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Hintze: Euro-Stabilisierung bewegt die Gemüter

Zwischen Kanzleramtschef Ronald Pofalla und CDU-Kollegen Wolfgang Bosbach sollen böse Worte gefallen sein. Die Opposition nutzt die verbale Attacke, um die Regierung anzugreifen. Es sei eine Frage der politischen Kultur, dass ein privates Gespräch – auch wenn es ein heftiges war – ein privates bleibe, sagt Wirtschaftsstaatssekretär Peter Hintze.

Peter Hintze im Gespräch mit Bettina Klein |
    Bettina Klein: Der Streit sei beigelegt, hieß es am Wochenende, Ronald Pofalla habe sich entschuldigt, Wolfgang Bosbach die Entschuldigung angenommen. Für viele Politiker scheint der Streitfall allerdings nicht erledigt zu sein, auch heute melden sich einige von ihnen zu Wort.
    Am Telefon begrüße ich den CDU-Politiker Peter Hintze, er ist Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium, zugleich ist er Vorsitzender der NRW-Landesgruppe im Deutschen Bundestag. Guten Morgen, Herr Hintze!

    Peter Hintze: Morgen, Frau Klein!

    Klein: Entschuldigung hin oder her: Sind Sie besorgt, dass ein solcher Ton möglich ist, wenn ein Abgeordneter eine andere Haltung vertritt?

    Hintze: Ich halte es für eine Frage der politischen Fairness, das Signal, das beide Beteiligten gegeben haben, zu akzeptieren und die Sache für abgeschlossen zu erklären. Mich verwundert sehr stark, wie viele sich von Regierung, Opposition und aus den Medien insbesondere äußern zu einem Gespräch, an dem keiner teilgenommen hat. Nur die beiden Beteiligten wissen, was sie miteinander besprochen haben. Die haben gesagt, wir haben uns ausgesprochen, das ist für uns geklärt, jetzt werden über die Boulevardpresse und dann auch über die andere Presse Zitate verbreitet, die angeblich gefallen sind, die kein Mensch bestätig hat. Also, ich finde das auch eine Frage der politischen Kultur, dass man hier die Bereiche auseinanderhält und dass ein privates Gespräch – auch wenn es ein heftiges Gespräch war –, wenn beide Beteiligte hinterher sagen, wir haben das geklärt, das ist für uns jetzt okay, dass das dann auch in dieser Sphäre gelassen wird und nicht derart ...

    Klein: ... das heißt, Herr Hintze, Sie bezweifeln, dass die Sätze gefallen sind, die wir gerade noch mal gehört haben?

    Hintze: Ich habe das akustisch jetzt nicht verstanden?

    Klein: Entschuldigung, ich wollte noch mal fragen: Sie bezweifeln, dass die Sätze, mit denen Herr Pofalla zitiert wird, überhaupt gefallen sind?

    Hintze: Ich finde die Spekulation darüber ... Keiner von beiden hat ja bisher etwas aus diesem Gespräch gesagt und ein Dritter hat nicht teilgenommen. Das war ja ein Privatgespräch zwischen zweien. Dass darüber jetzt wild spekuliert wird, dass das medial aufgeblasen wird, dass dann Mahnungen kommen, dass die Opposition die Stunde erkennt, die Regierung anzugreifen, das ist ja klar – ich meine, in ihrer Verzweiflung fällt der Opposition nichts anderen ein. Und ich finde es auch eine Frage der politischen Kultur, dass man ein Privatgespräch ein Privatgespräch sein lässt, insbesondere dann, wenn beide Beteiligten das klare Signal geben, für sie sei die Sache geklärt und sie würden im Übrigen sich auch noch einmal treffen, um das nun endgültig abzuschließen.

    Klein: Ja, noch mal zu der Frage, Herr Hintze: Es wird ja sozusagen das verbreitet in den Medien, was offensichtlich in diesem Gespräch gefallen ist. Mir ist nicht bekannt, dass Ronald Pofalla das dementiert habe, das kann er ja sehr einfach tun, sondern wie ich es verstanden habe, hat er das durchaus bestätigt, dass es so gesagt worden ist, und hat sich deswegen auch entschuldigt. Also, ist das jetzt sinnvoll darüber zu spekulieren, ob das jetzt überhaupt alles stimmt?

