehmen schwer getroffen.
"Wir haben im Endeffekt damit adhoc 95 Prozent des Umsatzes verloren, weil im Endeffekt das Zusammenkommen von Menschen, Veranstaltungen, speziell auch Veranstaltungen, wo sich verkleidet wird, abgesagt worden sind. Halloween ist für uns ein großes Thema, Mottopartys."
Geiss ist zwar kein Mitglied einer Karnevalsgesellschaft, aber er ist eng mit den ehrenamtlichen Strukturen im Karneval verbunden. So spendet er zum Beispiel jährlich mehr als 200.000 Euro an das Kölner Festkomitee. Das Festkomitee ist für den organisierten Karneval verantwortlich, vertritt die großen Kölner Vereine, organisiert den Rosenmontagszug und die Aufstellung des Kölner Dreigestirns. Zu den Aufgaben des Festkomitees gehört die Traditions- und Brauchtumspflege. Insgesamt bleibt es eine schwierige Balance zwischen Brauchtum und wirtschaftlichen Interessen, gibt Karnevalsforscher Wolfgang Oelsner zu Bedenken.
"Der Bühnenkarneval ist Arbeit. Das ist auch eine Erwerbsquelle und da muss man sich nichts vormachen. Das macht auch den Glanz des hiesigen Karnevals aus. Aber diese Mischform, die ist eigentlich in meinen Augen das Geheimnis. Es ist ja merkwürdig, das sind überwiegend Ehrenamtler, die diese Strukturen aufrechterhalten und die Formate anbieten, damit andere damit viel Geld verdienen können."
Viele Branchen hängen am Karneval
Denn die meisten Veranstaltungen wie Bälle, Karnevalssitzungen und Umzüge werden von Vereinen organisiert. Die Vermieter der Festsäle, die Veranstaltungstechniker, aber auch die Künstlerinnen und Künstler verdienen im Karneval hingegen Geld.
So hat der Karneval in Köln viele unterschiedliche Facetten, von kleinen Amateurveranstaltungen und Mini-Sitzungen in den Stadtteilen bis hin zu hochprofessionalisierten Bühnenshows und Galasitzungen mit viel Prominenz und Fernsehübertragung. Manche Musikbands absolvieren im Karneval einen Auftritt nach dem anderen - eine Anstrengung, berichtet Basti Campmann von der Band Kasalla, die längst über Kölns Grenzen hinaus bekannt ist.
"Diese Tage, die man im Karneval hat, genau diese Wochenenden, die sind dann schon mal Fließbandarbeit. Also das kann man auch glaube ich auch sagen, ohne dass das in irgendeiner Art und Weise despektierlich ist. Es ist extrem anstrengend, man weiß abends nicht mehr wo man morgens war, man steigt in den Bus ist dreizehn Stunden unterwegs und spielt da dann zwölf, dreizehn Mal jeweils eine halbe Stunde Musik."
Kasalla - längst nicht mehr nur Karnevalsband
Kasalla macht inzwischen mehr als die Hälfte ihrer Einnahmen unabhängig vom Karneval - auch deshalb konnten die Musiker die abgesagten Karnevals-Auftritte einigermaßen verkraften. Vielen Kollegen sei es schlechter ergangen, berichtet Campmann.
"Natürlich haben wir viele Kolleginnen und Kollegen mit denen wir auch sprechen, bei denen die Situation und das Verhältnis ganz anders ist, 80:20 beispielsweise oder noch mehr. Und die hat es natürlich in den letzten zwei Jahren doppelt hart getroffen. Und da geht es dann auch schon ganz klar an die Existenz und an die Substanz."
Zwar habe auch seine Band schwere Einbußen verzeichnet, aber: "Wir könnten unseren Kopf vielleicht ein bisschen länger über Wasser halten bevor die Nase untergeht als andere Kolleginnen und Kollegen und da sind wir auch sehr dankbar darüber."
Kitt für die Gesellschaft
Für die meisten Menschen im Rheinland hat der Karneval aber eine gesellschaftliche Funktion. Christoph Kuckelkorn, Bestattungsunternehmer und Präsident des Kölner Festkomitees beschreibt, was der Karneval für die Region bedeutet.
