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Historiker Tom Segev zu 70 Jahren Israel
Staatsgründung zum Preis eines Lebens ohne Frieden

Der israelische Historiker Tom Segev bezeichnet die Staatsgründung Israels als "eine der dramatischsten Erfolgsgeschichten des 20. Jahrhunderts". Denn trotz der guten Entwicklung Israels sei es nicht möglich, in Frieden zu leben, sagte er im Dlf. Die Zwei-Staaten-Lösung hält er für gescheitert.

Tom Segev im Gespräch mit Michael Köhler |
    Der Historiker und Autor Tom Segev
    Der Historiker und Autor Tom Segev (André Kempner )
    Für Segev war die Unterstützung der zionistischen Bewegung durch Großbritannien - bis 1948 Mandatsträger im damaligen Palästina - entscheidend für die Staatsgründung. "Ich würde sogar so weit gehen, zu sagen, dass Israel Großbritannien seine Existenz schuldet". Israel sei kein Resultat des Holocaust. Schon in den 30 Jahren vor der Staatsgründung habe die zionistische Bewegung gezielt auf eine Staatsgründung hingearbeitet.
    "Für Ben Gurion war der Holocaust ein Verbrechen gegen den Staat Israel", so Segev. Zwar habe es den Staat zur Zeit des Nationalsozialismus noch nicht gegeben, aber ihm wurde durch die Vernichtung der Juden die Bevölkerung genommen, die im Staat Israel leben sollte - so habe Staatsgründer Gurion es gesehen. Laut Segev ging es Gurion immer um die Nation - die jüdische Diaspora sei für ihn eine "schlechte, krankhafte Existenz für ein Volk" gewesen.
    Identifikation über das Land
    Für Segev ist klar, dass es in der Region in absehbarer Zeit keinen Frieden geben könne. Die Zwei-Staaten-Lösung hält er für gescheitert. Denn sowohl Israelis als auch Palästinenser definierten ihre Identität über das Land - "und zwar das ganze Land", meint Segev. Das habe auch Gurion schon im Jahr 1919 erkannt und geäußert - und damit in Kauf genommen, dass ein Staat Israel vermutlich nie in Frieden leben werden könne.