    Hintze: Also, Sie spekulieren ja. Von einer Bestätigung des Wortlautes ist mir nichts bekannt, vielleicht ist Ihnen das bekannt, mir ist das nicht bekannt. Insofern finde ich das sehr interessant, das ist aber auch typisch für unsere mediale Zeit: Es erscheint etwas, dann wird es sofort so genommen und damit auseinandergesetzt. Aber das ist gar nicht der Punkt, die zwei haben sich privat unterhalten, ein Dritter war nicht dabei, beide haben zu dem Inhalt des Gesprächs meiner Kenntnis nach nichts gesagt und beide haben aber das Signal gegeben, sie haben sich verständigt. Und das, finde ich, muss man akzeptieren. Vielleicht noch einen kleinen Exkurs zum Rheinland, das sind ja beides Rheinländer: Die Rheinländer sind lebhafte Menschen, aber sie sind auch versöhnungsgeneigt. Und ich finde, diese Versöhnungsgeneigtheit sollte man jetzt auch akzeptieren. Und was die politische Diskussionskultur in der Sache angeht: Wir haben ja sowohl in der Fraktion wie in der Landesgruppe mehrmals über Stunden die Sachen gründlichst erörtert mit Pro und mit Kontra, mit Experten in der Landesgruppe, vor der Entscheidung war Wolfgang Schäuble bei uns, wir hatten mehrere Stunden Gelegenheit, die Sachen mit ihm auszutauschen. Also, wir haben eine gute Diskussionskultur und das wiederum bestätigen auch alle, das hat auch Wolfgang Bosbach uns hier bestätigt, dass wir in der Sache sehr ruhig an diese Schicksalsfrage Europa herangegangen sind, und dass die Euro-Stabilisierung und der Zusammenhalt Europas, dass das eine Frage ist, die Emotionen bewegt, die Gemüter bewegt, die einen innerlich umtreibt, das ist doch, glaube ich, mehr als verständlich.

    Klein: Ja, also, Herr Hintze, ich halte noch mal fest an der Stelle, Sie bezweifeln a), dass diese Sätze so gefallen sind, ...

    Hintze: ... nein, nein, Moment mal, das kommt überhaupt nicht, ich spekuliere, nein, ich weiß nicht ...

    Klein: ... und meinen b), dass es auch keiner öffentlichen Diskussion bedarf?

    Hintze: Ich weise im öffentlich-rechtlichen Rundfunk mal darauf hin, dass wir zwar einige Zeitungszitate haben, dass aber nur zwei an dem Gespräch beteiligt waren, von denen keiner etwas zum tatsächlichen Inhalt des Gesprächs gesagt hat. Einer hat gesagt hat, dass er sich vor dem Gespräch beschwert gefühlt hat, der andere habe sich entschuldigt und das sei damit in Ordnung. Aber die gesamte Nation diskutiert über ein Gespräch, an dem keiner beteiligt war.

    Klein: Ja. Kommen wir vielleicht mal auf den etwas größeren Zusammenhang, denn der Abgeordnete Bosbach hat sich ja auch unabhängig von dem Gespräch sehr betroffen, sehr bedrückt gezeigt darüber, wie man in der Fraktion, in der Partei mit ihm umgegangen sei angesichts seines bevorstehenden, auch tatsächlich erfolgten Abstimmungsverhaltens. Nehmen Sie diese Art der Betroffenheit und der Kritik auch am Umgang mit Ihnen ernst?

    Hintze: Das nehme ich sehr ernst. Wolfgang Bosbach ist nicht nur ein lieber Freund von mir, sondern er ist ja auch ein begnadeter Redner, ein Experte der Innenpolitik, wie es nicht viele gibt, also ein wirklich politisch und menschlich sehr wichtiger Teil unserer Fraktion. Und wenn er sich da belastet fühlt, dann ist das ernst zu nehmen, das ist ganz klar. Auf der anderen Seite hat er selber auch immer gesagt, auch mir bestätigt, uns bestätigt, dass die Diskussion in der Sache immer gut war. Er hat in der Fraktion zu den Themen gesprochen, wir haben in der Fraktion, in der Landesgruppe gesprochen, Pro und Kontra sind ausgetauscht worden und es war die Möglichkeit, wirklich das Thema bis in den letzten Winkel auszuleuchten. Ich glaube, das hat er auch bestätigt. Und dass alle Beteiligten emotional angespannt sind bei einer so zentralen Schicksalsfrage Deutschlands und Europas, das ist, glaube ich, verständlich. Aber ich meine, dass es falsch wäre zu sagen, wir hätten nicht ausführlich jedem die Chance gegeben, sein Urteil zu bilden und auch sein Urteil zu äußern.

    Klein: Ja, ich glaube, das bestreitet auch niemand, Herr Hintze, ich glaube aber auf der anderen Seite auch, dass viele das mit einer gewissen Betroffenheit zur Kenntnis genommen haben, dass sich Herr Bosbach so angegriffen gefühlt hat, dass er in Erwägung gezogen hat – und zwar öffentlich, und diese Interviews kann man ja auch nachlesen und nachhören –, dass er sich die Frage gestellt hat, ob er noch mal politisch kandidieren sollte. Also sagen Sie, er muss sich einfach ein dickes Fell zulegen?

    Hintze: Nein. Also, erst mal finde ich es wichtig in der Politik wie im Leben, dass man nicht nur in den Rückspiegel schaut, dann fährt man gegen die Wand, sondern auch auf die jüngsten Äußerungen von Wolfgang Bosbach hört. Sie haben ja eben selbst in der Sendung gesagt, er hat auch das für sich noch mal überlegt, er ist natürlich ein Unionsmann, er ist dabei und ich bin auch voller Zuversicht, dass er auch wieder für den Deutschen Bundestag kandidiert. Dass auch er angespannt war, ist ja klar. Denn es ist, wir müssen uns mal in die Lage eines Politikers hineinversetzen, der gegen die breite Mehrheit seiner eigenen Fraktion im Rundfunk, im Fernsehen, in Zeitungen dagegen argumentiert. Das ist ja auch eine Sache, die einen Menschen anspannen kann, das ist menschlich doch vollkommen verständlich. Und dass auch er diese Anspannung gespürt hat, kann ich gut nachempfinden.

