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Historiker über Geheimnisse der Natur
"Wissenschaft ist uns ganz nah"

Wissenschaft sei uns nah und fern zugleich, sagte der Wissenschaftshistoriker Ernst Peter Fischer im Dlf. Faszinierend seien weniger ihre Gesetze als ihre Geheimnisse. Menschen nutzten die Ergebnisse der Wissenschaft zwar täglich, allerdings oft ohne darüber nachzudenken oder sie zu verstehen.

Ernst Peter Fischer im Gespräch mit Karin Fischer |
Leonardo da Vincis (1452-1519) Zeichnung "Vitruvianischer Mensch" (um 1490) zeigt einen Mann, der die idealisierten Proportionen besitzt, welche der antike Architekt und Ingenieur Vitruv formulierte.
Leonardo da Vinci zeichnete den vitruvianischen Mensch um 1490 - die Studie zu Körperproportionen wurde auch zum Sinnbild für das naturwissenschaftliche Ordnungsdenken (dpa / picture-alliance / CPA Media/Pictures From History)
Auf die Frage, wo uns im Alltagsleben Wissenschaft begegne, ohne zum Thema zu werden, antwortet Ernst Peter Fischer: "Mir kommt in den Sinn, dass wir eigentlich von Wissenschaft umgeben sind, dass wir unser Leben mit Wissenschaft führen. Wir sitzen am Computer, wir benutzen ein Handy, wir schalten das Fernsehgerät ein. Wir benutzen einen Kühlschrank, wir fahren Auto, wir benutzen eine Fernbedienung, was immer auch. Wissenschaft ist uns ganz nah, im Alltag, im Handhaben. Aber sie ist uns ganz fern, in dem Sinne, dass wir sie gar nicht verstehen und manchmal auch gar nicht verstehen wollen."
Wissenschaft vertieft Geheimnisse
Schon Albert Einstein habe sich 1930 - als der Rundfunk aufkam - beschwert, alle Menschen sollten sich schämen, die sich der Wissenschaft und Technik bedienen, aber davon so wenig verstehen wie die Kuh von der Botanik der Pflanzen. Menschen würden die Dinge gern nutzen, aber scheuten sich, sie zu erklären oder zu verstehen, meint Ernst Peter Fischer. Da bestehe durchaus Nachholbedarf, sagt der Wissenschaftshistoriker.
In einer Glaskugel spiegelt sich die Adriaküste, die im Hintergrund nur unscharf zu sehen ist.
Gesprächsreihe - nah und fern
Nähe und Distanz sind keine feststehenden Größen. Wo das eine aufhört und das andere beginnt, empfindet jeder anders. Und jede Disziplin, jede Kunstgattung geht auf ihre Weise damit um.
Zum Verhältnis von Nähe und Ferne, Leben und Wissenschaft merkt er an: Wissenschaft könne keine Geheimnisse aufheben, sondern nur vertiefen. Dass Steine auf den Boden fallen, liege an der Schwerkraft. Es steigere aber nur die Faszination für den banalen Vorgang, dass etwas hinfällt. Die Nähe enstehe durch das Geheimnisvolle, weniger durch das Offenkundige und Offenbare, so Wissenschaftshistoriker Ernst Peter Fischer.
Europe;Europa;Germany;Deutschlan;Baden Wuerttemberg;Konstanz am Bodensee.Mathematiker u. Physiker Ernst-Peter FISCHER.Photo : Eric VAZZOLER / ZEITENSPIEGEL 2011
Ernst Peter Fischer, geboren 1947 in Wuppertal, studierte Mathematik, Physik und Biologie und promovierte 1977 am California Institute of Technology. 1987 habilitierte er sich im Fach Wissenschaftsgeschichte und lehrte in den Jahren darauf an den Universitäten Konstanz und Heidelberg. Fischer ist Autor zahlreicher Bücher, darunter der Bestseller "Die andere Bildung" (2001) und die Max-Planck-Biographie "Der Physiker" (2007). Bei Siedler erschien zuletzt "Die Verzauberung der Welt. Eine andere Geschichte der Naturwissenschaft" (2014).