Fahrradfahren in Portland macht Spaß. Die Straßen sind breit, die Fahrradstreifen auf den Straßen auch, die nicht sehr vielen Autofahrer extrem rücksichtsvoll. Trotzdem tragen alle Radfahrer brav einen Helm, ich heute auch.
Zuerst fahre ich durch den Pearl District. Der liegt gleich neben Downtown und ist eine Gegend voll mit großen alten Lagerhäusern aus der Zeit um 1900, die lange leer standen und dann umgebaut wurden. Jetzt sind in den Lagerhäusern Restaurants, teure Eigentumswohnungen und vor allem viele Galerien, denn der Pearl District ist zu dem Kunstviertel Portlands geworden, besonders wenn sich am ersten Donnerstag des Monats die Galerien abends öffnen oder wenn gerade das Straßenfest "Art in the pearl" ist.
Mitten im Pearl District steht das Ecotrust Gebäude, auch ein ehemaliges Lagerhaus. Mit seinen beiden externen schwarzen Treppenhäusern an der Außenwand und den grünen Pflanzenwänden davor ein auffälliges Gebäude, und ein Beispiel für den Boom ökologischen Bauens in Portland, mehrfach ausgezeichnet, unter anderem mit dem goldenen LEED-Zertifikat für Energieeffizienz, umgebaut mit nachhaltigen Materialien, und einem energiesparenden Heizungs- und Kühlsystem, für das auch der Pizzaofen der Pizzeria im Erdgeschoss mitheizt. Der Architekt Jeffrey Stuhr ist besonders stolz auf das Wassermanagement:
"Obwohl es in Portland im Winter viel regnet, haben wir im Sommer und Herbst sehr trockene Perioden. Die Idee war, ein Gebäude zu machen, das viel Wasser auffängt. Wir haben sehr viele Lachse in der Gegend, und wenn schmutziges Regenwasser aus der Stadt in den Fluss fließt, ist das schlecht für diese Fische. Deshalb haben wir hier ein grünes Dach und Bio Swells, Wände aus Pflanzen, gebaut, die das Wasser aufnehmen. 95 Prozent des Regenwassers verbleibt im Gebäude."
Das Ecotrust Gebäude ist typisch für die Portlander Mischung, zwei Restaurants : Laughing Planet, mit mexikanisch orientiertem Bioessen und frischen Säften und die Pizzeria Hotlips, deren Ofen wie gesagt das Gebäude mitbeheizt, ein Coffeeshop, ein Outdoorbekleidungsladen und Büros der Umweltschutzorganisation Ecotrust. Klar, dass es vor dem Gebäude mehr Fahrrad- als Autoparkplätze gibt.
"Wir haben die meisten Leed-zertifizierten Bauten im ganzen Land, und pro Kopf die meisten Fahrradfahrer. Wir kümmern uns sehr um unsere Umwelt, die Luft, die wir atmen, das Wasser, das wir trinken. Und versuchen alles das in unsere Stadtplanung einzubeziehen, um eine wirklich nachhaltige Gemeinde zu werden. Ich denke, Portland ist den meisten anderen Städten in den USA um Lichtjahre voraus."
Nicht ganz öko, aber dafür sehr originell und abwechslungsreich sind die Food-Carts: zu mobilen Küchen umgebaute Wagen, die bunt angemalt am Rande von Parkplätzen stehen und aus denen heraus so ungefähr jedes Essen serviert wird, das man sich vorstellen kann, von kubanisch bis koreanisch, von indisch bis polnisch. Ich fahre weiter mit dem Fahrrad - zu einem solchen Foodcart-Lot, einer regelrechten Fressmeile mit über 60 Wagen in Downtown. Hier treffe ich Brett, der sich gut mit den inzwischen 700 Foodcarts in Portland auskennt und sich mit mir vor einem Foodcart verabredet hat, das Salmon Fusion heißt und wo es ausschließlich Lachs gibt, den aber in allen möglichen Varianten.
"Was würdest du empfehlen? Die geräucherten Lachsburger sind großartig, die Chowders aber auch, aber ich würde die Sliders empfehlen."
Während wir aufs Essen warten, erzählt mir Brett, was einen echten Portlander ausmacht.
"Für echte Portlander dreht es sich um Food Carts, Fahrräder, Tätowierungen, Mikrobrauereien – und – was noch? Rote Haare."