    Klein: Inhaltlich, Herr Hintze, vonseiten der CSU wurden vergangenes Wochenende verschiedentlich dicke rote Linien in den Sand gemalt, was mögliche künftige Abstimmungen über Euro-Rettungsschirme und den längerfristigen Mechanismus ESM angeht, mehr Ausweitung oder ein Vorziehen dieses Mechanismus sei mit der CSU nicht drin. – Setzen Sie darauf, dass diese Ankündigungen bei nächstnötiger Gelegenheit, das heißt, wenn sich doch wieder etwas ändern muss, eine weitere Abstimmung über das bisher Hinausgehende erfolgen muss, von der CSU über Bord geworfen werden?

    Hintze: Das ist eine lustige Frage. Die CSU ist grundsatztreu und ich bin auch sicher, dass die CSU an ihren Grundsätzen und ihren Erklärungen festhält. Wenn Sie mich auf der anderen Seite fragen, wird die Regierung zu jedem Zeitpunkt das tun, was sie als richtig und notwendig erkennt, dann sage ich das auch, und die CSU war in der Vergangenheit immer die Kraft, die in finanzpolitischen Fragen, in europapolitischen Fragen das Richtige mit erkannt und auch mit gemacht hat. Und insofern lösen sich vielleicht diese beiden Fragestellungen auch positiv auf.

    Klein: Ja, im Moment scheint sie die Partei zu sein, die Zweifel an der Art und Weise, wie die Euro-Rettung jetzt erfolgt, vielleicht am lautesten artikuliert. Ist das sinnvoll, ist das eine Art sozusagen Aufgabenteilung auch in der Union?

    Hintze: Nein. Also, wir sind Schwesterparteien, eng miteinander befreundet und auch eng miteinander verbunden, aber jeder hat so seinen eigenen Akzent. Und das ist vielleicht der Grund jetzt mal für diese Äußerung. Wir sind verbunden in den Zielen, den Zusammenhalt Europas zu wahren, die europäische Integration als unsere Herzensaufgabe zu verstehen und die Stabilität des Euro sicherzustellen. Und das ist eine Aufgabe von historischem Rang und da sind CDU und CSU ganz eng beieinander. Dass mal der eine oder andere Akzent vom einen oder anderen anders besetzt wird, das ist üblich in der Politik.

    Klein: Ich glaube, viele Bürger machen sich auch wirklich Sorgen. Wir diskutieren jetzt über die Frage, auf welche Art und Weise dieser Euro-Rettungsschirm ja nicht ausgeweitet werden soll, sondern über eine Hebewirkung noch mal anders zur Anwendung kommt. Und da sagen Finanzwissenschaftler ganz klar: Wenn es dann zu einem Scheitern kommt, wenn Staaten zum Beispiel Insolvenz anmelden müssen, dann werden natürlich die anderen Staaten Garantieleistungen zu übernehmen haben. Sind das nicht Gefahren, vor denen auch Sie stärker warnen müssten, anstatt, was man auch von vielen Politikern im Augenblick hört, zu sagen, das sind eigentlich alles Spekulationen und Spekulationen machen nur Angst und deswegen sollten wir sie lassen?

    Hintze: Also, ich finde ganz wichtig, dass wir in jedem Entscheidungsaugenblick ruhig und kühl überlegen, was ist in der Sache das Richtige. Und das haben wir bis jetzt gut geschafft, wie ich finde. Wenn man mal die gesamte Situation uns anschauen: Wir haben Irland und Portugal bis jetzt auf einem guten Weg gesehen, sie sind aus den Schwierigkeiten, in denen sie drin stecken, weitgehend herausgekommen. Also, von drei Ländern geht es bei zweien gut; bei einem dritten Land, bei Griechenland, ist die Situation schwieriger und komplizierter, das können auch alle mit verfolgen. Aber bisher war die Strategie, immer dann zu entscheiden, wenn es etwas zu entscheiden gibt, und klug zu überlegen, was ist jetzt die richtige Maßnahme bei klarer Begrenzung des Risikos und möglichst optimaler Wirkung für die Stabilitätsziele, die wir anstreben wollen ...

    Klein: ... dann hoffen wir, dass das Risiko auch in Zukunft begrenzt bleiben wird. Herr Hintze, wir gehen auf die Nachrichten zu, deswegen bedanke ich mich an dieser Stelle für das Interview. Hier im Deutschlandfunk heute Morgen der CDU-Politiker Peter Hintze, er ist Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium und Vorsitzender der NRW-Landesgruppe im Deutschen Bundestag, vielen Dank für das Gespräch!

    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.