"Die Menschen, die hier im Rheinland leben, für die ist der Karneval ein ganz fester Bestandteil des Jahreskreises. Also wenn ich auf mich schaue als Kind, war das für mich wichtiger als Weihnachten oder Geburtstag. So ein Perspektivwechsel, eine Rolle zu wechseln mal für einen definierten Zeitraum mal den Frohsinn in den Vordergrund zu stellen, in der trübsten Zeit, die das Jahr so hat."
Der Karneval wird häufig auch als Kitt der Gesellschaft beschrieben. Kölner aus allen Milieus und Schichten können sich dafür begeistern, sagt Psychologe Wolfgang Oelsner:
"Wir Menschen brauchen mal eine Auszeit vom Alltag. Das haben wir als Individuum in Form vom Urlaub. Da kleiden wir uns anders, da sprechen, essen wir oft auch anders. Aber das ritualisiert zu tun im Kollektiv, in der Gemeinschaft, dafür sind die Bräuche da. Und das erfahren wir in dem Kulturgut Karneval. Da ist nämlich nicht nur der Einzelne verkleidet, da verkleidet sich hier im Rheinland die ganze Region."
So entstehe auch ein Wir-Gefühl, eine Gemeinschaft - wenn alle miteinander in der Straßenbahn Karnevalslieder anstimmen oder sich Hunderttausende beim Rosenmontagszug versammeln. Dieses Gefühl bedeutet für viele Kölner Heimat, führt Oelsner weiter aus. Mal abgesehen davon, dass die großen Karnevalsgesellschaften einflussreiche Akteure in der Kölner Stadtgesellschaft sind.
"Eine Kölner Gesellschaft definiert sich weitgehend über den Karneval. Die anderen Dinge gibt es hier so nicht, so wie in einer hanseatischen Struktur Bremen oder Hamburg. Die haben selbstverständlich ihre Netzwerke. Das heißt alles anders. Das gibt sich auch nach außen gediegener, seriöser. Da hat man vielleicht den Frack und die Fliege, das Abendkleid. Aber im Prinzip ist das nicht sehr viel anders. Hier definiert sich das über den Karneval."
Corona-Finanzhilfen für Jecken
Auch die Karnevalsvereine können Corona-Hilfen bekommen. Dafür hat sich unter anderem Christoph Kuckelkorn, der Präsident des Kölner Festkomitees, stark gemacht. Bereits im vergangenen Herbst hatte er mit dem Land Nordrhein-Westfalen verhandelt, dass die Gesellschaften freiwillig auf ihre Karnevalssitzungen verzichten, dafür aber Corona-Hilfen erhalten.
Außerhalb vom Rheinland gibt es Kritik daran, dass ausgerechnet Karnevalsvereine Hilfen vom Bund bekommen sollen. Aber im Rheinland wundert es wenige, auch nicht die sozialdemokratische Opposition in Köln: Die Vereine engagierten sich schließlich über den Karneval hinaus und seien wichtig für die Sozialstruktur der Stadt, sagt Christian Joisten, Vorsitzender der SPD-Fraktion im Stadtrat.
"Die machen ja nicht einfach nur einmal im Jahr eine große Karnevalssause und gehen dann bei irgendeinem Zug mit, sondern die organisieren sich in ihren Karnevalsvereinen ganzjährig, binden junge Menschen in Tanzgruppen wie in einem Sportverein ihre Leistungen auch übers Jahr bringen und trainieren."
Diese Vereine haben, so erklärt es Joisten, Fixkosten, die sie üblicherweise mit den Einnahmen an Karneval finanzieren, deshalb seien die Corona-Hilfen notwendig und gerechtfertigt.
Feiern wieder erlaubt - trotz Pandemie
Nun beginnt in Köln der zweite Pandemie-Karneval. Im vergangenen Jahr musste wegen des Lockdowns jede Feier ausfallen. Dieses Jahr sind Restaurants und Kneipen wieder geöffnet. Man könne sie jetzt nicht nur für die Karnevalstage schließen, sagt Kölns Oberbürgermeisterin Henriette Reker:
"Ich bin auch der Auffassung, wir können auch nicht den Menschen immer sagen, lassen sie sich impfen, dann können wir zu unserem normalen Leben zurückkehren und lassen sich noch das zweite Mal und boostern auch noch und lassen sich bitte auch noch testen. Aber dann bleiben Sie bitte zu Hause."