Letzteres sagt er wohl nur, weil er selbst welche hat, aber das mit den Tätowierungen stimmt, erstaunlich viele Portlander haben großflächige Tattoos, ganze Arme voll oder auch Dekolletés. Und die über 50 kleinen Brauereien in der Stadt, die Microbreweries mit ihren angeschlossenen Brewpubs (Kneipen), sind sehr beliebt, zumal man da ganz verrückte Biersorten probieren kann: Kaffeebier oder auch Bier mit Zitronengras und Koriander-Geschmack ... aber jetzt werden unsere Lachssliders serviert.
"We got the smoked salmon sliders ..."
Als Nachtisch nehme ich noch am Stand um die Ecke einen Brotpudding a la Louisiana und mache mich gestärkt auf den Weg in eines der hippen Stadtviertel auf der andere Seite des Willamette-Flusses, der Portland in zwei Hälften teilt. Auf beiden Uferseiten lässt sich besonders gut Rad fahren, denn hier ist der sogenannte Waterfrontpark, ganz ohne Autos. Dann geht es über die alte schwarze Stahlbrücke, die zwei Etagen hat: Fahrräder und Fußgänger unten, die Stadtbahn oben.
Ich fahre nach Mississippi, einem Stadtteil, der in jüngster Zeit ganz schön boomt. Hier sind die alten Holzhäuser mit den erhöhten Terrassen und den spitzen Dächern in den Wohnstraßen etwas kleiner als in wohlhabenderen Vierteln, hier haben früher hauptsächlich Schwarze gewohnt, und es war zeitweise eine recht unsichere Gegend mit viel Drogenhandel und Gangs. Jetzt aber ziehen junge Familien und alleinstehende Weiße zu, denn die Mississippi Avenue und die umliegenden Straßen sind sehr angesagt. Designerläden, Restaurants, ein Musikstudio, ein Salzgeschäft, Schokoladenmanufaktur, Cafés - hier ist viel los.
Mitten drin das Rebuilding Center: alte Türen, Badewannen, Balken stapeln sich auf dem Gelände, dauernd kommt jemand vorgefahren und lädt etwas ab. Hier spenden die Leute das, was sie bei einer Renovierung aussortieren. Acht Tonnen Material täglich, vom Türknauf bis zum ganzen Gebäudeteil. Und andere kommen und kaufen die Sachen für ein Zehntel des Preises, den sie für etwas Neues bezahlen würden. Den Gewinn spendet das Rebuilding Center, denn es gehört zu einer Non-Profit-Organisation.
"Wir spenden Material an soziale Projekte in ganz Oregon. Und investieren Geld in Menschen, die Ideen für ihr Viertel haben, um es zu einem besseren Ort zu machen."
Shane Endicott ist der geschäftsführende Direktor des Rebuilding Centers. Seit 1999 ist das Projekt in der Mississippi Avenue angesiedelt. Glücklicherweise haben sie die 6000 Quadratmeter Gelände gekauft, sonst hätten sie wohl ein Problem mit den steigenden Mieten. Shane Endicott, der im Stadtteil Mississippi aufgewachsen ist, sieht die Entwicklung dort mit gemischten Gefühlen.
"Ich sehe unsere Rolle darin, zu helfen, dass die Alteingesessenen und die, die neu hinzukommen, miteinander klarkommen. Anfangs gab es viel Ärger. Aber jetzt lassen beispielsweise die neuen Ladenbetreiber die Jugendlichen aus dem Viertel in den Sommerferien bei sich arbeiten. Und einmal pro Woche treffen sich alle zum Mittagessen hier bei uns. So lernen die Jugendlichen wie man ein Geschäft aufbaut und die Ladenbetreiber integrieren sich besser im Viertel. Und das Tollste: Alle machen mit! Siehst du, ich bekomme eine Gänsehaut wenn ich davon erzähle, das ist so aufregend, ein Problem in so etwas Positives zu verwandeln."
Ein Beispiel für den in Portland weit verbreiteten Localism, das Verantwortungsbewusstsein für das eigene Viertel und für die eigene Stadt. Man könnte es auch Lokalpatriotismus nennen. Aber das klingt so negativ.
Ich bin beeindruckt, nehme mein Fahrrad und fahre zurück Richtung Downtown, nutze dafür einen der Bicycle Boulevards, für die Portland auch bekannt ist. Straßen, auf denen die Fahrradfahrer absolute Priorität haben, bei denen alle einmündenden Straßen Stoppschilder haben, sodass der Radfahrer bis zu 20 Blocks sausen kann, ohne anzuhalten. Und Downtown bedeutet nicht wie so oft in den USA: ausgestorbene Straßenzüge mit Bürohochhäusern. In Downtown Portland kann man bummeln gehen. Viele tun das auch. Oder eben Fahrrad fahren.
