Es stelle sich natürlich die Frage nach der Authentizität, gab der Direktor der Stiftung Brandenburgische Gedenkstätten zu bedenken.
"Wenn Sie heute eine Gedenkstätte betreten, dann ist das eben nicht mehr das Konzentrationslager, sondern die Gedenkstätte, in der sich verschiedene Zeitschichten einlagern. Verschiedene Formen der Erinnerung, die von verschiedenen Personen, Institutionen etc. geschaffen worden sind, mit unterschiedlichen Intentionen. Aber damit können wir umgehen, denn wir sagen, wir wollen zur kritischen Reflexion anregen."
Fundierte und verständliche Geschichtsvermittlung
Drecoll, der bis 2018 die Dokumentation Obersalzberg geleitet hat, setzt dabei auf einen transparenten Umgang auch mit Gedenkstätten, die von Rechtsextremen ideologisch vereinnahmt werden.
"Den Ort durch wissenschaftlich fundierte, aber allgemein verständliche Geschichtsvermittlung zu besetzen, das ist meines Erachtens ein gangbarer Weg, um solche Nostalgiker, Rechtsextremisten oder sonstige Besucherinnen und Besucher, die positive Anknüpfungspunkte zur NS-Vergangenheit suchen, von diesen Orten entweder zu vertreiben oder sie gar nicht erst an diese Orte kommen zu lassen."
Viele Familienbiografien durch NS-Verbrechen belastet
Dass aufgrund der COVID-19-Pandemie der 75. Jahrestag der Befreiung des KZ Sachsenhausen nur online stattfinden konnte, habe ihn sehr getroffen.
"Das liegt vor allem daran, dass die persönlichen Gespräche mit den Überlebenden, aber – das darf man eben auch immer nicht vergessen - auch mit deren Angehörigen, mit ihren Kindern und Kindeskindern, für die auch heute noch, weil es Teil ihrer Familienbiografie ist, die NS-Verbrechen sehr, sehr aktuell sind und einen sehr, sehr hohen Stellenwert haben. Dass wir das nicht machen können, das trifft uns tief."
Dr. Axel Drecoll, geboren 1974 in Erlangen, hat Neuere und Neueste Geschichte, Geschichte Südosteuropas und Politische Wissenschaften studiert. Derzeit ist er Direktor der Stiftung Brandenburgische Gedenkstätten und zugleich Leiter der Gedenkstätte und des Museums Sachsenhausen. Vorher war er beim Institut für Zeitgeschichte in München beschäftigt und leitete die Dokumentation Obersalzberg.