Den Karneval ins Frühjahr oder den Sommer zu verschieben, wie es die Düsseldorfer mit ihrem Rosenmontagszug machen, das haben die Verantwortlichen in Köln mehrheitlich abgelehnt. Auch, weil der rheinische Karneval seit 2014 zum immateriellen UNESCO-Weltkulturerbe zählt - und mit einer Verschiebung dieser Status möglicherweise gefährdet wäre. Dazu sagt Christoph Kuckelkorn:
"Ein Bestandteil ist natürlich, dass man sich in seinen Brauchstumsausübungen auch ein wenig definiert. Und für uns Karnevalisten in Köln, im Rheinland war immer schon ganz klar, dass es ein Fest des Alpha und des Omega gibt."
Also, dass der Karneval unmittelbar vor der christlichen Fastenzeit stattfindet und somit auch ans Kirchenjahr gebunden ist. Das Fest würde beliebig werden, sagt Kuckelkorn, wenn man es in den Sommer verschöbe.
Brauchtumszonen und Corona-Auflagen
Wie geht man also mit den Menschen um, die in den kommenden Tagen in den Städten im Rheinland feiern wollen? Wie können sie trotz Corona sicher feiern? Das Land Nordrhein-Westfalen erlaubt den Kommunen, von Weiberfastnacht bis Veilchendienstag Brauchtumszonen auszuweisen. Hier darf nur feiern, wer geboostert oder geimpft, genesen und zusätzlich getestet ist. 2G-Plus also. Die Verwaltung in Köln hat daraufhin das gesamte Stadtgebiet zur Brauchtumszone erklärt.
"Also ich bin der Überzeugung, dass es richtig ist, dass für ganz Köln zu bestimmen", sagt Oberbürgermeisterin Henriette Reker. "Weil in allen Veedeln Karneval gefeiert wird und man gar nicht sagen kann, wo wird es gefeiert und wo wird es nicht gefeiert? Und so gibt uns das die Möglichkeit der stichprobenhaften Überprüfung."
Die Regelung bedeutet, dass jeder Mensch, der in Köln Karneval feiern will, die 2Gplus-Regeln erfüllen muss. In Innenräumen, etwa in Kneipen, müssen auch Geboosterte einen Test vorweisen. Das Ordnungungsamt wird nur stichprobenartig kontrollieren können. Für die Karnevalstage entfällt in Köln draußen außerdem die Maskenpflicht. Christian Joisten von der SPD hält die Brauchtumszonen an sich für eine gute Idee, die Entscheidung der Stadt hingegen für ein fatales Signal:
"Und damit faktisch das Signal zu setzen: In Köln wird Karneval gefeiert wie immer. Weil, machen wir uns nichts vor, bei allen Regeln, in einer Millionenstadt wo noch mal im Regelfall mehrere 100.000 bis eine Million Besucher kommen, da ist Kontrolle praktisch aufgehoben und es ist das Signal ans Umland gegangen, ihr könnt kommen, wir feiern Karneval."
Wie in Köln Karneval gefeiert werden soll
Keine Karnevalsumzüge, keine Sitzungen
Ganz wie immer wird der Karneval in Köln in diesem Jahr aber nicht sein. Großveranstaltungen und die meisten Sitzungen fallen ebenso aus wie die traditionellen Karnevalsumzüge. Zwar konzipieren viele Vereine coronakonforme Veranstaltungen, auch digitale Events, aber sichtbar bleibt vor allem der Kneipen- und Straßenkarneval, der in seinen Ausschweifungen zuletzt so viel Kritik auf sich gezogen hat. Trotzdem glaubt Brauchtumsforscher Wolfgang Oelsner, dass auch aus dieser Zeit Neues erwachsen kann:
"Das ist ja die Kraft des närrischen Festes, die Welt dann auf den Kopf zu stellen, umzudrehen und dann nochmal eine Antwort zu finden. Vielleicht passiert jetzt da etwas, es wäre zu wünschen. Schön ist es nicht, dass es jetzt so ist. Aber die Welt geht davon auch nicht unter, da gab es ganz, ganz andere Krisen."