Zuerst fahre ich durch den Pearl District. Der liegt gleich neben Downtown und ist eine Gegend voll mit großen alten Lagerhäusern aus der Zeit um 1900, die lange leer standen und dann umgebaut wurden. Jetzt sind in den Lagerhäusern Restaurants, teure Eigentumswohnungen und vor allem viele Galerien, denn der Pearl District ist zu dem Kunstviertel Portlands geworden, besonders wenn sich am ersten Donnerstag des Monats die Galerien abends öffnen oder wenn gerade das Straßenfest "Art in the pearl" ist.
Mitten im Pearl District steht das Ecotrust Gebäude, auch ein ehemaliges Lagerhaus. Mit seinen beiden externen schwarzen Treppenhäusern an der Außenwand und den grünen Pflanzenwänden davor ein auffälliges Gebäude, und ein Beispiel für den Boom ökologischen Bauens in Portland, mehrfach ausgezeichnet, unter anderem mit dem goldenen LEED-Zertifikat für Energieeffizienz, umgebaut mit nachhaltigen Materialien, und einem energiesparenden Heizungs- und Kühlsystem, für das auch der Pizzaofen der Pizzeria im Erdgeschoss mitheizt. Der Architekt Jeffrey Stuhr ist besonders stolz auf das Wassermanagement:
"Obwohl es in Portland im Winter viel regnet, haben wir im Sommer und Herbst sehr trockene Perioden. Die Idee war, ein Gebäude zu machen, das viel Wasser auffängt. Wir haben sehr viele Lachse in der Gegend, und wenn schmutziges Regenwasser aus der Stadt in den Fluss fließt, ist das schlecht für diese Fische. Deshalb haben wir hier ein grünes Dach und Bio Swells, Wände aus Pflanzen, gebaut, die das Wasser aufnehmen. 95 Prozent des Regenwassers verbleibt im Gebäude."
Das Ecotrust Gebäude ist typisch für die Portlander Mischung, zwei Restaurants : Laughing Planet, mit mexikanisch orientiertem Bioessen und frischen Säften und die Pizzeria Hotlips, deren Ofen wie gesagt das Gebäude mitbeheizt, ein Coffeeshop, ein Outdoorbekleidungsladen und Büros der Umweltschutzorganisation Ecotrust. Klar, dass es vor dem Gebäude mehr Fahrrad- als Autoparkplätze gibt.
"Wir haben die meisten Leed-zertifizierten Bauten im ganzen Land, und pro Kopf die meisten Fahrradfahrer. Wir kümmern uns sehr um unsere Umwelt, die Luft, die wir atmen, das Wasser, das wir trinken. Und versuchen alles das in unsere Stadtplanung einzubeziehen, um eine wirklich nachhaltige Gemeinde zu werden. Ich denke, Portland ist den meisten anderen Städten in den USA um Lichtjahre voraus."
Nicht ganz öko, aber dafür sehr originell und abwechslungsreich sind die Food-Carts: zu mobilen Küchen umgebaute Wagen, die bunt angemalt am Rande von Parkplätzen stehen und aus denen heraus so ungefähr jedes Essen serviert wird, das man sich vorstellen kann, von kubanisch bis koreanisch, von indisch bis polnisch. Ich fahre weiter mit dem Fahrrad - zu einem solchen Foodcart-Lot, einer regelrechten Fressmeile mit über 60 Wagen in Downtown. Hier treffe ich Brett, der sich gut mit den inzwischen 700 Foodcarts in Portland auskennt und sich mit mir vor einem Foodcart verabredet hat, das Salmon Fusion heißt und wo es ausschließlich Lachs gibt, den aber in allen möglichen Varianten.
"Was würdest du empfehlen? Die geräucherten Lachsburger sind großartig, die Chowders aber auch, aber ich würde die Sliders empfehlen."
Während wir aufs Essen warten, erzählt mir Brett, was einen echten Portlander ausmacht.
"Für echte Portlander dreht es sich um Food Carts, Fahrräder, Tätowierungen, Mikrobrauereien – und – was noch? Rote Haare."
Letzteres sagt er wohl nur, weil er selbst welche hat, aber das mit den Tätowierungen stimmt, erstaunlich viele Portlander haben großflächige Tattoos, ganze Arme voll oder auch Dekolletés. Und die über 50 kleinen Brauereien in der Stadt, die Microbreweries mit ihren angeschlossenen Brewpubs (Kneipen), sind sehr beliebt, zumal man da ganz verrückte Biersorten probieren kann: Kaffeebier oder auch Bier mit Zitronengras und Koriander-Geschmack ... aber jetzt werden unsere Lachssliders serviert.
