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Hirnstimulation
Nervennetze verbinden innen und außen

Depression, Epilepsie, Parkinson oder Alzheimer: Seit einigen Jahren können Ärzte Störungen im Gehirn ihrer Patienten nicht nur mit Medikamenten beeinflussen, sondern auch durch elektrische Stimulation. Ob diese Anregung direkt im Gehirn oder von außen ausgelöst wird, scheint dabei gar nicht so entscheidend zu sein.

Von Volkart Wildermuth | 30.09.2014
    Michael Fox ist nicht nur Mediziner, sondern auch Elektroingenieur. Bei seinem Hintergrund wenig überraschend konzentrierte er sich am Zentrum für Parkinson und Bewegungsstörungen der Harvard Medical School auf die elektrische Stimulation des Gehirns.
    Dabei gibt es zwei Verfahren: Entweder wird eine Elektrode in einer Operation dauerhaft implantiert. So können die Ärzte auch Regionen tief im Inneren des Gehirns aktivieren. Oder die Patienten bekommen regelmäßig eine große Magnetspule an den Kopf gelegt, die die Nerven gezielt anregt oder hemmt.
    Dieses nicht invasive Verfahren erreicht aber nur Regionen an der Oberfläche des Gehirns.
    Eigentlich zielen die Elektroden und die Spulen also auf verschiedene Nervenzentren. Michael Fox wollte wissen, ob es vielleicht doch verborgene Zusammenhänge gibt. Dazu hat er als erstes systematisch Artikel zu den verschiedenen Verfahren der Hirnstimulation gesichtet:
    Hirnstimulation wirkt bei 14 Krankheitsbildern
    "Ich habe versucht, alle Arbeiten zu finden. Deshalb umfasst meine Literaturliste auch 250 Angaben, es gibt sehr viel Material."
    Bei insgesamt 14 Krankheitsbildern von Alzheimer über Depression, Epilepsie, Parkinson Schmerz bis hin zu Zwangsstörungen zeigt die Hirnstimulation einen Effekt. Bei Depressionen zum Beispiel werden Elektroden in fünf Orte im Inneren des Gehirns implantiert, aber auch die Stimulation von zwei Regionen an seiner Oberfläche ist wirksam.
    Auf den ersten Blick haben die sieben verschiedenen Nervenzentren nicht unbedingt viel miteinander zu tun. Aber sie hängen doch zusammen, wie Michael Fox über eine Art Schaltplan des Gehirns nachvollziehen konnte, der anhand von Mustern in der Hirnaktivität von Tausend gesunden Personen erstellt wurde:
    Patienten gezielter helfen
    "Bei einer Depression werden die Elektroden meist in ein dünnes Nervenband weit hinter den Augen implantiert, in die Area subgenualis. Wir konnten nachverfolgen, mit welchen anderen Regionen dieses Zentrum verknüpft ist. Dazu gehört auch eine Region vorne links an der Oberfläche des Gehirns. Hier stimulieren die Ärzte depressive Patienten von außen. Die Wirkorte der Elektroden und Magnetspulen sind zwar getrennt, aber sie hängen letztlich zusammen, und zwar nicht nur bei der Depression, sondern bei all den verschiedenen Krankheitsbildern."
    Jede Krankheit hat dabei ein therapeutisches Netzwerk, das die Ärzte auf unterschiedlichen Wegen ansprechen können. Doch diese Netzwerke für Depressionen, Parkinson oder Zwangsstörungen überschneiden sich nicht. Es gibt also leider nicht den einen Ansatz, mit dem sich das Gehirn in Richtung umfassende Gesundheit bewegen lässt. Michael Fox ist aber davon überzeugt, dass die Ärzte ihren Patienten gezielter helfen können, wenn sie bei der Hirnstimulation nicht nur an die kleine Region der direkten Wirkung denken, sondern an das ganze aktivierte Netzwerk:
    Tiefenhirnstimulation oder Aktivierung von außen?
    "Wenn man weiß: Bei einer bestimmten Krankheit wirkt die Tiefenhirnstimulation, dann kann man mit unserer Methode herausfinden, wo ähnliche Effekte auch über eine Stimulation von außen erzielt werden könnten."
    Ob das dann wirklich funktioniert, können dann aber nur klinische Studien zeigen. Welche Methode der Stimulation besser passt, hängt von den Umständen ab. Die Tiefenhirnstimulation erfordert eine Operation, dafür kann die Elektrode ihre heilsamen Impulse dann auch ständig abgeben. Die Aktivierung über Magnetspulen am Schädel ist vergleichsweise risikoarm, aber dafür hält der Effekt nur begrenzte Zeit an, die Patienten müssen immer wieder in die Klinik kommen.
    Wenn die Ärzte bei einer Krankheit auf irgendeinem Weg der Hirnstimulation erst einmal Erfolge erzielen, dann kann der Netzwerkansatz ihnen neue Möglichkeiten zeigen, die Therapie an die Bedürfnisse ihre Patienten anzupassen.