Die Corona-Pandemie war und ist ein Katalysator für die Verbreitung von Verschwörungsnarrativen und in diesen Narrativen steckt oft auch Antisemitismus. Im Jahr 2020 hat sich auch die Zahl der judenfeindlichen Vorfälle deutlich gesteigert, 2.300 Fällen wurden polizeilich erfasst. Die Bundesregierung will nun für die Erforschung des Antisemitismus zwölf Millionen Euro bereitstellen, weitere 23 Millionen für die Erforschung von Rechtsextremismus und Rassismus.
Internetkommunikation bringt neue Forschungsfragen
Die Mittel bereitzustellen sei richtig, sagte Frank Bajohr im Dlf. Er leitet das Zentrum für Holocaust-Studien am Institut für Zeitgeschichte in München. Antisemitismus nehme zu, es gebe zudem auch ein wachsendes Bedrohungsgefühl der betroffenen Jüdinnen und Juden.
Die Verbreitung antisemitischer Erzählungen finde heute stark online statt, die Forschung sei aber weiterhin stark auf nicht-digitale Kanäle fokussiert. Die abweichenden Dynamiken digitaler Kommunikation stelle die Forschung dabei vor analytische Herausforderungen.
Es sei dabei gut, dass die Förderung der Bundesregierung praxisnah ausgerichtet sei und dadurch konkret auch in der Prävention wirken könne. Ein Projekt werde beispielsweise in Kooperation mit Schulen in Deutschland, Frankreich, Spanien und Rumänien digitales mehrsprachiges Unterrichtsmaterial zur Antisemitismusprävention im europäischen Schulunterricht entwickeln.
Reihe Neuer Antisemitismus? Befund, Analyse, Verstehen
- (1/6) Doron Rabinovici: "Jüdisches Leben ist auch immer prekär"
- (2/6) Friedrich Pohlmann: Keine Parolenkultur gegen Rassismus
- (3/6) Mirna Funk: Anders als alle Dachten
- (4/6) Stefan Weidner: Arabischer Antisemitismus im globalen Spannungsfeld
- (5/6) Marcus Staiger: Rap - ein Zerrbild der Gesellschaft?
- (6/6) Ingrid Brodnig: Antisemitismus im Netz
Antisemitische Einstellungen in breiten Teilen der Gesellschaft
"Antisemitismus ist nicht bloß eine Angelegenheit irgendeines extremen Randes", sagte Bajohr. Problematische Anschauungen würden von "größeren Teilen der breiten Bevölkerung in dem einen oder anderen Punkt durchaus geteilt." Das Problem in der Analyse dieses Antisemitismus sei, dass dieser zunehmend ins "Diffuse" ausweiche.
Bei Meinungserhebungen würden Befragte verstärkt ausweichende Antworten geben. Parolen, die für jeden erkennbar antisemitisch sind, würden eher vermieden. In der Wissenschaft gebe es daher auch öfter Diskussionen über die Frage, wie Antisemitismus zu definieren sei.