"We got the smoked salmon sliders ..."
Als Nachtisch nehme ich noch am Stand um die Ecke einen Brotpudding a la Louisiana und mache mich gestärkt auf den Weg in eines der hippen Stadtviertel auf der andere Seite des Willamette-Flusses, der Portland in zwei Hälften teilt. Auf beiden Uferseiten lässt sich besonders gut Rad fahren, denn hier ist der sogenannte Waterfrontpark, ganz ohne Autos. Dann geht es über die alte schwarze Stahlbrücke, die zwei Etagen hat: Fahrräder und Fußgänger unten, die Stadtbahn oben.
Ich fahre nach Mississippi, einem Stadtteil, der in jüngster Zeit ganz schön boomt. Hier sind die alten Holzhäuser mit den erhöhten Terrassen und den spitzen Dächern in den Wohnstraßen etwas kleiner als in wohlhabenderen Vierteln, hier haben früher hauptsächlich Schwarze gewohnt, und es war zeitweise eine recht unsichere Gegend mit viel Drogenhandel und Gangs. Jetzt aber ziehen junge Familien und alleinstehende Weiße zu, denn die Mississippi Avenue und die umliegenden Straßen sind sehr angesagt. Designerläden, Restaurants, ein Musikstudio, ein Salzgeschäft, Schokoladenmanufaktur, Cafés - hier ist viel los.
Mitten drin das Rebuilding Center: alte Türen, Badewannen, Balken stapeln sich auf dem Gelände, dauernd kommt jemand vorgefahren und lädt etwas ab. Hier spenden die Leute das, was sie bei einer Renovierung aussortieren. Acht Tonnen Material täglich, vom Türknauf bis zum ganzen Gebäudeteil. Und andere kommen und kaufen die Sachen für ein Zehntel des Preises, den sie für etwas Neues bezahlen würden. Den Gewinn spendet das Rebuilding Center, denn es gehört zu einer Non-Profit-Organisation.
"Wir spenden Material an soziale Projekte in ganz Oregon. Und investieren Geld in Menschen, die Ideen für ihr Viertel haben, um es zu einem besseren Ort zu machen."
Shane Endicott ist der geschäftsführende Direktor des Rebuilding Centers. Seit 1999 ist das Projekt in der Mississippi Avenue angesiedelt. Glücklicherweise haben sie die 6000 Quadratmeter Gelände gekauft, sonst hätten sie wohl ein Problem mit den steigenden Mieten. Shane Endicott, der im Stadtteil Mississippi aufgewachsen ist, sieht die Entwicklung dort mit gemischten Gefühlen.
"Ich sehe unsere Rolle darin, zu helfen, dass die Alteingesessenen und die, die neu hinzukommen, miteinander klarkommen. Anfangs gab es viel Ärger. Aber jetzt lassen beispielsweise die neuen Ladenbetreiber die Jugendlichen aus dem Viertel in den Sommerferien bei sich arbeiten. Und einmal pro Woche treffen sich alle zum Mittagessen hier bei uns. So lernen die Jugendlichen wie man ein Geschäft aufbaut und die Ladenbetreiber integrieren sich besser im Viertel. Und das Tollste: Alle machen mit! Siehst du, ich bekomme eine Gänsehaut wenn ich davon erzähle, das ist so aufregend, ein Problem in so etwas Positives zu verwandeln."
Ein Beispiel für den in Portland weit verbreiteten Localism, das Verantwortungsbewusstsein für das eigene Viertel und für die eigene Stadt. Man könnte es auch Lokalpatriotismus nennen. Aber das klingt so negativ.
Ich bin beeindruckt, nehme mein Fahrrad und fahre zurück Richtung Downtown, nutze dafür einen der Bicycle Boulevards, für die Portland auch bekannt ist. Straßen, auf denen die Fahrradfahrer absolute Priorität haben, bei denen alle einmündenden Straßen Stoppschilder haben, sodass der Radfahrer bis zu 20 Blocks sausen kann, ohne anzuhalten. Und Downtown bedeutet nicht wie so oft in den USA: ausgestorbene Straßenzüge mit Bürohochhäusern. In Downtown Portland kann man bummeln gehen. Viele tun das auch. Oder eben Fahrrad fahren.